Julius
Watzke
4. 11. 1844
Neusohl (Banská Bystrica, SK)
20. 8. 1913
Erfurt (D)
Theaterdirektor, Schauspieler

Er stammte aus einer Theaterfamilie. Er begann als Schauspieler, Anfang der 70-er Jahre gründete er eine eigene Theatergesellschaft, mit der zusammen er sich dann mehr als vierzig Jahre lag durch Theater mittlerer und kleinerer Städte überwiegend in Böhmen, Mähren und Deutschland bewegte. Zusammen mit seinem zahlenstarken Ensemble bot er ein breites Repertoire an, in dem auch Opern und Operetten nicht fehlten; die ambitionierte Unternehmensführung endet 1912 mit einem Bankrott. 

W. stammte aus einer Theaterfamilie. Erstmals wurde er 1867 in Vejprty in der Gesellschaft von Theaterdirektor Josef Watzke, wahrscheinlich seines Vaters, erfasst. In dem Familienensemble, das sich in den Bezirken Ústí nad Labem und Liberec bewegte, versah er den Posten des Musikdirektors, er spielte Bonvivants und Charakterrollen. In der Saison 1870/71 teilte sich das Ensemble in drei eigenständige Unternehmen auf; neben dem Ensemble von Josef Watzke wirkten noch zwei weitere Gesellschaften unter der Leitung von W. und Julius Robert Watzke, dessen Spur sich im Jahre 1874 verliert. Anfangs blieb W. in Nord- und Westböhmen und mietete Theater in größeren Städten an, z. B. in Aš, Cheb, Ústí nad Labem oder in Trutnov. In der 2. Hälfte der 70-er Jahre ging er nach Südtirol, wo er zusammen mit seiner Gesellschaft im Kurtheater in Meran, im Sommertheater in Hall bei Innsbruck oder im städtischen Theater in Bozen wirkte. 1878 ging er wieder nach Deutschland und wirkte in Pforzheim, München und Schwerin. Beginnend mit der Saison 1882/83 kehrte er nach Böhmen zurück und weilte als Theaterdirektor einer fahrenden Gesellschaft in Šluknov und gleichzeitig im deutschen Tiefenbach. Bis in die 2. Hälfte der 90-er Jahre agierte er in Nord- und Nordostböhmen, zumeist spielte er in Litoměřice, von wo aus er nach dem Ende der Hauptsaison zu Stationen in weiteren Städten reiste, z. B. nach Jablonec nad Nisou, Děčín, Varnsdorf und nach Erfurt.

Hier stellte sich W. 1893 und 1894 als Direktor des Wiener Operetten Ensembles vor, doch in Wien hatte er nie gespielt. Es handelte sich um eine Werbestrategie, und der Direktor wollte damit gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass er sich zur Wiener Operettenproduktion bekannte, die sein Ensemble im Repertoire hatte. In der 2. Hälfte der 90-er Jahre kam W. nach Mähren und hatte ab der Saison 1897/98 bis Frühjahr 1900 das Stadttheater in Jihlava gepachtet. Zusammen mit einer Gesellschaft mit der Bezeichnung Iglauer Opern-, Operetten- und Lustspiel-Ensemble bereiste er die Städte Znaim und Šternberk. Ein Jahr später stellte sich diese in Deutschland vor, und zwar in Mannheim und Halle unter dem Namen Wiener Operetten Ensemble. Dann kehrte er wieder nach Böhmen zurück und bereiste seine üblichen Stationen. Anfang 1912 geriet er in Karlsbad in Insolvenz, somit konnte er die Mitglieder seiner Gesellschaft nicht auszahlen. Anschließend wurde er sowohl aus den deutschen als auch den österreichischen Theater- und Musikvereinigungen einschließlich Genossenschaften (Deutsche Bühnengenossenschaft, Deutscher Musikerverbände in Berlin, Österreichischer Bühnenverein und Österreichischer Musikerverbände in Wien) ausgeschlossen, wodurch ihm eine weitere unternehmerische Tätigkeit im Bereich Theater verwehrt blieb. Kurz darauf starb er in Erfurt im Alter von 68 Jahren.
W.s Frau war die Schauspielerin Sophie Watzke, mit der zusammen er die Tochter Marie hatte, eine Schauspielerin und Sängerin, die später unter dem Namen Mitzi Watzke auftrat.

W. unterhielt während seiner gesamten unternehmerischen Tätigkeit eine große Gesellschaft mit einem bis zu vierzigköpfigen Schauspielensemble und einem zahlenmäßig starken technischen Personal. Selbst widmete er sich überwiegend der Leitung der Gesellschaft und trat nur selten auf der Bühne auf. Das Ensemble hatte ein breites Repertoire, in dem Tragödien, Schauspiele, Lustspiele, Operetten und Opern nicht fehlen durften. Er bot auch Vorstellungen für Kinder an. So wie andere Unternehmer reagierte er bei der Aufführung der Stücke auf das aktuelle Geschehen, somit kam er auch an antisemitischen Themen nicht vorbei, die damals stark in der Gesellschaft resonierten. In Chomutov führte er 1883 ein Stück über den angeblichen Ritualmord an der vierzehnjährigen Eszter Solymosi aus dem ungarischen Tiszaeszlér auf, zu dem es ein Jahr zuvor gekommen sein sollte. W. hielt das Stück zwar für Jahrmarktpfusch, doch dadurch war bei ihm ausverkauft. Bei anspruchsvolleren Titeln lud er Schauspielerinnen und Schauspieler von großen festen Bühnen zu Gastspielen ein; in Litoměřice spielte 1887 M. Irschick vom Münchner Hoftheater die Titelrolle in Grillparzers Tragödie Medea M., bei weiteren Vorstellungen gastierten die Schauspieler O. Hartmann, E. Schubert, Th. Hagen, G, Erdmann, C. Löber oder die Schauspielerinnen M. Quanter und P. Tullinger aus dem Theater in Dresden. W. arbeitete auch mit anderen Gesellschaften zusammen, so trat beispielsweise in Litoměřice die japanische Schauspielerin Hanako mit ihrem Ensemble auf (1908). Er achtete auf opulente Kostüme und Ausstattungen. Für die Inszenierung der ursprünglich englischen Operette des Komponisten S. Jones Die Geisha oder die Geschichte eines japanischen Teehauses, die er ab 1900 spielte, besorgte W. die Kostüme bei dem bekannten Berliner Hersteller und Theaterfundus-Lieferanten H. Baruch, die Dekorationen ließ er im Atelier des Wiener Hofmalers H. Burghart anfertigen.

W. gehörte zu ambitionierten Theaterdirektoren, die versuchten, ein großes Theaterunternehmen aufrechtzuerhalten, nicht immer gelang es ihm jedoch, lukrative Pachtverträge für Theater in großen Städten zu erhalten. Auch wenn er sich in kleineren städtischen Theatern bewegte, machte er bei seinen Anforderungen keine Abstriche und versuchte, die große Theatergesellschaft aufrechtzuerhalten. Das Problem der begrenzten Zuschauerbasis löste er durch eine Verkürzung der Theatersaison und indem er weitere Provinzstädte bereiste. Dadurch brachte er zwar ein gutes und buntes Repertoire in kleinere Städte, gleichzeitig aber setzte er sich einer finanziellen Unsicherheit aus. Die riskante Unternehmensführung brachte W. in eine Lage, in der er seinen Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen konnte, er wurde von theatergenossenschaftlichen Vereinigungen ausgeschlossen und musste die Gesellschaft auflösen.

Stationen der Gesellschaft von Julius Watzke

1873/1874 Teplice (Teplitz), 1874/75 Trutnov (Trautenau), Varnsdorf (Warnsdorf), 1875 Ústí nad Labem (Aussig), 1876 Meran, Hall; 1877 Bolzano (Bozen), 1878 Pforzheim, 1879/80 München, Merseburg, 1880/81 Schwerin, 1881/82 Pirna, 1882/83 Šluknov (Schluckenau), Tiefenbach, 1883 Chomutov (Komotau), 1883/84 Trutnov (Trautenau), 1884/1885 Ústí nad Labem, Most (Brüx), Chomutov, 1885/86 Česká Lípa (Böhmisch Leipa), 1886/87 Litoměřice (Leitmeritz), Most, Chomutov, 1887/88 Litoměřice, Žatec (Saaz), Děčín (Tetschen), 1888/89 Litoměřice, Gera, 1889/90 Litoměřice, Děčín, Gera, 1890 Rumburk, Varnsdorf, 1890/91 Karlovy Vary (Karlsbad), Podmokly-Děčín (Bodenbach-Tetschen), 1891/92 Litoměřice, Česká Lípa, Jablonec nad Nisou (Gablonz a. b. Neiße), 1892/93 Litoměřice, Jablonec na Nisou, Děčín, Varnsdorf, Erfurt, 1993 Podmokly, Erfurt, 1894 Terezín, Karlovy Vary, Ústí nad Labem, Litoměřice, Česká Lípa, Erfurt, 1894/95 Litoměřice, Česká Lípa, Jablonec na Nisou, 1896/97 Žatec, Trutnov, Děčín, Litoměřice, Jablonec na Nisou, 1897/98 Jihlava (Iglau), Znojmo (Znaim), Šternberk (Sternberg), 1898/99 Jihlava, Znojmo, 1899/1900 Jihlava, Znojmo, Mikulov (Nikolsburg); 1901 Mannheim, 1904 Jablonec nad Nisou, 1905 Bratislava (Pressburg), 1906 Litoměřice, 1907 Ústí nad Labem, 1908/09 Ústí nad Labem, Děčín, 1909/1910 Podmokly (Bodenbach), 1912 Karlovy Vary, Varnsdorf, 1913 Erfurt.

Rollen

Der Polizeipräfekt (V. Sardou: Andrea) − 1897.

Quellen

SOA Olomouc: Fonds Šternberk, dokumentarische Sammlung von Plakaten 1853−1967, Inv.-Nr. Š 8−22, Kart. 9 [Julius Watzke, Theaterzettel 1898].

SOkA Znojmo: Katalog Registratur der Stadt Znojmo 1665–1918, Inv.-Nr. XVII., Kart. Nr. 309, 310 [Julius Watzke, Theaterzettel aus dem Jahre 1884 aus Ústí nad Labem und aus dem Jahr 1889 aus Jihlava].

Literatur

Deutscher Bühnen-Almanach (Berlin) 1875, S. 338–339; 1881, S. 295; 1882, S. 269–270; 1883, S. 303; 1884, S. 384–385; 1885, S. 19; 1886, S. 30–40; 1888, S. 292; 1889, S. 294–295; 1889, S. 312–313; 1891, S. 534–536; 1895, S. 428–429; 1897, S. 486; Meraner Zeitung 14. 9. 1876; Innsbrucker Nachrichten 23. 9. 1876; Tiroler Volksblatt (Bolzano) 8. 11. 1876; Plzeňské listy 26. 8. 1883; Leitmeritzer Zeitung 2. 1. 1897, 13. 6. 1908; Znaimer Tagblatt 21. 4. 1900; Prager Tagblatt 12. 5. 1912; Teplitz-Schönauer Anzeiger 23. 1. 1913; O. Doskočil: Z dějin litoměřického divadla a divadelnictví [Aus der Geschichte des Leitmeritzer Theaters und des Theaterwesens], Litoměřice 2002, S. 28; J. Hilmera: Činnost německých divadelních společností v českých provinciích 19. století [Die Tätigkeit deutscher Theatergesellschaften in den böhmischen Provinzen des 19. Jahrhunderts], Praha 2006, DÚk; M. Havlíčková – S. Pracná – J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku 2/3 [Das deutschsprachige Theater in Mähren und in Schlesien 2/3], Olomouc 2013, S. 127, 194, 201, 217, 231; E. Hudcová: Der Bürger und sein Theater in einer mährischen Kleinstadt aus der Kulturgeschichte von Mährisch-Schönberg, Olomouc 2008, S. 170, 223.

Ulrich, Koch Th


Bildung: 2021

Autor: Lukáš, Miroslav