Umlauft, Johann

Johann
Umlauft
17. 5. 1807
Prag (Praha, CZ)
8. 12. 1889
Wien (A)
Umlauft, Johann

In Prag gab er die Revue Der Novellist. Zeitschrift für moderne, unterhaltende Lektüre (1838) heraus und schrieb Beiträge für eine Reihe weiterer PeriodikaNach 1840 zog er nach Wien, ab 1848 bedeutender Vertreter der radikalen demokratischen Strömung: 1848–49 Abgeordneter des Reichstags und 1873–79 Abgeordneter des Reichsrates.     

Er stammte aus der Familie des Prager Großhändlers Franz Anton Umlauft. Nach seiner Schulzeit am Akademischen Gymnasium (1817–23) absolvierte er vier Semester universitäre vorbereitende philosophische Jahrgänge (1824–25, sein Kommilitone war J. Wenzig), und er trug sich an der juristischen Fakultät der Universität Wien ein. 1832 kehrte er nach Prag zurück, um die Leitung des väterlichen Geschäfts zu übernehmen. Ab 1833 widmete er sich der publizistischen, literarischen und kritischen Tätigkeit. Er verfasste Beiträge für die Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, für die Unterhaltungszeitschrift Feierstunden, ab 1835 für den Österreichischen Zuschauer und die Theaterrevue Wiener Allgemeine Theater-Zeitung (ab 1839 ständiger bezahlter Korrespondent). 1838 gab er die literarische Revue Der Novellist. Zeitschrift für moderne, unterhaltende Lektüre heraus. 1840 ging er erneut nach Wien und arbeitete bis 1845 als staatlicher Beamter zum k. k. Central-Bücherrevisionsamt. Er widmete sich auch weiter der Publizistik und literarischen Aktivitäten, 1848 schrieb er einen Beitrag für die Zeitschrift Der Freimütige, Zeitschrift für Denker und Lacher. Er engagierte sich im Revolutionsgeschehen im radikalen linken Flügel und wurde Reichstags-Abgeordneter für Leitmeritz. Nach der Niederlage der Revolution 1850 war er Beamter und Statthaltereibeamter in Innsbruck. 1851 wurde er pensioniert, kehrte nach Wien zurück und wurde Buchhändler. Nach der Erneuerung des Verfassungssystems kehrte er ins politische Leben zurück und war einer der Hauptvertreter der demokratischen liberalen Strömung (1861–74 Mitglied des Wiener Gemeinderaths, 1873 Abgeordneter des Reichstags für den IV. Wiener Bezirk). Er war Redakteur der Zeitschrift Österreichische Neuschule. Zeitschrift für den heimischen Lehrstand (1881–83).

In der Vormärzzeit lag sein Hauptinteresse bei der Literatur und der journalistischen Tätigkeit, die verschiedene künstlerische Bereiche betraf. Er hinterließ kein größeres literarisches Werk; Gedichte und kleinere Texte veröffentlichte er in Periodika. Seine Bemühungen konzentrierten sich um die literarische Wochenzeitschrift Der Novellist (nicht identisch mit der zweibändigen Sammelausgabe Der Novellist. Erzählungen, Märchen, Sagen und Phantasiestücke, die A. Schmidt 1838 in Wien herausgab)Innerhalb eines Jahres erschienen insgesamt 39 nicht datierte Hefte mit zwei ausgewiesenen Doppelnummern (30–31, 40–41). Die Wochenzeitschrift informierte über das Theatergeschehen in Prag und im Ausland und wurde nach Wien und Leipzig vertrieben. Mit dem Titel der Wochenzeitschrift bekannte sich U. zu den beliebten kleinen literarischen Formen (Novellen, Erzählungen, stimmungsvolle Reisereportagen, Städtebilder u. ä.), für die er in Prag einen Publikationsraum schaffen wollte. Der Novellist brachte Originaltexte oder Übersetzungen aus dem Französischen, Englischen, Italienischen und Spanischen (von den Prager deutschen Autoren schickten U. Horn, F. R. Bayer, W. A. Gerle, M. Hartmann, F. V. E. [Ernst] und U. selbst Beiträge). Aus dem Tschechischen wurde Sabinas Erzählung Das Geständnis (Vyznání) übersetzt und im zweiten Halbjahr anonym gedruckt. Der erste Teil jeder Ausgabe enthielt einen Korrespondententeil (Feuilleton für literarische, artistische und tagesgeschichtliche Neuigkeiten), den U. in der Regel selbst schrieb. Das Feuilleton enthielt eine Übersicht des Prager Ständetheaters in der entsprechenden Woche, einen Kommentar zu einer bestimmten Premiere oder zu einem Auftritt eines bekannten Gastes, Theaterkritiken und Informationen über das musikalische oder ein anderes künstlerisches Geschehen in Prag und im Ausland (zumeist in Paris, Italien und England). U. resümierte hier die Kommentare ausländischer Blätter zu herausragenden Ereignissen oder ausländische Fachstudien zu künstlerischen Themen. Er publizierte hier auch die detaillierte Übersicht über die Geschichte der Prager Bühne Flüchtigste Geschichte des Prager Theaters ab dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts bis zum Amtsantritt von Direktor Stöger (1834). Aus finanziellen Gründen jedoch musste er die Herausgabe der Revue nach einem Jahr einstellen, ohne das Abonnement erfüllen zu können. Die Breite und Aktualität der Nachrichten aus dem Ausland verglich der Wiener Humorist mit der viel gelesenen Stuttgarter Revue Europa (gegr. 1835 von J. K. A. Lewald).  Das journalistische Niveau der Zeitschrift Novellist war hoch und stellte während ihres kurzen Lebens für die Prager eine wertvolle Informationsquelle.  

Pseudonym

T. F. Lumau

Theatralia

Flüchtigste Geschichte des Prager Theaters, Der Novellist (Prag), 1838, Nr. 1, S. 1–8; Nr. 2, S. 9–14. – Ausgewählte Kritiken: Der Novellist 1838, Nr. 2, S.  14–15 [J. K. Schikh, M: A. Scutta: Adelaide]; Nr. 3, S. 17–18 [F. V. Ernst: Die drei Verlobungstage]; Nr. 5, S. 33–34 [T. Hell nach J.-B.-E. Cantiran de Boirie, P. F. A. Carmouche, A. Poujol, h. J. Schubert:Die beiden Galeerensklaven; W. Marsano: Die Helden; T. Hell nach E. Scribe: Yelva], Nr. 6, S. 41–42 [U. Horn – W. A. Gerle: Der Naturmensch]; Nr. 7, S. 49–51 [G. F. Treitschke nach S. Knowles: Des Stranders Tochter]; Nr. 8, S. 37–38 [K. Schall: Der Strohmann; C. Blum nach E. Scribe: Die Mäntel oder Der Schneider in Verlegenheit]; Nr. 10, S. 73–75 [J. Nestroy: Das Haus der Temperamente]; Nr. 12, S. 89–91 [C. Töpfer: Die Zurücksetzung]; Nr. 13, S. 97–98 [F. X. Told: Liebeleien in Linz, Neckereien in Wien, Foppereien in Prag]; Nr. 14, S. 105–106 [J. Franul v. Weißenthurn: Der Wald bei Herrmannstadt]; Nr. 15, S. 113–114 [C. Blum: Bruno und Balthasar]; Nr. 16, S. 121–122 [J. A. Gleich: Der Postillon von Biechowitz]; Nr. 17, S. 129–131 [F. Wagner: Die Wortbrüchigen]; Nr. 18, S. 138–139 [E. Devrient: Die Verwirrungen; J. Nestroy: Glück, Missbrauch und Rückkehr]; Nr. 21, S. 161–163 [G. Schmidt: Der Maler und sein Bild]; Nr. 25,  S. 193 [F. A. Kurländer nach E. Scribe: Der achtzigste Geburtstag]; Nr. 26, S. 201–203 [F. A. Kurländer nach N. Fournier – A. J. F. Arnould: Der Pflegesohn; W. A. Gerle: Die Vormundschaft]; Nr. 27, S. 209–210 [W. Shakespeare, Ü: F. Schlegel, B: J. L. Deinhardstein: Die Widerspenstige]; Nr. 28, S. 217–218 [J. Franul v. Weißenthurn: Der Fremde]; Nr. 29, S. 225–226 [E. Scribe, M: J. F. Halévy: Die Jüdin]; Nr. 30/31, S. 233–235 [W. Vogel: Der Prozess um ein halbes Haus; F. Hopp, M. J. Hopp: Schloss Waldegg, die Hussaren und der Kinderstrumpf]; Nr. 32, S. 257–258 [C. Lebrün nach Franz.: Der Wetterableiter]; Nr. 34, S. 266–267 [J. W. Lembert nach M. Ancelot: Die Homöopatische Cur]; Nr. 36, S. 281–282  [A. E. Steigentesch: Die Missverständnisse; L. Angely: List und Phlegma]; Nr. 37, S. 290–291 [H. Löffel: Die Emanzipation und die Wittwenschaften]; Nr. 38, S. 297–298 [L. Rellstab: Die Venetianer]; Nr. 39, S. 306–307 [C. Carl nach Ch. Lafont: Abentheuer in Venedig]; Nr. 40/41, S. 313–315  [G. Schmidt, M: L. Spohr: Der Alchymist], S. 314–315 [F. Hopp, h. J. Hopp: Der glücklichste Mensch, Der größte Narr, Das beste Weib].

Quellen

WBR Wien: Nachlass, URL: http://aleph21-prod-wbr.obvsg.at/F/?func=find-b&find_code=SYS&CON-lng=ger&local_base=wbrhs&request=0006841. AMP: Auflistung der Prager Bevölkerung 1830–1910 [Vater Franz Anton Umlauf, 1765]. NA, Praha: Polizeidirektion I, Konskription, Kart. 661, Abb. 686 [Mutter Franziska]. AUK, Praha: Kataloge des Akademischen Gymnasiums in Prag 1811/12–1816/17, 1824, I. Jahrgang der Philosophie, S. 65, II. Jahrgang, Catalog für das Schuljahr 1825, unpag., Katalog vom Schuljahr 1824 [...], Katalog vom Schuljahr 1825 [...]. ÖNB Wien: Bildarchiv und Grafiksammlung (POR), sign. PORT_00015359_01 [J. Umlauft], URL: http://data.onb.ac.at/rec/baa3818280.

Literatur

Unsign.: ErwiderungBohemia (Prag) 4. 2. 1838 [Polemik Bohemia – Der Novellist]; Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 6. 2. 1838 [Kommentar zur Gründung der Zeitschrift Der Novellist]; J. K. Tyl: Blesky a Bludičky, Česká včela (Praha) 5, 1838, S. 110; D. Meynert: Neuigkeiten. Literatur, Wiener Theater-Zeitung 15. 9. 1838 [Rezensionen der ersten sechs Nummer der Zeitschrift Der Novellist]; Clifford: Prager Salon, Humorist (Wien) 10. 5. 1839 [Informationen zu Abonnenten]; unsign. [F. L. von Schirnding]: Österreich im Jahre 1840. Staat und Staatsverwaltung, Verfassung und Kultur, Leipzig 1840, S. 319; X: Miau! Miau! Miau!, Wiener KatzenmusikPolitisches Blatt für Spott und Ernst mit Karrikaturen 15. 7. 1848; A. Estermann: Die deutschen Literaturzeitschriften 1815–1850: Indices. 2. Bd. 10. New York–Paris 1991; G. Marinelli-König: Die Böhmischen Länder in den Wiener Zeitschriften des Vormärz I, 1805–1848, Wien 2011, S. 631–633, 983–985; Wikipedia [online]. [zit. 23. 1. 2015]. URL: http://cs.wikipedia.org/wiki/Johann_Umlauft

Estermann, HLW, ÖBL, Wurzbach


Bildung: 2016

Autor: Ludvová, Jitka