Teuber, Oskar Karl

Oscar Teuber, Archiv IDU.
Oskar Karl
Teuber
11. 12. 1852
Weckersdorf / Křinice, Tschechien
16. 6. 1901
Wien
Journalist, Schriftsteller, Theaterhistoriker

Besuchte eine Militärakademie. Ab 1875 Kunst- und Theaterreferent der Tageszeitung Bohemia. Autor von militärhistorischen Publikationen und einer dreiteiligen Geschichte des Prager Theaters, die bis heute eine wesentliche Quelle für das Studium des Theaters in Prag darstellt, einschließlich der objektiv behandelten sprachlichen Aufspaltung in deutsches und tschechisches Theater. Ehemann der Schauspielerin Emma Rigol (1850 – 1934).

Der Sohn eines Gutsbesitzers besuchte 1863–1868 das Benediktiner-Gymnasium in Braunau [Broumov], an dem Alois Jirásek sein Mitschüler war, bzw. das Piaristen-Gymnasium in Prag und frequentierte hierauf bis 1870 die Kadetteninstitute in Kismarton [Eisenstadt] und St. Pölten; seine darauf folgende Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt musste er 1873 trotz ausgezeichneter Studienerfolge aus Gesundheitsgründen abbrechen. In der literarischen Welt bereits bekannt, wandte sich T. nunmehr endgültig dem Schriftstellerberuf zu. Er begann in Graz (wo er an der Universität unter anderem Geschichte, Germanistik und Musikgeschichte hörte) als Theaterreferent und Feuilletonist bei der Tagespost, fungierte dann in der Redaktion der Grazer Zeitung als politischer Berichterstatter und ebenfalls als Theaterkritiker und ging im Januar 1875 nach Prag.

Dort wurde er Kunst- und Theaterreferent in der deutsch-liberalen Tageszeitung Bohemia, in der er humoristische Skizzen aus seinem militärischen Jugendleben zu veröffentlichen begann, die – ab 1881 in Buchform gesammelt und mehrfach aufgelegt, seine Popularität in der Öffentlichkeit und besonders in Militärkreisen begründeten und auch heute noch wegen der in ihnen aus eigenem Erleben tradierten Details als kulturhistorische Quelle beachtenswert geblieben sind. T.s zahlreiche weitere, zumeist umfangreiche und auf Quellenstudien beruhende militärhistorische Publikationen (mit ihrem Höhepunkt in dem reichillustrierten Prachtwerk Die österreichische Armee von 1700 bis 1867, Wien 1895, Reprint 1971) dienten dem Glauben des Autors, dass die k. u. k. Armee berufen sei, der „patriotischen Heranbildung des Volkes“ zu dienen und, „die trennenden Gegensätze mildernd“, „ihr einigendes Band um alle Nationalitäten zu schlingen“ imstande sei.

1883 wurde er in die Redaktion des österreichischen Gesamtstaates vertretenden Fremden-Blatt nach Wien gerufen, in dessen Diensten er als Leitartikler, Feuilleton-, Kunst- und Militärredakteur und schließlich als stellvertretender Chefredakteur eine reiche publizistische Tätigkeit entfaltete. Besonders hervorzuheben sind sein das Wiener Gastspiel des Prager Nationaltheaters (anlässlich der Internationalen Musik- und Theaterausstellung 1892) begleitender, umfangreicher Essay „Das czechische Theater von seinen Keimen bis zur Gegenwart“, Fremden-Blatt, 1. 6. 1892) und seine bei derselben Gelegenheiten geschriebenen Aufführungskritiken, in denen er über den jeweiligen Anlass hinausgehende grundsätzlichen Betrachtungen zum tschechischen Theater überhaupt anstellte. In den 90er-Jahren sind auch seine apologetischen Schriften zum Mönchs- und Klosterwesen erschienen, die die auf volksbildnerische Breitenwirkung bedachte Absicht des Autors erkennen lassen. T., vielfach geehrt und ausgezeichnet (u. a. mit der selten verliehenen Großen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft, 1892 Ritter des Franz Joseph-Ordens, 1898 Ritter des Ordens der eisernen Krone III. Klasse), 1896–1900 leitender Redakteur des Armeeblattes, wurde im Mai 1900 zum Chefredakteur der amtlichen Wiener Zeitung ernannt und konnte in der kurzen Zeit bis zu seinem Tode deren Redaktionsbetrieb modernisieren und die rechtliche Stellung der Redaktionsmitglieder verbessern. T. galt als ein publizistischer und auch privater Vertrauensmann des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand. Er starb an einem Herzleiden, sein Begräbnis fand unter Anteilnahme höchster Kreise des Adels, der Regierung, der Armee (alle seine vier Söhne wurden Offiziere) und seiner literarischen und journalistischen Kollegenschaft statt.

Von nachhaltigster Wirkung sind T.s Arbeiten auf dem Gebiet der Theatergeschichte. 1877–1879 veröffentlichte er in der Bohemia 71 Artikel zur Geschichte des Prager Theaters, zu denen ihn Franz Klutschak (bis 1877 Chefredakteur, dann bis 1881 Herausgeber des Blattes) anlässlich des Direktionswechsels am Deutschen Landestheater angeregt hatte (Ostern 1876 war der aus Graz kommende Eduard Kreibig dem bisherigen Direktor Rudolf Wirsing gefolgt). Eine zusätzliche Motivation dürfte auch seine 1876 geschlossene Ehe mit der am deutschen Landestheater engagierten Schauspielerin Emma Rigol gewesen sein. Er hatte jedoch schon vor Abschluss dieser Serie die Notwendigkeit erkannt, „den Sagenkreis, welcher bisher um die Vergangenheit der Prager Bühne gewoben war, durch eine wirkliche Geschichte derselben zu ersetzen“, und vollzog so in seiner dreiteiligen, 1883–1888 in Prag erschienenen Geschichte des Prager Theaters den Schritt vom Journalisten, der sich mit dem begnügt, was ihm an Material vorliegt, zu dem die Quellen erschließenden Historiker. Der tschechischen Sprache mächtig und mit vorzüglichen und konfliktfreien Kontakten zu den tschechischen Kreisen, hat er praktisch alle für sein Thema relevanten Prager Archive (einschließlich der Privatarchive des Adels) und Bibliotheken ebenso wie – nach seiner Übersiedlung nach Wien – die reichen Bestände der Wiener Hofbibliothek ausgewertet. Allerdings ist es ihm, wie bereits die zeitgenössische Kritik bemerkt hat, dabei nicht immer gelungen, sein Material übersichtlich zu ordnen. Zwei Verdienste des Theaterhistorikers T. bleiben jedoch bestehen: Er hat mit seiner Geschichte des Prager Theaters ein Werk geschaffen, das wegen des in ihm ausgewerteten (und heute zum Teil verlorengegangenen) Materials nach wie vor als unentbehrliche Basis für weitere Forschung angesehen werden muss. Sein zweites, vielleicht noch größeres Verdienst besteht darin, die „nationale Spaltung des Theaterwesens in Prag, die Loslösung der čecho-slavischen Bühne von dem deutschen Mutter-Institut“ im 19. Jahrhundert (Geschichte, Tl. III, S. XIII) objektiv und trotz seiner Konzentrierung auf das deutschsprachige Theater unter voller Würdigung der eigenständigen Entwicklung der tschechischsprachigen Bühne behandelt zu haben.

Werke (Theatralia)

Ulrich von Hutten. Ein dramatisches Gemälde deutscher Vergangenheit…, Prag 1873. – Die Prager Schaubühne seit den ältesten Zeiten, in: Bohemia, 16. 6. 1877 – 24. 12. 1878 (61 Artikel); Das Theater in Stöger’s zweiter Directionsperiode, ebenda, 10. 6. – 21. 10. 1879 (10 Artikel). – Charakterköpfe aus der Prager Theatergeschichte [Carl Liebich, Johanna Liebich, Franz von Holbein], in: Prager Theater- und Musik-Zeitung, Jg. 1, Nr. 1–6, 1. 3.–20. 4. 1882. – Geschichte des Prager Theaters: Von den Anfängen des Schauspielwesens bis auf die neueste Zeit: Von Oscar Teuber. Erster theil: Von den Keimen des Theaterwesens in Prag bis zur Gründung des gräflich Nostitz'’'schen Theaters, des späteren deutschen Landestheaters. Prag: Haase, 1883; Zweiter theil: Von der Brunian-Bergopzoom'’'schen Bühnen-Reform bis zum Tode Liebich'’'s, des größten Prager Bühnenleiters (1771-1817). Prag: Haase, 1885; Dritter theil: Vom Tode Liebich'’'s, des größten Prager Bühnenleiters, bis auf unsere Tage (1817­-1887). Prag: Haase. 1888. – [gesammelte Aufführungsbesprechungen], in: F. A. Schubert, Das böhmische National-Theater in der ersten internationalen Musik- und Theater-Ausstellung zu Wien im Jahre 1892, Prag 1892. – Die Theater Prags, in: Die Oesterreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Böhmen (2. Abteilung), Wien 1896.– Der große Bernardon in Prag, in: Bohemia, 21. 6. 1901 (Beilage).

Weitere Werke (in Auswahl)

Feldmarschall Erzherzog Albrecht, Wien 1875; Im Cadeten-Institut. Lose Skizzen aus dem militärischen Jugendleben, Prag 1881; Tschau! Lose Skizzen aus der Militär-Akademie, Prag 1881; Alte Orden in neuer Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte des katholischen Ordenswesens, Wien 1888; Flotte Geschichten aus der uniformierten Welt, Wien 1891; Offene Worte für die oesterreichisch-ungarische Armee. Abfertigung der Broschüre „Offene Worte über die österreichisch-ungarische Armee in ihrem Verhältnis zum deutschen Reichsheere“, Wien 1891; Ehrentage Oesterreichs, Wien 1892, 2. Aufl. 1896; Im Kreuzgang. Skizzen und Geschichten aus der Klosterwelt, Dresden - Leipzig 1892; Auf Oesterreich-Ungarns Ruhmesbahn, Wien 1893; Resurrexit! Neue Geschichten und Skizzen aus der Klosterwelt, Wien 1895; Historische Legionen Habsburgs, Prag – Wien – Leipzig, 1896;Fräulein Rittmeister und andere Soldaten-Geschichten, Wien 1898; Feldzeugmeister Wilhelm Herzog von Württemberg. Ein Lebensbild, Wien 1899; Altösterreichisch. Ein Mahnwort, Wien 1900.

Quellen

Der Nachlass im Besitz der Familie in Wien. – P. Wittas: Ein Musensohn der Alma Mater. In memoriam O. T. (1852–1901), Maschinenschrift, Oesterr. Staatsarchiv, Kriegsarchiv, sign. B/787:72 – Quellen im Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschech. Republik, siehe Katalog in zwei Sprachen Společnost pro podporu německé vědy, umění a literatury v Čechách (Německá akademie věd v Praze). 1891-1945. Materiály k dějinám a inventář archivního fondu. Die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen. (Deutsche Akademie der Wissenschaften in Prag). 1891–1945. Materialien zu ihrer Geschichte und Inventar des Archivbestandes. Bearb. von A. Míšková und M. Neumüller, Archiv AV ČR, Praha 1994.

Periodika

Fremden-Blatt [Wien ] 9. 2. 1888; 12. 12. 1891; 17. 6. 1901. – Nekrologe: Prager Abendblatt 17. 6. 1901; Armeeblatt 19. 6. 1901; Bohemia 17., 19. a 21. 6. 1901; Neues Wiener Tagblatt 17. a 19. 6. 1901; Wiener Zeitung 18. a 19. 6. 1901; Wiener Abendpost (Beil. Wiener Zeitung) 17. – 19. 6. 1901; Meziaktí Národního divadla [Praha] 1901, s. 225. – Neue Freie Presse 25. 1. 1900, 17. 6. 1901. –  Neues Wiener Journal, 3., 14. 6. 1923, 16. 6. 1931.

Literatur

J. Svoboda: Die Theresianische Militär-Akademie zu Wiener Neustadt und ihre Zöglinge von der Gründung der Anstalt bis auf unsere Tage, II, Wien 1894, S. 636–638

Das literarische Deutsch-Österreich. Vormals „Die Ostmark“. Organ der Deutsch-österreichischen Schriftsteller-Genossenschaft 2, Heft 4, August 1901, S.. 63–65

J. Zeidler: O. T., in: Deutsche ThaliaJahrbuch für das gesammte Bühnenwesen, 1, Wien und Leipzig 1902, S.. 509–514;

J. Stern – S. Ehrlich: Journalisten- und Schriftsteller-Verein „Concordia“ 1859–1909. Eine Festschrift, Wien 1909, S. 183;

Dějiny českého divadla, sv. II, Národní obrození, hrsg. F. Černý und V. Procházka, Praha 1969, Bd. III,Činohra 1848–1918, hrsg. F. Černý und L. Klosová, Praha 1977

F. Stamprech: Die älteste Tageszeitung der Welt. Werden und Entwicklung der „Wiener Zeitung“, 2. Ausg. Wien [1977], S. 358–364

Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau, hrsg. Peter Broucek (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd.1), Wien–Köln–Graz 1980, s. Reg.

F. Černý: Pocta O. T., in: Divadlo v Kotcích, [Sammelband], 1992, S. 403–406

I. Deák: Der K. (u.) K. Offizier 1848–1918, 2. vyd., Wien–Köln–Weimar 1995; A. Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999

Hoher Landesausschuß! – Slavný zemský výbore! Žádost Oscara Teubera o finanční podporu, Divadelní revue 22, 2011, č. 1, s. 9–13 [Subvention für die Geschichte des Prager Theaters, Edition eines Dokum. aus dem Nationalarchiv in Prag in zwei Sprachen], hrsg. J. Ludvová und K. Ifkovits.

Brümmer, Eisenberg Wien, HD, ÖBL, Otto, Wurzbach


Bildung: 30.11.2012

Autor: Reitterer, Hubert