Neufeld, Ignaz

Ignaz
Neufeld
1843
Gaudenzdorf (Wien, Meidling, A)
1920
Wien (A)
Theaterdirektor, Schauspieler

Theaterdirektor und Schauspieler, der zusammen mit seiner Gesellschaft in der 2. Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in den böhmischen Ländern, Niederösterreich und Ungarn wirkte. Vater des österreichischen Filmregisseurs und Produzenten Max Neufeld.

Er wurde in Gaudenzdorf (heute Teil des 12. Wiener Bezirks, Meidling) als Sohn eines kleinen jüdischen Händlers aus dem slowakischen Senice (Szenitz), des damals nördlichen Teils Ungarns, geboren. Die erste Erwähnung zu N. stammt erst aus dem Jahre 1873, als er mit dreißig Jahren Eigentümer einer fahrenden Gesellschaft war und er von Januar bis März desselben Jahres in Mikulov spielte. In diesem Jahr bot er seine Theaterproduktionen in Hustopeče, Břeclav und Hodonín an. In der Saison 1876/77 hatte N. das Theater in Moravská Ostrava angemietet, und es ist anzunehmen, dass er auch in anderen Städten der Region spielte. In den 90-er Jahren ist seine Gesellschaft auch in Horní Litvínov in Nordböhmen (1893 und 1900) oder in Pinkafeld im damaligen Westungarn (1898) anzutreffen. Am Ende seines Lebens wirkte er als Sekretär oder Inspizient in Theatergesellschaften anderer Direktoren, z. B. in der Saison 1909/10 bei Theaterdirektor E. Kränzl in Glatz. Im Sommer 1912 belebte er seine Gesellschaft für kurze Zeit wieder, diese spielte einige Vorstellungen in Mikulov. Er starb 1920 in Wien.

Seine Frau Josefina, geb. Macheiner (gest. 1911 in Brünn) wirkte ab 1873 im Ensemble. Bereits damals verwendete sie den Familiennamen Neufeld, wenngleich sie erst am 27.7.1875 in Hranice na Moravě offiziell getraut wurden. Eine Schauspielausbildung bei N.s Gesellschaft durchliefen all ihre Kinder, die Söhne Eugen und Max und die Töchter Anna, Irene und Julia, die als Erwachsene in der Regel einem stabileren Engagement in festen Theatern den Vorzug gaben. Eugen Neufeld (6.12.1882 – 18.10.1950) wirkte im September 1908 am Stadttheater in Baden und ab der Saison 1912/13 im Wiener Theater in der Josefstadt. Max Neufeld (13.2. 1887– 2.12.1967) spielte ab 1905 in Klagenfurt, Baden, Jablonec nad Nisou, Olmütz, Salzburg oder in Brünn, von wo aus er 1912 zu seinem Bruder ans Theater in der Josefstadt ging. Im Juni 1912 gab er in der Gesellschaft seines Vaters während ihres Aufenthalts in Mikulov ein Gastspiel. Später wurde Max ein erfolgreicher Filmregisseur und -produzent. In einigen seiner Filme setzte er auch seinen älteren Bruder Eugen ein. Reiche Erfahrung auf europäischen Bühnen sammelten auch N.s Töchter. Anna wirkte in Olmütz, Irene spielte in Maribor, Krems, Šternberk, Budweis bzw. in Olmütz, Julie wiederum in Krems, Klagenfurt, Bílsko oder ebenfalls in Olmütz.

N.s Gesellschaft gehörte zu den mittelgroßen, die von Stadt zu Stadt reisten und deren Kern vor allem eine Familie bildete. N. verstand es jedoch, auch Schauspielerinnen und Schauspieler aus festen Theatern zu seiner Gesellschaft zu führen, und diese sicherten ihm die Gunst des Publikums. Gastvorstellungen gaben bei ihm 1873 der Schauspieler A. Löwinger vom Znaimer Stadttheater und 1874 die Schauspielerin H. Löwe aus Wien. 1888 bestand der größere Teil von N.s Gesellschaft aus Schauspielerinnen und Schauspielern aus verschiedenen Theatern der Monarchie, u. a. aus Wien, Graz, Innsbruck, Ödenburg, Temeswar, Pilsen oder Liberec. Erhielt N. keine Genehmigung oder verfügte er nicht über ein entsprechend großes Schauspielensemble, nahm er eine Stelle in einer anderen Gesellschaft an, so spielte er beispielsweise 1899 bei Direktor F. Reiß auf Station im niederösterreichischen Laa an der Thaya.

Vom Repertoire her unterschied sich N.s Gesellschaft nicht sonderlich von der damals üblichen Produktion. Gespielt wurden Possen und Volksstücke mit Gesängen, weniger dann Operetten und Tragödien. Unter den Autoren dominierten O. F. Berg, F. E. Hopp, Ch. Birch-Pfeiffer, C. A. Görner, J. Nestroy, J. Rosen, F. Raimund, J. Offenbach und F. Schiller. Bei der Aufführung von Singspielen oder Operetten griff N. auf Musiker vor Ort zurück, so arbeitete er z. B. auf Station in Mikulov und in Břeclav 1888 mit einem Streichquartett aus Mikulov zusammen.

N. war ein erfahrener und gewissermaßen auch einfallsreicher Theaterunternehmer. In Mikulov nutzte er als einer der ersten die dortige Wochenzeitschrift zu Werbezwecken. Vor der ersten Vorstellung sprach er die Zuschauer an, stellte ihnen das Repertoire vor und bot ihnen ein Abonnement an (so kosteten beispielsweise 12 Vorstellungen im Jahre 1873 4 Gulden). Vor der Abreise dankte er den Zuschauern und verabschiedete sich von ihnen. Er lud auch Einheimische ein, mit ihm näher zusammenzuarbeiten; mit Kindern aus Mikulov studierte er das Märchen Das Schneewittchen von C. A. Görner ein, was ihm einen vollen Saal garantierte. Dieselbe Strategie wandte er auch auf Station in Přerov im Frühjahr 1875 an.

Als Stationen wählte er vor allem mittelgroße und kleinere Städte. Außer in den böhmischen Ländern spielte die Gesellschaft auch in Niederösterreich und in Ungarn. N. verstand es, Schauspieler fester Theater anzusprechen und sie für kurze Gastspiele zu gewinnen. Seinen schauspielerischen und unternehmerischen Verstand gab er auch an seine Kinder weiter.

Stationen der Gesellschaft von Ignaz Neufeld

1872/1873 Mikulov (Nikolsburg), Hustopeče (Auspitz); Břeclav (Lundenburg); Hodonín (Göding); 1874 Mikulov; 1875 Přerov (Prerau), Hranice na Moravě (Mährisch Weißkirchen); 1876 Bílovec (Wagstadt), Příbor (Freiberg); 1876/1877 Moravská Ostrava (Mährisch Ostrau); 1878 Hodonín; 1880/1881 Mikulov, Břeclav; 1882/1883 Hainburg, Hodonín, Bzenec (Bizenz), Trenčianské Teplice (Bad Trentshin-Teplitz); 1886 Horn, 1887 Schwechat; 1887 Guntersdorf, Bad Vöslau; 1888 Mikulov, Břeclav; 1890 Sedlitz; 1893 Horní Litvínov (Oberleutensdorf); 1900 Horní Litvínov, Pinkafeld; 1912 Mikulov

Rollen

Fleck (F. Suppé: Flotte Bursche) – 1876, Bachelin (G. Ohnet: Hüttenbesitzer) – 1888.

Quellen

MZA Brno. E 67. (Matrikelsammlung). Sign. 5038, Geburtenmatrikel Hodonín, 1873 – 1887, S. 239. [online, zit. 24.11.2019], URL: http://actapublica.eu/matriky/brno/prohlizec/5037/?strana=239

Österreich Wien, rk. Erzdiözese (östl. Niederösterreich und Wien) Guntersdorf. Sign. 94149, Geburtenmatrikel Guntersdorf, 1869–1888, S. 209. [online, zit. 24. 11. 2019], URL: http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/guntersdorf/01-07/?pg=212

Literatur

Nikolsburger Wochenschrift für landwirtschaftliche, gemeinnützige Interessen und Unterhaltung (Mikulov) 7. 12. 1872, 4. 1., 11. 1. 1873, 18. 1. 1873, 25. 1. 1873, 22. 3. 1873; Mährischer Correspondent (Brno) 10. 4. 1873, 24. 4. 1875; Brünner Morgenpost (Brno) 3. 8. 1875; Neutitscheiner Wochenblatt für Stadt und Land (Nový Jičín) 30. 1. 1876; Nikolsburger Wochenschrift 1. 1. 1881; Mährisch-schlesischer Correspondent (Brno) 24. 2. 1882; Der Bote aus dem Waldviertel (Horn) 15. 10. 1866; Badener Bezirks-Blatt (Baden bei Wien) 3. 12. 1887; Nikolsburger Wochenschrift 9. 6. 1888; Mährisch-schlesischer Correspondent (Brno) 21. 6. 1888; Neuer Theater-Almanach (Berlin) 14, 1903, S. 419–420; 18, 1907, S. 436, 540; 18, 1907, S. 530–531; 19, 1908, S. 470; 20, 1909, S. 470; 21, 1910, S. 427; Badener Zeitung 23. 9. 1908, Nikolsburger Wochenschrift 15. 6. 1912; Kunst der Routine – Der Schauspieler und Regisseur Max Neufeld, Hg. A. Loacker, Wien 2008, S. 11, 14; M. Havlíčková – S. Pracná – J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku 3/3 [Deutschsprachiges Theater in Mähren und in Schlesien 3/3], Olomouc 2014, S. 143.


Bildung: 2019

Autor: Lukáš, Miroslav