Mussik, Gustav Julius

Gustav Julius
Mussik
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30. 12. 1868
Eger / Cheb
Schauspieler, Leiter einer Theatergesellschaft

Erstmalig tauchte er als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Theatergesellschaft Thekla Seifert auf (an der Wende der Jahre 1845 und 1846. 1849 heiratete er Thekla Seifert und wurde eigenständiger Direktor der Gesellschaft mit einer Konzession für die Bezirke Böhmisch Leipa, Jitschin und Eger, später auch für Marienbad und Karlsbad. In Mussiks Gesellschaft wurden Schauspiel, Operette und Stücke mit Gesang, gelegentlich auch Opern aufgeführt. Die Gesellschaft hatte bis zu 30 Personen und pachtete saisonweise auch größere Theater (1852 – 1855 und 1864 – 1867 Stadttheater in Leitmeritz, Marienbad 1855 – 1867, Stadttheater Karlsbad 1863, 1866 – 1869, Franzensbad, Pilsener Städtisches Braurechttheater 1859 – 1862). Mussik starb 1868 in Eger, die Gesellschaft übernahm seine Frau Thekla Mussik, geb. Seifert (*? – nach 1878) zusammen mit seiner Tochter Angelika Mussik und später mit seinem Schwiegersohn Franz Suttner (1841 – nach 1928). 

Schreibung auch Musick, in Dokumenten böhmischer Ämter zuweilen auch Mužík. In der Geschichte des deutschsprachigen Theaters in den böhmischen Ländern ist dieser Name sehr oft zu finden, insbesondere in Nord- und Nordwestböhmen, verwandtschaftliche Beziehungen sind jedoch bislang nicht belegt. In Verbindung mit dem Theater taucht der Name bereits im 18. Jahrhundert auf (1744 schloss der Sekretär der Prager Statthalterschaft Johann Josef M. in Prag einen Vertrag mit einer deutschen Komödiantentruppe ab, Teuber I, S. 179). Ein Franz Alois Mussick veröffentlichte 1808 in Prag einen Einakter (siehe Theatralia) und schrieb darüber hinaus für die Prager Literaturzeitschrift Der Kranz wie auch für ausländische Blätter. Bei der Theatergesellschaft Ludwig Feidlers war in der Wintersaison 1836/37 in Cheb (Eger) ein Eduard M. als Schauspieler engagiert, der sich wahrscheinlich auch literarisch betätigte. Er verfasste Beiträge für die Zeitschrift Janus, Taschenbuch für Freunde der schönen Literatur, die in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Žatec (Saaz) von dem dortigen Kreistopographen Franz (František) Alois M. herausgegeben wurde, der seinerseits Theaterstücke schrieb (siehe Theatralia). Zwei Schwestern namens Ernestina M. (*1847 Prag) und Emma oder Emilie M. (*1851 Prag), Töchter des Prager Konditors Karl M., waren in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts Mitglieder des Ballettensembles am Prager Ständetheater.

Gustav Julius M. wird um die Jahreswende 1845/46 in Hostinné (Arnau) als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Theatergesellschaft Thekla Seiferts erstmals in der Presse erwähnt. Um das Jahr 1849 heiratete M. Thekla Seifert und wurde alleiniger Leiter der unter dem Namen seiner Frau geführten Gesellschaft. Im August 1850 beantragte M. eine Erneuerung der Konzession. Der Antrag wurde bewilligt und M. erhielt eine Auftrittserlaubnis für die Kreise Česká Lípa (Böhmisch Leipa), Jičín (Jitschin) und Cheb (Eger), unter Ausschluss von Cheb und Kurorten. Im April 1851 wurde die Konzession – mit einer vorläufigen Gültigkeitsdauer bis zum Jahresende – auf Cheb erweitert.

Die Theatergesellschaft Gustav Julius M.s und seiner Ehefrau zählte zu den größeren Ensembles, die nicht nur auf kurze, wechselnde Gastspiele angewiesen waren, sondern für die Winter- und Sommersaison regelmäßig große Theater mieteten. Wie die Zusammensetzung des Ensembles in der Wintersaison in Cheb (Eger) 1867 belegt, betrug die Zahl der Ensemblemitglieder zuweilen über 30 Personen (s. Hilmera). Dem war jedoch nicht immer so. In seiner Anfangsphase, im Jahr 1852, umfasste das Ensemble während des Frühjahrsaufenthalts in  Teplice (Teplitz), Litoměřice (Leitmeritz) und Most (Brüx) nur um die 15 Personen. Unter M.s Leitung wurden Dramen, gelegentlich auch Operetten und Singspiele, seltener Opern aufgeführt. Das Orchester wurde an den jeweiligen Spielstätten gemietet und mitunter durch Militärkapellen verstärkt (so spielten z. B. 1853 in dem 1849 eröffneten  Žatecer (Saazer) Theater dreißig Mitglieder des Dragonerregiments von Fürst Windisch-Graetz). M. bemühte sich um gute Beziehungen zu seinen Gastgebern und spendete, wie damals üblich, gelegentlich Mittel für wohltätige Zwecke. So übergab er z. B. im Frühjahr 1861 einen größeren Betrag an ein Armenhaus in Pilsen, am 9. 11. 1866 organisierte er eine Vorstellung zugunsten der Verwundeten des preußisch-österreichischen Kriegs. Den Reingewinn von 80 Gulden spendete er an das Leitmeritzer Hilfskomitee.

Von der soliden Qualität des Theaterunternehmens zeugt, dass Mussik seine Konzession auch auf Kurorte erweitern konnte, wo die Konkurrenz meist sehr groß war. Darüber hinaus waren Mitglieder bedeutender österreichischer und deutscher Bühnen bereit, bei ihm zu gastieren – dies lockte das Publikum an. Mussik hatte nacheinander eine Auftrittserlaubnis für Mariánské Lázně (Marienbad) und Karlovy Vary (Karlsbad) erhalten. Er bewegte sich vorwiegend im Nordwesten Böhmens, wo praktisch nur deutschsprachige Bevölkerung lebte, bemühte sich jedoch lange Zeit auch um das Pilsener Stadttheater, wo er mit dem tschechischsprachigen Theater konkurrierte. Ab der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre finden sich in der Presse positive Echos zu M.s Theatertätigkeit. So schreibt z. B. der Cheber (Egerer) Korrespondent der Zeitung Bohemia im Januar 1856, M.s Theatertruppe sei „die beste, die seit langen Jahren in Cheb tätig war“ (Bohemia   26. 1. 1856).

M.s Lebensweg endete in  Cheb, wohin sich das Ensemble im Winter 1868 begeben hatte. Der Aufenthalt musste vorzeitig abgebrochen werden, da M. am 30. Dezember 1868 starb. Am 2. Januar 1869 wurde er in Cheb beigesetzt.

Das wirtschaftliche Fundament der Truppe bildeten feste Spielstätten, von denen aus – je nach den aktuellen Möglichkeiten – Abstecher in weitere nahegelegene Orte unternommen wurden. In manchen Spielzeiten mietete M. mindestens zwei Theater gleichzeitig (für den Sommer, für den Winter wie auch für mehrwöchige Zwischenaufenthalte). Längere Zeiträume verbrachte das Ensemble vor allem in Cheb (Eger) und Litoměřice (Leitmeritz), weitere wichtige Spielstätten waren Mariánské Lázně (Marienbad) und Pilsen, nicht zu vergessen Karlovy Vary (Karlsbad) und Františkovy Lázně (Franzensbad).

Die Tätigkeit des Ensembles in Litoměřice beläuft sich auf mehrmonatige Aufenthalte in den Jahren 1852–1855 und 1864–1867, als M. das hiesige Stadttheater gemietet hatte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts (das Theater wurde 1822 erbaut) begannen Wandertheatertruppen an die alte, bis auf das Jahr 1549 zurückgehende Tradition der Gymnasialaufführungen anzuknüpfen. Gespielt wurde nicht nur im Stadttheater, sondern auch auf einer Freilichtbühne auf der Schützeninsel (Střelecký ostrov). Während der Leitmeritzer Sommersaison 1853 war an der Leitung der Gesellschaft ein Ko-Direktor namens Max Hessling beteiligt, ab Oktober oblag diese wieder ausschließlich M. (siehe Hilmera). Wie sich aus der Zusammensetzung des Schauspielensembles schließen lässt, wurde in Leitmeritz während beider Aufenthaltszeiträume ein breites Repertoire an Schauspielen, Operetten und Singspielen aufgeführt. Das Schauspielrepertoire umfasste Werke der klassischen, neueren wie auch zeitgenössischen Dramatik. Als Ereignis der Leitmeritzer Wintersaison 1866/67 wird in der Presse M.s erste Inszenierung der Shakespeare-Stücke König Lear und Ein Sommernachtstraum mit der Musik F. Mendelssohn-Bartholdys erwähnt (Leitmeritzer Wochenblatt 28. 12. 1866).

In Marienbad trat die Gesellschaft laut Pressenachrichten in der Sommersaison 1855 erstmals auf (Deutscher Bühnenalmanach; Berlin 1856, S. 350–351). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie sich bereits 1852 hier aufhielt. R. Švandrlík (siehe Lit., S. 2) führt für die Jahre 1852–67 einen Theaterdirektor namens „Musil“ an, der die Leitung von Johann Nepomuk Feichtinger übernommen haben soll, möglicherweise handelt es sich hierbei um eine falsche Schreibung des Namens „Mussik“. Gespielt wurde in einem provisorischen Theater am Ort des späteren Waldschlösschens (Lesní zámeček). Presseberichte lassen auf die Zufriedenheit des Publikums wie auch auf die materielle Prosperität der Gesellschaft in der sommerlichen Kurumgebung schließen. So kommentiert z. B. der Pilsner Bote vom 19. Juli 1857, dass M. „auf der schönen Freilichtbühne [der Freilichtbühne in  Šenov, die zu Sommervorstellungen diente] mit begabten Kräften und dem neuesten Repertoire gute Geschäfte macht.“ Da sich aufgrund der Ereignisse des preußisch-österreichischen Kriegs der begonnene Bau des neuen Marienbader Stadttheaters verzögerte, begab sich das Ensemble nach Abschluss der Sommersaison 1866 für die Wintersaison nach Leitmeritz, von wo aus auch Abstecher nach Terezín (Theresienstadt) unternommen wurden. M.s Tätigkeit in Marienbad endete im Juli 1867. Ab 1. August desselben Jahres wurde das provisorische Theater an den Direktor Carl Moser vermietet, dessen Verwaltungsvollmachten sich ab 1868 auf den fertiggestellten Theaterneubau erweitern sollten. In Reaktion auf diese Tatsache verließ M. Marienbad und begab sich nach Karlovy Vary (Karlsbad).

Das Karlsbader Stadttheater, eine weitere wichtige Spielstätte der Truppe, hatte M. bereits am 10. Oktober 1863 in Nachfolge der Theatergesellschaft Fröhlich für einen Zeitraum von acht Wochen gemietet. Nachdem das Haus zwischenzeitlich von Carl König (Miete ab 1866 für drei Jahre) und Carl Haag geleitet worden war, trat M.s Ensemble 1868 erneut hier auf. M. Kaufmann (Lit., S. 44) zitiert eine Nachricht des Wochenblatts aus dem Jahr 1869, dass „Herr Haag fort und Mussiks Truppe da ist“, kurz darauf wird jedoch konstatiert, dass M.s Repertoire gegenüber dem seines Vorgängers Haag keine grundlegenden Änderungen aufweise, da „Offenbach der Mann des Tages blieb“. Auch in den siebziger Jahren, als die Truppe nach dem Tod Gustav Julius M.s von dessen Gattin Thekla, seiner Tochter Angelika Suttner-Mussik und deren Ehemann Franz Suttner geleitet wurde, blieb Karlsbad eine wichtige Spielstätte.

Zu den Kurorten, in denen das Ensemble auftrat, gehörte ab Dezember 1867 auch Františkovy Lázně (Franzensbad), wo in den Jahren 1865–68 ein neues Kurtheater gebaut worden war. Neben einer dreijährigen Auftrittserlaubnis erhielt M. 1868 von Seiten der Stadt eine Subvention in Höhe von 200 Gulden für Betriebsausgaben (Chronik der Stadt Franzensbad, S. 642). Die Vorstellungssaison wurde am 10. Juni 1868 mit einer feierlichen Ouvertüre und einer Aufführung von Suppés Operette Die schöne Galathée eröffnet. In der Hauptrolle war Angelika Mussik zu sehen, weitere wichtige Rollen waren mit einem Herrn Caspary und den Fräulein Denemy besetzt. Nach M.s Tod gingen die mit der Konzession verbundenen Pflichten auf seine Gattin Thekla über, die gleich im Januar 1869 Konzessionsinhaberin geworden war. Außerhalb der vereinbarten Sommersaison fuhr das Ensemble wahrscheinlich auch im Winter von Cheb aus zu Auftritten nach Franzensbad.

Als eine der wichtigsten Spielstätten des Ensembles ist Pilsen zu nennen. Am 19. Juli 1857 beschloss der Pilsener Stadtrat, das örtliche Stadttheater (das Městské právovárečnické divadlo aus dem Jahr 1832) für die kommende Wintersaison an M. zu vermieten (Pilsner Bote 19. 7. 1857). Ab 1859 bis Anfang des Jahres 1862 hielt sich das Ensemble im Frühjahr wie auch im Herbst nahezu regelmäßig in Pilsen auf, in den Zwischenzeiten spielte man im parallel dazu gemieteten Theater in Marienbad, von wo aus auch Abstecher nach Cheb unternommen wurden. Das Mietverhältnis bestand bis zum Januar 1862, als von der Pilsener Stadtvertretung eine neue Betriebsregelung für das Stadttheater eingeführt wurde (Pilsner Bote, 23. 1. 1862). M.s bislang deutschsprachiges Ensemble sollte sich nach einem vereinbarten Zeitplan mit der ursprünglich ebenfalls deutschsprachigen, aber bereits seit Beginn der 1860er-Jahre auf Tschechisch spielenden Truppe Filip Zöllners den Theaterbetrieb teilen. In einer zwischen den beiden Theaterleitern getroffenen Vereinbarung wurde der Auftrittszeitraum für M.s Ensemble auf die Wintersaison, d. h. von Spielzeitbeginn bis Weihnachten, festgelegt, Zöllners Gesellschaft sollte in der Winter- und teilweise in der Frühjahrssaison, d. h. von Weihnachten bis Ostern, auftreten.

Ein weiterer administrativer Eingriff in den Pilsener Spielbetrieb der Jahre 1859–62 ergab sich, als auf Beschluss des Stadtkomitees vom 24. April 1863 für die Spielzeit 1863/64 anstelle von M.s Truppe die Theatergesellschaft Wallburg-Wesecky engagiert wurde. Der Wechsel von tschechisch- und deutschsprachigen Vorstellungen blieb dabei erhalten. Trotz dieser Umstände kehrte M. auch in den folgenden Jahren nach Pilsen zurück. Bereits im September 1865 trat er hier ein achtwöchiges Gastspiel an (Pilsner Bote 14. 9. 1865) und am 25. April 1866 findet sich in der Zeitung Plzeňské noviny eine kurze Information darüber, dass M. sich gemeinsam mit dem Leiter der deutschsprachigen Gesellschaft Wallburg und Lössl erneut um die Miete des Stadttheaters beworben habe. Mit der Verwaltung des Theaters wurde am 8. Februar 1867 schließlich eine tschechische Theatergesellschaft unter Leitung von Pavel Švanda ze Semčic betraut. Hierzu hatte wahrscheinlich auch der Sieg der tschechischen politischen Parteien bei den Wahlen zur Pilsener Stadtvertretung beigetragen (s. dazu Špelda, Lit.). In Reaktion darauf ließen die deutschsprachigen Einwohner Pilsens in den Jahren 1868–69 ein eigenes Theater bauen, das sie in eigener Regie vermieteten.

Die personelle Zusammensetzung des Ensembles änderte sich während dessen zwanzigjährigen Bestehens mehrmals. Von Anzahl, Namen und fachlicher Einordnung der Ensemblemitglieder kann man sich (trotz unregelmäßiger Angaben) anhand zeitgenössischer Theateralmanache wie auch anhand der Tagespresse (s. Periodika) ein Bild machen. So informiert z. B. die Zeitung Bohemia vom 20. 12. 1846 in der Rubrik Berichte aus Böhmen über die Zusammensetzung des (bereits unter M.s „geschäftlicher Leitung“ befindlichen) Ensembles Thekla Seifert während eines Winteraufenthalts in Žatec (Saaz). Als Ensemblemitglieder werden „die Damen Rössler, Mutter und Tochter, Thekla Seifert, die Damen Basler, Hanisch und Walter und die Herren Gustav Mussik, Faller, Rössler, Pipping Jos., Walter, Hanisch, Basler, Wagner und Hermann“ genannt.

Ein wesentliches Element des Ensembles waren offenbar ganze Schauspielerfamilien, Ehepaare oder miteinander verwandte Personen. Dauerhaft im Unternehmen beschäftigt war die Direktorenfamilie. M. selbst war sein ganzes Leben hindurch (mit zeitweiligen Pausen) als Chefregisseur tätig und übernahm zudem Soldaten- und Charakterrollen. Seine Gattin Thekla, die anfangs als „Anstandsdame“ auftrat (vgl. Hilmera), verwaltete später die Finanzen der Gesellschaft. Die Tochter Angelika (zuweilen auch als Angelina oder Angela angegeben) war bereits ab Mitte der fünfziger Jahre in Kinderrollen zu sehen. Im Erwachsenenalter trat sie als Operettensoubrette und temperamentvolle Liebhaberin auf. Im Schauspielensemble war mit zwei Generationen eine Familie Mitscherling vertreten (ab 1852 Josef Mitscherling im Fach komischer Gesangsrollen, seine Gattin als komische Alte, die Kinder Bruno und Georgine als Kinderdarsteller, wobei Georgine im Erwachsenenalter ins Fach der zweiten jugendlichen Liebhaberin wechselte). Darüber hinaus gab es eine Familie Schütz, bestehend aus Willibald Schütz (Väterrollen) und dessen als Dekorationsmaler angestelltem Sohn Oskar, eine Familie Lippert mit dem Vater Ferdinand (ernste und komische Väterrollen) und den Kindern Albina, Sophie und Ernst (Kinderrollen; Albina trat im Erwachsenenalter in Gelegenheitsrollen auf, Sophie wurde Sängerin). In dritter Generation war die Familie durch den Kinderdarsteller Pepi Lippert – offenbar ein Sohn einer der beiden Schwestern – vertreten. 1854 wurde auch die Schauspielerfamilie Feichtinger (Johann Nepomuk Feichtinger, dessen Frau Wilhelmine und die beiden Söhne Theodor und Julius) ins Ensemble aufgenommen, die zuvor ein eigenes Theaterunternehmen betrieben hatte. Ein bedeutender Schauspieler an der Schnittstelle von tschechischem und deutschsprachigem Theater war František Krumlovský, der in tragischen Rollen auftrat und dessen eher episodische Anwesenheit im Ensemble aus den verzeichneten Abgängen der Jahre 1853 und 1856 ersichtlich ist (vgl. Hilmera). Wie aus der Dezembermeldung des Žatecer (Saazer) Bezirksamts für die Wintersaison 1855 hervorgeht, war neben dem darstellerischen Personal auch ein Souffleur angestellt. Dieser Posten war laut der o.g. Meldung mit einem Anton Boržutsky besetzt (vgl. Hilmera). Darüber hinaus verfügte die Gesellschaft über einen Dekorationsmaler, wobei der Deutsche Bühnenalmanach neben dem bereits erwähnten Oskar Schütz für die Spielzeit 1867/68 einen Herrn Portak nennt. An der Spitze des Orchesters, das für die musikalische Begleitung der Stücke sorgte, stand anfangs nur M.s Kapellmeister (für die Spielzeit 1864/65 ist im Deutschen Bühnenalmanach ein Herr Walter verzeichnet, ebenso im Leitmeritzer Wochenblatt passim). Später wurden noch ein musikalischer Leiter und ein Orchesterleiter eingestellt. Der Deutsche Bühnenalmanach nennt diesbezüglich für die Spielzeit 1867/68 neben einem Herrn Stephan als Kapellmeister des vierundzwanzigköpfigen Orchesters einen Herrn Eslin als musikalischen Direktor und einen Herrn Kolbenschlag als Orchesterleiter.

Der zeitgenössischen Presse sind vereinzelt auch Informationen zu den künstlerischen Leistungen und zur Resonanz in der Öffentlichkeit zu entnehmen. So fiel z. B. bei einer Wohltätigkeitsvorstellung von Wolffs und Webers Preciosa in der Leitmeritzer Wintersaison 1864/65 die als Schauspielerin mit lokalen Gesangseinlagen und als temperamentvolle Liebhaberin engagierte Sofia Lippert „als eine für die zweite Besetzung sehr fähige Schauspielerin“ auf (Deutscher Bühnenalmanach). Angel[ik]a Mussik wurde für ihre schauspielerischen und gesanglichen Leistungen während der Karlsbader Wintersaison 1863 honoriert. Als Darstellerin von Soubrettenrollen in der Operette wurde sie als eine „anmutige Erscheinung“ gelobt, „der täglich neuer Erfolg beschieden ist“ (Kaufmann, Lit., S. 38). In der Wintersaison 1859/60 äußerte sich jedoch in Pilsen einer der Zuschauer im Namen seiner jüdischen Glaubensgenossen kritisch über die Darbietungen einiger Ensemblemitglieder und offenbar auch über das Repertoire. Für ungehörig befand er die – trotz des Anteils der Pilsener jüdischen Gemeinde am öffentlichen Leben der Stadt – „häufigen Karikaturen jüdischer Figuren in den aufgeführten Stücken“. Er verwies auf die kulturelle Bedeutung jüdischer Künstler wie z. B. Moscheles, Mendelssohn, Halévy und Meyerbeer, deren Werke „noch lange leben werden, wenn Lanner, Strauss, Langer und Herr Mussik selbst längst vergessen sind“ (Pilsner Bote, 17. 3. 1859).

Das Repertoire der Gesellschaft war, da es den Wünschen eines Publikums von unterschiedlichem Niveau und unterschiedlichen Erwartungen entsprechen musste, sehr vielseitig. Für die einzelnen Aufenthalte wählte M. je nach Aufenthaltslänge und offenbar auch anhand der Erfahrungen mit dem jeweiligen konkreten Publikum entsprechende Stücke aus. Der meistgespielte klassische Autor war – ähnlich wie an den meisten größeren Theatern im deutschen Sprachraum – Friedrich Schiller (Die Räuber, Kabale und Liebe, Maria Stuart, Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Don Carlos und die Teile der Wallenstein-Trilogie Wallensteins Lager, Wallensteins Tod, in denen M. offenbar die Titelrolle spielte, so z. B. im Dezember 1867 während eines Aufenthalts in Cheb). 1857 wurde auch Goethes Faust inszeniert, der auch später noch oft gespielt wurdeDarüber hinaus standen Shakespeares Stücke Der Widerspenstigen Zähmung (unter dem Titel Liebe kann Alles in der Bearbeitung Holbeins), Romeo und Julia, König Lear und Ein Sommernachtstraum in der Vertonung von Mendelssohn auf dem Programm. Von Lessings Werken ließ M. Nathan der Weise aufführen. Die Dramatik des frühen 19. Jahrhunderts war durch Kleists Käthchen von Heilbronn wie auch durch A. von Kotzebue vertreten, dessen Stücke immer sehr beliebt waren (Die beiden Klingsberg, Der gerade Weg der beste). Aus der traditionellen österreichischen Dramatik wählte M. Grillparzer (Die Ahnfrau), Raimund (Der Alpenkönig und der MenschenfeindDer Bauer als Millionär) und insbesondere Johann Nestroy (Die schlimmen Buben in der Schule, Einen Jux will er sich machen, Lumpacivagabundus, Die beiden Nachtwandler, Eulenspiegel) aus. Das zeitgenössische Repertoire an Volksstücken war durch Cunos populäres Ritterstück Die Räuber auf Maria-Kulm und durch Henslers Zauberstück Die Teufelsmühle am Wienerberge vertreten. Bäuerles Aline oder Wien in einem anderen Weltteil wurde in Pilsen in einer lokalen Adaption als Pilsen in einem anderen Welttheile aufgeführt, in Leitmeritz wurde ein lokalisierter Schwank Hoppes, Die Bekanntschaft auf der Schützeninsel, die Entführung nach Lobositz und die Verlobung im Gemeinde-Haus gespieltAus dem bewährten Repertoire der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden F. Kaiser, (Verlobung in der Küche, Almfried der Sohn der Berge, Der Überspannte, oder: Nur Wahrheit!, Etwas Kleines, Plauderer und Verläumder, Unrecht Gut, Palais und Irrenhaus) und Ch. Birch-Pfeiffer (Dorf und Stadt) ausgewählt, aus der aktuellen Literatur der Jahrhundertwende K. Gutzkow (Das Urbild des Tartuffe, Zopf und Schwert, Uriel Acosta) und H. Laube (Montrose, der schwarze Markgraf, Die Karlsschüler). Auch Übersetzungen und Adaptionen französischer Stücke kamen beim Publikum der größeren und kleineren Städte zumeist gut an (Börnstein: Richelieu´s erster Waffengang nach A. Dumas, E. Scribe: Der Ehrgeiz in der Küche, E. Augier: Ein Pelikan, V. Sardou: Die Flattersucht).

Das Opernrepertoire umfasste unter anderem Das Nachtlager zu Granada von Konradin Kreutzer, Webers Freischütz, Bellinis I Capuleti e i Montecchi und Donizettis Marie, die Tochter des Regiments. Operetten wurden vor allem in Kurorten gespielt, wo traditionell ein leichteres Repertoire gefragt war (Offenbach: Verlobung bei Laternenschein, Die Großherzogin von Gerolstein, Blaubart. Suppé: Flotte  Bursche).

Wirkungsstätten

Aš / Asch: Frühjahr 1863 (Bohemia 23. 4. und 1. 5. 1863).Bílina/Biela: zwischen 1. und 15. 6. 1852 (Der Bote von Eger und Biela, 1. 5., 12. 6. 1852) Chmutov, BílinaFrantiškovy Lázně /Franzensbad: dreijährige Auftrittserlaubis ab Juni 1868 (Egerer Anzeiger 23. 1. 1868, Bohemia 14. 6. 1868).Cheb /Eger: Januar 1856 (Bohemia 23. und 26. 1. 1856), 1859–1862, nach Weihnachten 1862, Dezember 1863; Winter 1867; von Anfang des Jahres bis Juni 1868, Dezember 1868 (Bohemia 8. 4. 1868, Egerer Zeitung 7. 1. 1869, Tod).Chomutov /Komotau, Schützensaal: Mai 1852 (Der Bote von Eger und Biela, 15. 5. 1852); 21. 8. – 3. 10. 1852Hostinné /Arnau: M. als Schauspieler in Hostinné (Bohemia 13. 2. 1846).Karlovy Vary /Karlsbad: acht Wochen ab Oktober 1863 (Bohemia 20. 5., 8. 10. und 27. 10. 1863); Herbst 1867 (Bohemia 11. 6. und 15. 9. 1867), Wintermonate 1869.Litoměřice /Leitmeritz: 1852–1855 (Javorin); 1864–1867 (Leitmeritzer Wochenblatt passim Wintermonate 1864, bis Ende des Jahres 1865 (Leitmeritzer Wochenblatt 28. 12. 1866 – Shakespeare; Javorin).Mariánské Lázně /Marienbad: wahrscheinlich bereits im Sommer 1852, Sommerspielzeiten 1855–1867 (Pilsner Bote 19. 7. 1857; Deutscher Bühnenalmanach, Berlin 1865, S. 356–357).Most /Brüx: zwischen 1. und 15. 6. 1852Plzeň /Pilsen: 1857 erstmals Miete des Stadttheaters (Pilsner Bote 1857), 1859 – Januar 1862, Aufenthalte im Frühjahr und Herbst; Pilsner Bote 23. 1. 1862, neue Betriebsregelung des Stadttheaters; achtwöchiges Gastspiel ab September 1865 (Pilsner Bote 14. 9. 1865).Teplice /Teplitz: Frühjahr 1852 (vgl. Hilmera)Terezín /Theresienstadt: Juni 1866 (Bohemia 11. 6. 1866); Herbst 1866.Žatec /Saaz: Oktober 1853, Winter 185/56 (Bohemia 19. 1. 1856).

Theatralia

Franz Aloys Musick I.: Rettung um Mitternacht, ein Lustspiel in einem Aufzuge, Prag in Kommission bei Karl Barth 1808Franz Aloys Musick I.: Briefe über Prag an einen Freund in Wien. Geschrieben im August 1817, Wiener Allgemeine Theaterzeitung zwischen 6. 12. und 20. 12. 1817 in sechs Fortsetzungen.Franz Aloys Mussik II.: Theatralia und Novellen,  C. W. Medau, Prag und Leitmeritz 1839Franz Aloys Mussik II.: Kleine erheiternde Bühnenspiele, besonders für Privattheater geeignet, Prag, M. I. Landau 1846

Quellen

Erste Konzession: Národní archiv Praha, Prager Statthalterschaft [Pražské místodržitelství] 1850–1854, Sig. 8/6/163, PM 1850–1854, Sig. 8/6/230, PM 1850–1854, Sig. 8/6/601/1852/1245 (vgl. Hilmera, Lit.).Kniha pamětní královského krajského města Plzně od roku 775 až 1870 (Wohltätigkeitsveranstaltungen, Frühjahr 1861).Národní archiv v Praze, Verzeichnis des Polizeipräsidiums I, Karton 407, Abb. 652 (Anmeldung Ernestine und Emilie M.s)Dokumentation des Divadelní ústav, Kartothek des Kabinet pro studium českého divadla, Eintrag Františkovy Lázně – Žatec, Exzerpt aus der nicht identifizierten Publikation Chronik der Stadt Franzensbad, zitiert von S. 642, in Bezug auf Subventionen für M.s Gesellschaft 1868

Periodika

Deutscher Bühnenalmanach, Berlin 1858, S. 266–268; 1865, S. 356–357; 1868, S. 98–99 (Zusammensetzung des Ensembles)Leitmeritzer Wochenblatt passim Wintermonate 1864, Informationen bis zum Ende des Jahres 1865;.Pražský deník, 16. 11. 1866 (Vlastenecký čin – prusko-rakouská válka) 

Literatur

O. Teuber: Geschichte des Prager Theaters. Von den Anfängen des Schauspielwesens bis auf die neueste Zeit. Prag, 1883, S. 179M. Kaufmann: Musikgeschichte des Karlsbader Stadttheaters, Karlsbad 1932, RegisterA. Javorin: Litoměřice. Plzeň, Divadla a divadelní sály v českých krajích, Díl I, Praha 1949, S. 107–109, 171–172A. Špelda: Plzeňská zpěvohra ve starém divadle, Manuskripte 1950–1954, Bibliothek des IDU (Kabinet), S. 1–14Švandrlík, Richard: Z historie mariánskolázeňského divadla (Zugriff 10. 8. 2012)  http://www.hamelika.cz/kultura/divadlo/divadlo.htmFranzensbad, in: Lexikon zur deutschen Musikkultur, Böhmen, Mähren, Sudetenschlesien, Bd. 1, A-L, S. 380–383Hilmera CD 307, 2006


Bildung: 30.11.2012

Autor: Hanoušek, Martin