Franz Alois
Mussik
14. 8. 1779
Prag
13. 1. 1848
Saaz / Žatec
Dramatiker, Schriftsteller, Historiker, Topograph

Nähere Lebensdaten sind nicht bekannt. Als Journalist unterhielt er Kontakte zum Prager und zum Wiener Umfeld. Er publizierte in den Vorgängern des Blattes Bohemia (UnterhaltungsblätterBohemia, ein Unterhaltungsblatt). Er verfasste Rezensionen zu Prager Vorstellungen und kleine dramatische Skizzen für die Wiener allgemeine Theater-Zeitung. Er schrieb vergnügliche Stücke (Lustspiele, Possen, Operetten), die er in Sammelbänden veröffentlichte (bis auf das extra herausgegebene Stück Rettung um Mitternacht, 1808). Der Komödieneinakter Die grosse Bärenmütze (1818) wurde im Theater in der Leopoldstadt aufgeführt

Schreibweise auch Mussick oder Mussick von Adlersberg. M. benutzte dieses Attribut in einem seiner journalistischen Texte, und auch in der Literatur wird er so angegeben (z. B. in: Biographisches Lexikon zur Geschichte der Böhmischen Länder, siehe dort). Da nähere Informationen über M.s Leben nicht bekannt sind, lassen sich mögliche verwandtschaftliche Beziehungen zu weiteren gleichnamigen Personen aus der Theaterszene nicht nachweisen. Genannt seien: Johann Josef Mussik, Geschäftsführer der Theatergesellschaft von Johann Friedrich Schröder, der möglicherweise (laut Teuber, siehe Lit.) 1745 nach dem Weggang der Theatergesellschaft von Angelo Mingotti zu den Bewerbern um die Theaterpacht des Prager Kotzentheaters [Divadlo v Kotcích] gehörte; der Literat Eduard C. Mussik, ein Zeitgenosse von M.; der Schauspieler Eduard Mussik, Mitglied der deutschsprachigen wandernden Theatertruppe von Ludwig Feidler in der Saison 1836–1837; Gustav Julius Mussik, der Schauspieler war und in den Jahren 1846–1868 als künstlerischer Leiter und Direktor der deutschsprachigen wandernden Theatertruppe von Thekla Mussik wirkte.

Beim Namen des Vaters steht in der Matrikel „servus“ als Beruf, demnach war er als privater Bediensteter oder als Amtsdiener angestellt. Obwohl in Prag geboren, verbrachte M. den größten Teil seines Lebens in Nord- und Westböhmen, in Schönlinde / Krásná Lípa und in Saaz / Žatec, wo er sich auf Dauer niederließ und Material für seine historisch-topographische Arbeit sammelte. Er starb nach langer Krankheit in Saaz (dort wurde er am 15. Januar begraben). Sowohl die Bohemia als auch die tschechische Zeitschrift Květy resümieren seinen Lebensweg unter persönlichem und beruflichem Aspekt: „ein gebürtiger Prager“ und „bekannter Topograph des Saazer Kreises“ / „rodilý Pražan“ a „známý topograf žateckého kraje“. (Květy gibt Frant[išek] als Vornamen an.)

Die literarische Arbeit diente M. sicherlich nicht als Haupterwerbsquelle; doch sein Beruf ist unbekannt. M.s hinsichtlich der Fachgebiete und Genres vielseitiges literarisches Schaffen lässt einen außergewöhnlich gebildeten Autor mit guten Kontakten zum deutschsprachigen Ausland erkennen. Sein erster bisher auffindbarer topographischer Text ist eine Abhandlung über Rumburg [Rumburk] und Umgebung (Der neueste Zustand des Handels, und Manufakturen Rumburgs und der Gegend an der sächsischen Gränze in Böhmen, siehe M.s Fachschriften). Die kulturell und wissenschaftlich interessierte Leserschaft seiner Zeit nahm M. als Literat wahr: Im Verzeichnis der 268 Verfasser literarisch wertvoller Belletristik und wissenschaftlicher Schriften, das 1820 in der Wiener Zeitschrift Erneuerte vaterländische Blätter in mehreren Fortsetzungen erschien, ist M.s Name unter den Autoren der schönen Literatur zu finden. M.s Verleger gaben seine Bücher in ihren Angebotslisten an (beispielsweise informiert die Angebotsliste des Leitmeritzer Verlegers Carl Wilhelm Medau aus dem Buch Die Ritter des Aarhorstes von C. V. Dietrich von 1839 über die broschierten Ausgaben von M.s Sammelbänden Theater und Novellen sowie Herbstblumen und Früchte).

Als Journalist unterhielt M. Kontakte zu Prager und Wiener Medien. Er publizierte in den Vorläufern des Prager Blattes Bohemia (UnterhaltungsblätterBohemia, ein Unterhaltungsblatt) und in der Literaturzeitschrift Der Kranz. Mit Wien verband M. seine publizistische Tätigkeit insbesondere in Bäuerles Journal Wiener allgemeine Theater-Zeitung. Sein Beitrag erschien im Blatt Der Adler, das A. J. Gross-Hoffinger in Wien herausgab und redigierte.

Für die Wiener allgemeine Theater-Zeitung schrieb M. Rezensionen über Prager Aufführungen und kleine dramatische Skizzen, im Dezember 1817 insbesondere poetische Reisebilder in Briefform („poetische Reisebilder, Briefe über Prag an einen Freund in Wien“); besagter Freund war wahrscheinlich der Zeitungsherausgeber Adolf Bäuerle selbst. M. beschreibt darin u. a. die Leistungen der vortrefflichen deutschen Schauspielerin Sophie Schröder, die in Prag zwischen dem 20. Juli und 17. August 1817 in zehn klassischen Rollen (u. a. Maria Stuart, Lady Macbeth, Emilia Galotti, Phädra, Isabell in Schillers Braut von Messina) gastierte. Die kleinen dramatischen Skizzen aus der Wiener Allgemeinen Theater-Zeitung, unter dem Titel Scenen aus dem Guckkasten, gab M. 1834 in dem Band Herbstblumen und Früchte heraus. In diesen Skizzen beleuchtet der Verfasser mit ironisch-kritischem Blick das Gesellschaftsleben seiner Zeit, wobei er aufzeigt, wie Charakterschwäche und die starke Beeinflussung des Denkens durch tief verwurzelte Vorurteile den Einzelnen an einer unvoreingenommenen Meinungsbildung hindern. Theatralische Elemente weisen auch M.s kleine, in Zeitschriften oder Buchauslesen publizierte Rätsel und Scharaden auf. Sie zeigen verschiedene Volkstypen und Verhaltensweisen und stellen als geschlossenes Gebilde eine Parallele zu den Scenen aus dem Guckkasten dar.

Von der einzigen eigenständigen Ausgabe seines Schauspiels Rettung um Mitternacht (1808) abgesehen, präsentierte M. seine literarischen und dramatischen Arbeiten in Sammelbänden, die Schauspiele, Prosa, Gedichte, Scharaden und Anekdoten enthielten. Im Vorwort zur Sammlung Herbstblumen und Früchte gibt er an, dass er auf Anregung derjenigen Leser gehandelt habe, die sich Bücher mit bunt gemischtem Inhalt wünschten. Hinsichtlich des Genres nannte M. seine Stücke Lustspiele, Possen, Operetten oder gab ihnen individuelle Bezeichnungen (z. B. dramatische Knacknuss). Es handelt sich um unterhaltsame Stücke, die nach ausdrücklicher Angabe des Autors „besonders für Privattheater geeignet“ sind. In den aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten schöpfenden Stücken treten Figuren des Wiener Volkstheaters auf.

Es gibt keine Angaben über Aufführungen von M.s Schauspielen in Böhmen. Nach Berichten im Journal Wiener allgemeine Theater-Zeitung vom 6. 8. 1818 wurde das einaktige Lustspiel Die grosse Bärenmütze am 28. 7. 1818 erfolgreich im Theater in der Leopoldstadt aufgeführt. Das für zwei Figuren bestimmte Stück wurde später überarbeitet und in einer Sammeledition mit insgesamt drei dramatischen Texten von M. erneut herausgegeben (Dessertfrüchte allen Freunden einer heiteren Lektüre gewidmet); Überarbeitungen und Neuausgaben eigener Texte nahm M. des öfteren in Angriff.

1843 beschrieb M. als erster Autor die Lebensschicksale des aus den böhmischen Ländern stammenden deutschen Komponisten Anton Philipp Heinrich (1781–1861), mit dem ihn eine mehrjährige Freundschaft und Korrespondenz verband (Skizze aus dem Leben des sich in Amerika befindenden deutschen Tondichters Anton Philipp Heinrich). Heinrich, ursprünglich ein Kaufmann aus Schönbüchel (Krásný Buk) in Nordböhmen, wanderte in die Vereinigten Staaten von Amerika aus und wurde ein erfolgreicher Vertreter der Salonmusik des 19. Jahrhunders.

M.s soziologische Schriften umfassen mehrere Fachgebiete. Sie behandeln vor allem Lokalgeschichte und Topographie, beziehen aber auch Informationen aus der Heraldik, Botanik oder Statistik ein. Nicht immer schrieb M. diese Arbeiten allein, beispielsweise war sein Koautor bei der Schrift Vollständiger Umriss einer Topographie des Saazer Kreises im Königreich Böhmen der führende Naturwissenschaftler Laurentius Albert Dlask. M.s Arbeiten gehörten eindeutig zu den hochwertigen Fachtexten und wurden sowohl zu seinen Lebzeiten als auch nach seinem Tod in der Literatur zitiert.

Theatralia

M.s eigenständig erschienene oder in Sammelbänden herausgegebene Schauspiele: Rettung um Mitternacht, Lustspiel, 1 Akt, Karl Barth (in Kommission), Prag 1808

Dessertfrüchte allen Freunden einer heiteren Lektüre gewidmet, C. W. Enders, Prag 1829. Der Autoren-Sammelband enthält M.s Schauspiele: Die grosse Bärenmütze, Lustspiel, 1 Akt, Premiere der 1. Version: 28. 7. 1818 Theater in der Leopoldstadt, Wien. – Die Sailtänzer und der schwarze Prinz, Lustspiel, 3 Akte – Die Geisterüberfuhr: Das waltende Fatum am Ufer des Styx, oder: Die Geisterüberfuhr, Posse mit Gesang, 2 Akte

Herbstblumen und Früchte, herausgegeben von C. W. Medau, Leitmeritz 1834. Der Autoren-Sammelband enthält M.s Schauspiele: Einer und Alle, dramatische Knacknuss, 1 Akt – List und Zufall, Lustspiel, 2 Akte – Die Mörder und die Winkelmühle (ein Teil des Textes in dramatischer Form) – Scenen aus dem Guckkasten (einzelne Auftritte):Mutter und ihr Kind, Sonderbares Missverständniss, Die Pflastertreter, Vetter Michel, Humanität, Verschiedene Lichter. – Außerdem sind enthalten: M.s Prosa Der Glückliche sowie Gedichte, Rätsel und Scharaden.

Janus, Taschenbuch für Freunde der schönen Literatur, Sammlung verschiedener Autoren, redigiert von F. A. Mussik, herausgegeben von Peter, Ritter von Schönfeld, Saaz 1836. M. veröffentlichte hier sein Lustspiel ücklich, 4 Akte, und das Gedicht Der schlaue Schiffer.

Kleine erheiternde Bühnenspiele, herausgegeben von M. I. Landau, Prag 1846. Der Sammelband enthältM.s Schauspiele: Der kluge Einfall, oder: Habakuk Rinaldo Rinaldini, Lustspiel, 1 Akt –  Der Arzt ohne gleichen, Lustspiel, 2 Akte –  Der unvermählte Ehemann, oder: Die beiden Fischermädchen, Operette, 2 Akte – Lord Engeborne und der rote Fuchs, Posse, 2 Akte.

Theater und Novellen, herausgegeben von C. W. Medau, Leitmeritz 1839. Der Sammelband enthält M.s Texte: Der unvermählte Ehemann, oder Die beiden Fischermädchen, Operette, bereits in den Band Kleine erheiternde Bühnenspiele aufgenommen. – Glückliche Täuschung, zweite Version des einaktigen Lustspiels Einer und Alle aus dem Band Herbstblumen und Früchte. – Der todte Nebenbuhler, dritte Version des Lustspiels Die grosse Bärenmütze, dessen erste Version wurde 1818 in Wien im Theater in der Leopoldstadt gespielt und die zweite überarbeitete Fassung stammt vom Mai 1827. – Die Novellen Die Schrecklichgestalt und Wahnsinn und Aberglaube.

M.s biographische Studie: Skizzen aus dem Leben des sich in Amerika befindenden deutschen Tondichters Anton Philipp Heinrich, Gottlieb Haase Söhne, Prag 1843

M. journalistische Texte über das Theater: Unterhaltungsblätter [Prag] Nr. 100, 12. 12. 1828. – Bohemia, ein Unterhaltungsblatt [Prag] Nr. 116, 27. 9. 1844 (Berichte aus Böhmen). – Der Adler [Wien], März 1840, S. 1302–1303. – Wiener allgemeine Theater-Zeitung, Nr. 146, 6. 12. 1817, S. 581; Nr. 148, 11. 12. 1817, S. 589; Nr. 149, 13. 12. 1817, S. 293-294; Nr. 150, 16. 12. 1817, S. 597; Nr. 151, 18. 12. 1817, S. 602; Nr. 152, 20. 12. 1817, S. 605-606; Nr. 27, 4. 3. 1817, S. 105-106; Nr. 51, 29. 4. 1817, S. 203; Nr. 56, 10. 5. 1817, S. 221–222; Nr. 142, 27. 11. 1817, S. 567; Nr. 94, 6. 8. 1818, S. 375; Nr. 29, 8. 3. 1817, S. 113–115; Nr. 36, 25. 3. 1817, S. 141–142; Nr. 52, 1. 5. 1817, S. 206–207; Nr. 102, 26. 8. 1817, S. 405.

M.s fachliche Schriften und Studien aus verschiedenen Bereichen der Heimatforschung: Neuesten Zustand des Handels, und Manufakturen Rumburgs und der Gegend an der sächsischen Gränze in Böhmen, In: Hesperus, ein Nationalblatt für gebildete Leser, Jhg. 1812, I. Bd., oder Jänner bis Juni, Nr. 30, S. 233–237, Nr. 31, 1812, S. 241–242. – Der Markt Schönlinde und dessen eingepfarrte Ortschaftengedruckt bei Gottlieb Haase, Prag 1820 – Vollständiger Umriss einer Topographie des Saazer Kreises im Königreiche Böhmen (in Zusammenarbeit mit L. A. Dlask, C. W. Enders, Prag 1828)

Quellen

Archiv hlavního města Prahy, sbírka matrik [Archiv der Hauptstadt Prag, Matrikelsammlung], Geburtseintrag von F. A. Mussik: Pfarrkirche Jungfrau Maria bei der Pfütze [Farní Kostel Panny Marie na Louži] 1768 – 1784, Sign. PML N7, S. 203, Vater Antonius, Mutter Theresia, geb. Poliena. 

Periodika

(F. A. Mussik und weitere Personen dieses Namens aus künstlerischen Bereichen):

Kwěty, 20. 1. 1848, S. 36. – Erneuerte vaterländische Blätter [Wien], Nr. 54, 5. 7. 1820, S. 213-215; Nr. 55, 8. 7. 1820, S. 220; Nr. 56, 12. 7. 1820, S. 223-224; Nr. 57, 15. 7. 1820, S. 227-228. – Erinnerungen an merkwürdige Gegenstände und Begebenheiten, Prag 1826, Bd. VI, S. 361, 1828, Bd. VIII, S. 108 (beide Ed. C. Mussik).

Literatur

K. Goedeke: Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus der QuelleErster Band, Hannover, Verlag von L. Ehlermann, 1857, S. 855

G. Marinelli-König: Die böhmischen Länder in den Wiener Zeitschriften des Vormärz (1805–1848), Teil I, Wien 2011, S. 222

Teuber II., S. 185, S. 403-406, Teuber III, S. 152, S 172, S. 188, S. 234

A. Kraus: Stará historie česká v německé literatuře [Alte tschechische Geschichte in der deutschen Literatur], Praha 1902, S. 107, S. 291,

Teatralia zámecké knihovny z Radenína II. [Teatralia aus der Schlossbibliothek von Radenín II.], Národní muzeum v Praze [Nationalmuseum in Prag] 1963, S. 319-320

J. Balvín – J. Pokorný – A. Scherl: Vídeňské lidové divadlo od Hanswursta Stranitzkého k Nestroyovi [Das Wiener Volkstheater vom Hanswurst Stranitzky bis zu Nestroy], Praha 1990, S. 111–113

Hilmera CD 307 (Theatergesellschaft des Ludwig Feidler), S. 78-79

BLGBL, HD, Pazdírek, LDM (in Anton Philipp Heinrich, S. 935) 

Verschiedenartige Publikationen anderer Autoren, in denen M.s Arbeiten zitiert werden

R. Lahmer: Gedenkbuch der Stadt Schönlinde, Schönlinde 1900. – C. V. Dietrich: Die Ritter des Aarhorstes, oder die Mühle im Schwarzthale, Prag, Leitmeritz – Teplitz 1839, unpaginiert – C. V. Dietrich: Oekonomisch-technische Flora Böhmens nach einem ausgedehnteren Plane bearbeitet, Prag 1838, S. 190. – V. R. Widimsky: Städtewappen des österreichischen Kaiserstaates, Wien 1864, S. 146. – F. J. Stöcklow: Das Buch Heimat. Der Bezirk Kaaden in seiner Gegenwart und Vergangenheit, 1890, S. IV.


Bildung: 31.07.2013

Autor: Hanoušek, Martin