Mercy, Heinrich Franz

Porträt von Heinrich Franz Mercy im Prager Tagblatt, 1912. https://cs.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Mercy#/media/File:Heinrich_Mercy.jpg
Heinrich Franz
Mercy
26. 9. 1826
Heidelberg
26. 8. 1912
Graz
Buchhändler, Herausgeber

Er absolvierte in Rostock eine Buchhändlerlehre (1837 – 1841). Ab 1852 betrieb er in Prag einen Buchhandel und eine Druckerei in der Zeltnergasse. Ab 1877 gab er das Prager Tagblatt heraus, das Theaterkritiken und biographisches Material anbot. Gründer des bekannten Verlags Mercy, der Literatur über das Theater herausgab. 1897 übernahm den Familienbetrieb sein Sohn, Wilhelm Mercy (1866 – 1914).

Über seine Kindheit ist wenig bekannt; es wird angeführt, dass er der uneheliche Sohn eines Politikers und einer Sängerin war. Er absolvierte eine Lehre zum Buchhändler in Rostock 1837–1841 (Quelle: Prager Tagblatt 1. 1. 1902), 1846 begab er sich auf eine Reise nach Österreich und kam nach Prag, wo er die Verlegerarbeit in der Firma Calve kennenlernte. Von Prag aus reiste er weiter nach Karlsruhe, Innsbruck, Wien und für ein Jahr nach Verona, wo er ebenfalls die italienische und die französische Literatur kennenlernte. 1852 kehrte er nach Prag zurück, nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an und übernahm den Buchhandel und die Druckerei, die in der Zeltnergasse Nr. 561 von Kajetan Mayregg betrieben wurde. 1854–1858 gabM.  Mercy’s Anzeiger heraus, das erste Blatt, das in Prag regelmäßige Kleinanzeigen begründete. Im Jahre 1858 fusionierte der Anzeiger mit dem politisch liberalen Blatt Prager Morgenpost, das sich später (zusammen mit dem Inseratteil) im Jahre 1864 mit dem deutschliberalen Tagesboten aus Böhmen (Hg. David Kuh) zusammenschloss.

Bereits 1860 richtete M. eine eigene Druckerei ein, deren moderne technische Ausstattung in der Lage war, auch sehr anspruchsvolle graphische Beilagen wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeiten zu bringen. Er druckte Bücher in mehreren Sprachen (eine Reihe von Jahren fertigte er Lehrbücher für alle Länder der Monarchie einschließlich der böhmischen an). Im Jahre 1864 löste M. seinen Prager Buchhandel auf und behielt nur noch die Filialen in Tetschen und Leitmeritz, er widmete sich voll der Verlags- und Drucktätigkeit. Er gab viele amtliche Dokumente heraus, insbesondere aus dem Bereich der sich schnell entwickelnden österreichischen und später österreichisch-ungarischen Legislative.

1871 zog M. mit seiner Firma in Herrengasse Nr. 895 um und begann hier 1877 mit der Herausgabe der neuen Zeitung Prager Tagblatt. Dabei handelte es sich eher um ein gesellschaftliches denn um ein politisches Blatt mit einem breiten Spektrum mit einer einheimischen und ausländischen politischen Berichterstattung, einem umfangreichen geschäftlichen Teil und Kulturrubriken. Er verteidigte die Positionen der Prager Deutschen, doch er war nicht aggressiv antitschechisch eingestellt, sondern genoss auch unter der tschechischen Bevölkerung hohes Ansehen.

Mitbegründer der Kulturrubriken des Prager Tagblatts war Julius Anton Gundling (1828–1890), zuerst Jurastudent, für eine Weile Angestellter des Prager Magistrats, ab 1863 privat tätig und freiberuflicher Schriftsteller (Pseudonym: Lucian Herbert), der vor allem als Schauspielkorrespondent wirkte. Neben der tagtäglichen Theaterkritik brachte das Prager Tagblatt ebenfalls ursprüngliches biographisches Material und andere Dokumente, die eine Quelle historischer Informationen darstellen.

Aufgrund seiner Fähigkeiten, seiner gesellschaftlichen Aktivität in deutschen Vereinen, Wohltätigkeit und seiner zivilen Unbescholtenheit wurde M. bereits 1855 in die Leitung des Prager Buchhändler-Gremiums gewählt und wurde 1863 dessen Vorsitzender. In dieser Funktion gründete er die Gremiumsschule für Lehrlinge. 1869 wurde er zum Mitglied der Prager Handelskammer gewählt, nach den Wahlen in den Jahren 1875 und 1878 vertrat er die Kammer in der Landesversammlung. Er verfügte über ein modernes soziales Gefühl, richtete für seine Angestellten eine Krankenversicherung ein und befasste sich mit dem Problem der Arbeitslosigkeit.   

1897 überließ M. sein Unternehmen seinem Sohn und zog sich ins Private zurück. Seine erste Frau Antonie geb. Just starb früh (1832–1856), seine zweite Frau wurde Rosa Peterka aus Klatovy (geb. 1835), mit ihr hatte M. zwei Söhne und zwei Töchter. Das Familienunternehmen erbten sein Sohn Wilhelm Mercy (7. 11. 1866 Prag – 4. 8. 1914 Prag) und seine Frau Ottilie geb. Austerlitz (geb. 1870), die jüngste Tochter eines bedeutenden Prager Händlers. Mitinhaber des Prager Tagblatts und in den Jahren 1888–1907 dessen Musik- und Opernkritiker war Wenzel Ritter von Bělsky (auch Václav Bělský, 1855–1917), Jurist, Amateurmusiker und Organisator des Musiklebens, der Mann von M.s Tochter Mathilde (geb. 1860).

Wilhelm Mercy bat im Jahre 1899 Heinrich Teweles, den damaligen Dramaturgen des Prager deutschen Theaters, die Stelle des Chefredakteurs des Prager Tagblatts zu übernehmen. Teweles, der auch das Referat in einem Teil der Kulturrubrik behielt, wirkte bis 1910 als Chefredakteur, danach wurde er Direktor des Prager deutschen Theaters. An der Spitze des Blattes wechselte ihn Karl Tschuppik ab, in der Musik- und Theaterrubrik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählten des Weiteren Ernst Rychnowsky, Max Brod, Egon Erwin Kisch, Erich Steinhard u. a. zu den Mitarbeitern des Blattes. Ihre Beiträge gehören zum Rückgrat der Prager Kritik dieser Zeit. Im Verlag Mercy erschien im Jahre 1938 auch die Monographie Die Geschichte der Deutschen Bühnen in Prag 1883–1918 von Richard Rosenheim, die letzte Schilderung der Schicksale des Prager deutschen Theaters vor dem zweiten Weltkrieg.

Bei Mercy 1854 – 1897 erschienene Theatralia

J. Virgil Grohmann:  Der Oberrichter. Trauerspiel in 5 Aufzügen, Prag 1956

A. W. Ambros: Die Gränzen der Musik und Poesie. Eine Studie zur Aesthetik der Tonkunst, Prag 1856

J. Bayer: Aesthetik in Umrissen: zur allgemeinen philosophischen Orientierung auf dem Gebiet der Kunst, 2 sv., Prag 1856, 1863 [též pod titulem Aesthetik für weitere Kreise]

J. Bayer: Von Gottsched bis Schiller. Vorträge über die classische Zeit des deutschen Drama's, 2 sv., Prag 1863, 1869

K. E. Ebert (1862): Der Frauen Lieb' und Haß. Tragödie in vier Acten, Prag 1862

K. E. Ebert: Ein Gelübde. Trauerspiel in vier Acten, Prag 1863

R. Gottesheim: William Shakespeare. Drama in einem Act, Prag 1883

Isabella Nowotny [vl. jm. Ida Klein]: Welt- und Selbstschmerz, Drama, Prag 1889T. Bréton: Garin, der Eremit von Monserrat, libreto velké opery, ze španělštiny přel. Friedrich Adler, Prag 1893

Quellen

Nationalarchiv, Polizeidirektion I, Konskription, Karton 388, Abb. 327, Karton 388, Abb. 328 [Aufnahme der gesamten Familie]. 

Periodika

Prager Tagblatt 1. 1. 1902 [Ein Vierteljahrhundert des Prager Tagblatts]; 27. 8. 1912 [Nekrolog Heinrich Mercy], 7. 9. und 9. 9. 1914 [Nekrologe, Kondolenz Wilhelm Mercy], 6. 12. 1925 [Jubiläum];15. 12. 1935 [Jubiläum].

Literatur

A. Q. Przedak: Geschichte des deutschen Zeitschriftenwesens in Böhmen, Heidelberg 1904, S. 184, 186

K. Nosovský: Knihopisná nauka a vývoj knihkupectví československého [Buchwissenschaftliche Lehre und die Entwicklung des tschechoslowakischen Buchhandels], Prag 1927, S. 238, 244, 246, 282

P. Doležal: Tomáš G. Masaryk, Max Brod und das Prager Tagblatt (1918–1938), Frankfurt a. M., Peter Lang 2004  

K. Ifkovits – H. Bláhová: Hermann Bahr – Jaroslav Kvapil. Briefe, Texte, Dokumente, Wien 2007, S. 286, 289, 458

ÖBL

Abbildung

E. Widemann: Henricus Mercy, Zeichnung, Nationalgalerie in Prag


Bildung: 1.7.2013

Autor: Vavroušek, MartinLudvová, Jitka