Martinec, František

František
Martinec
Ende Mai 1819
Veverská Bitýška
13. 3. 1879
Prag
Schauspieler, Theatersouffleur

Über seine Ausbildung gibt es keine Informationen. Ab 1842 war er Souffleur für deutsche und tschechische Opernvorstellungen am Ständetheater in Prag. Mitherausgeber und Editor eines Jahresalmanachs zum Prager Theater (1845 – 1865). Nachdem sich das Interim-Theater selbstständig gemacht hatte (1862), arbeitete er als Souffleur mit einem tschechischen Ensemble und gab auch tschechische Jahrbücher heraus (1864 – 1876). Ist wahrscheinlich der Autor einer handschriftlichen Übersicht des Repertoires des Ständetheaters aus den Jahren 1815 – 1856, der sog. Martinec-Liste. Ins Tschechische übersetzte er das Libretto der Oper Linda von Chamounix. Seine Frau Franziska Spechtmair (1819 – 1864) war Schauspielerin (Brünner Stadttheater, Neues Theater in der Růžová), ebenso wie seine Tochter Karolina Martincová (1841 – 1900).

Auch Franz Martinetz. In die Familie eines kleinen Kaufmannes geboren, wurde er am 26. Mai 1819 in Kunštát getauft. Über seine Ausbildung ist nichts bekannt, seiner späteren Tätigkeit als Herausgeber nach zu schließen, widmete er sich auch dem Studium der Musik. Jan Vondráček (Vondráček II) erwähnt ihn als Amateurschauspieler in tschechischen Vorstellungen am Brünner Stadttheater (1838, die von Vondráček zitierte Erwähnung wurde nicht gefunden). Laut Konskription heiratete M. 1841 in Brünn Franziska Spechtmair. 1842 ging er mit der Familie nach Prag, wo ihn Direktor Stöger als Souffleur für deutsche und tschechische Opernaufführungen an das Ständetheater engagierte. 1845–1865 gab er die jährlichen Almanache des Prager Theaters mit den Mitgliederverzeichnissen der Theaterdirektion und des Künstlerensembles sowie dem Repertoire heraus (Almanach des königl. ständischen Theaters zu Prag, auch unter anderen, ähnlichen Titeln). Den Jahrgang 1845 und die folgenden gab er gemeinsam mit Julius Lehmann, 1847–1860, heraus, 1862 und 1865 war Karl Lukan sein Mitherausgeber, in den übrigen Jahren Julius Ott, Louis Schöne und Frau Burmeister. Als Souffleur und Herausgeber des Almanachs war M. dreißig Jahre für das Ständetheater tätig. Nach der Gründung des tschechischen Interimstheaters 1862 arbeitete er auch als Souffleur für das tschechische Ensemble und gab von 1864 bis 1876 mit J. Jaroška das tschechische Jahrbuch (Almanach král. zemského českého divadla v Praze) heraus. Am Ständetheater wurde er 1874 pensioniert, wirkte aber weiterhin als Souffleur und gab 1878 seinen letzten deutschen Almanach heraus. Er starb unvermutet im Gebäude des Ständetheaters kurz vor einer Aufführung von Meyerbeers Oper Die Hugenotten, auf die er sich gerade vorbereitete. M. übersetzte G. Rossis Libretto zur großen Oper Linda di Chamounix (1874) von G. Donizetti ins Tschechische und gab drei Sammlungen von Melodien und Texten tschechischer Lieder heraus. Die Nápěvy ke společenskému zpěvníku enthalten Volks-, Stadt- und Gesellschaftslieder. Die Nápěvy k českému zpěvníčku umfassen auch ein Kapitel mit Melodien aus tschechischen Opern und Bühnenstücken (Škroup, Nesvadba). Die Sammlung Zpěvný věnec enthält neben Volks- und Gesellschaftsliedern auch populäre Melodien aus fremdsprachigen Opern (Mozart: Don Juan, Weber: Der Freischütz  Mozart: Die Zauberflöte, Lortzing: Zar und Zimmermann, Hérold: Zampa, Raimund:

Der Verschwender, Auber: Carlo Broschi oder des Teufels Anteil, Donizetti: Lucrezia Borgia, Donizetti: Linda di Chamounix, Verdi: Rigoletto).

Einen bedeutenden Beitrag zur Prager Theatergeschichte leistete M. mit dem sog. Martincův soupis [Martinec´Verzeichnis], einer zweibändigen handschriftlichen Übersicht über das gesamte Tagesrepertoire, das von 16. Juli 1815 bis 31. Dezember 1856 in den Gebäuden des Ständetheaters, des Neuen Theaters in der Rosengasse und im Sommertheater im Pstross-Garten gespielt wurde. Unbekannt ist, warum und wann er mit diesem Verzeichnis begann und weshalb gerade zu dem angegebenen Datum; auch das Ende der Aufzeichnungen im Jahre 1856 hat keinen offensichtlichen Grund. Der Charakter der Schrift lässt vermuten, dass sie zu großen Teilen aus einer unbekannten zusammenhängenden Quelle (Theaterzettel?) abgeschrieben wurde.  Es handelt sich um die bislang umfangreichste handschriftliche Quelle zur Geschichte des Ständetheaters im 19. Jahrhundert. Die Bände sind nicht signiert, mit dem Namen Martinec verbindet sie aber eine glaubwürdige Überlieferung.  

M.s Gattin Franziska Spechtmair (1819 Prag – 24. 1. 1864 Prag) widmete sich ebenfalls dem Theater. Eine Schauspielerin desselben Nachnamens in tschechischer Schreibweise (Špechtmairová) trat 1836 im Tyls-Kajetán-Theater auf, die Identität mit Franziska ist jedoch nicht gesichert. Franziska sprach sehr gut Tschechisch und trat unter dem Namen Špechtmajerová in den Jahren 1839 und 1840 in mehreren tschechischen Vorstellungen des Brünner Stadttheaters auf (Debüt: 12. 5. 1839 Alína /Štěpánek: Alína aneb Brno v jiném dílu světa, 1. 12. 1839 Bětulinka /Klicpera Divotvorný klobouk, 5. 4. 1840 Trubičková in Tyls Nalezenci und 22. 11. 1840 als Liduška in Škroups Oper Dráteník). Nach der Heirat mit Martinec brachte sie in Brünn die Tochter Karolina und den Sohn Anton zur Welt. 1842 ging die ganze Familie nach Prag und Franziska erhielt eine Stelle im Ensemble von Stögers Neuem Theater in der Rosengasse. In den 50er-Jahren spielte sie eine Reihe von Nebenrollen in deutschsprachigen Vorstellungen des Ständetheaters. Sie starb im Allgemeinen Krankenhaus in Prag an einer Lungenentzündung.

Die Tochter Karolina Martincová (1841 Brünn – begraben 6. 3. 1900 in Prag) spielte ab 1849 in Prag Kinderrollen. Etliche Jahre trat sie im Sommertheater im Pstross-Garten auf (ab 1861). Sie heiratete František Kolár, Schauspieler und Regisseur des Interimstheaters.

Theatralia

Journal aller auf der k. ständischen Bühne zu Prag aufgeführten Trauer– Schau – Lustspiele, Opern, Possen, Ballets, Concerte und sonstige Produktionen vom 16ten Juli 1815 bis 30ten April 1834. – Journal der aufgeführten Schauspiele Opern, Possen, Balletts und Concerte auf dem Ständischen Theater zu Prag und seit dem 11. August 1849 auch die in dem Sommertheater (Arena) gegebenen Vorstellungen. II. Theil von 1. Mai 1834 bis letzten Dezember 1856, 2 Bände, ab 1975, Handschriftaufbewahrt in Archivu hl. města Prahy, Sign. 7996 a 7997. (Auf dem vorderen Spiegel des ersten Bandes wurde irgendwann vermerkt Dle udání ředitele Schmoranze z pozůstalosti býv. nápovědy Martince, der unbekannte Besitzer radierte diesen Eintrag aus, die Spuren des Bleistifts blieben sichtbar).

Übersetzung

G. Rossi: Linda ze Chamounix, Libretto einer green Oper mit Musik G. Donizettiho, Praha 1874

Edition

Nápěvy ke společenskému zpěvníku, Praha 1852; Nápěvy k českému zpěvníčku, Praha 1856; Zpěvný věnec, hojná sbírka nejoblíbenějších písní novověkých a prostonárodních, jakož i mnohých slovenských, chorvatských a českých zpěvoherních, Praha 1865.

Quellen und Literatur

Matrikel viz http://actapublica.eu/matriky/Brno, Moravský zemský archiv Brno, römisch-katholischer Pfarramt Veverská Bitýška 1816–1844. – Todesanzeige, Hochzeitanzeige, Personalia von der Ehefrau und Kindern siehe Národní archiv, Policejní ředitelství I, Conskription, Karton 375, Bild 723. – Todesanzeige von  F. Martincová in Bohemia 26. 1. 1864, Nr. 22, S. 246,  Verstorbene in Prag; Tschechische Vorstellungen in Brno mit Špechtmajerová  Květy 30. 5. 1839 (Alina), 19. 12. 1839 (Bětulinka), 30. 4. 1840 (Trubičková); Nekrolog (Martinec) in Bohemia 14. 4. 1879, Nr. 72, S. 5; ∆: Divadelní táčky. XXXIV. A. Turnovská-Rajská vypravuje. Národní listy 18. 1. 1881, S. 1,  Feuilleton (Špechtmajerová v Kajetánském divadle); Teuber III – Martinec 481, Martincová 361, 565, 868; Pazdírek; Vondráček II, viz rejstřík (Špechtmajerová, Martinec); A. Javorin: Pražské arény. Lidová divadla pražská minulého století, Praha 1958, s. 52 (Karolina Martincová).

Ulrich (Martinetz, Franz)


Bildung: 30.11.2012

Autor: Ludvová, Jitka