Lazary, Anna

Anna
Lazary
1819
Vrchlabí (CZ)
21. 2. 1902
Rychnov u Jablonce nad Nisou (CZ)
Theaterdirektorin, Schauspielerin

Theaterdirektorin, die die Gesellschaft nach dem Tode ihres Mannes übernahm (1860). Innerhalb von 40 Jahren Tätigkeit besuchte sie Städte in Schlesien, Mähren und Osterösterreich bzw. Süd-, West- und Nordböhmen. Auch wenn sie überwiegend in kleineren und mittleren Städten spielte, war sie in der Theaterwelt für die Qualität der angebotenen Vorstellungen und ihre Wohltätigkeit bekannt.

Geborene Wanke. Auf der Bühne tauchte sie erstmals 1841 in der Rolle der Friederike in der Vorstellung Braut und Bräutigam in einer Person von A. Kotzebue auf, der Ort ihres damaligen Wirkens ist jedoch nicht bekannt. Die nächste belegte Erwähnung stammt aus dem Jahre 1851, als sie noch als Ledige bei Station in Aussig an der Elbe im Ensemble von J. Lazary spielte. Mitte der 50-er Jahre heiratete sie den zwanzig Jahre älteren Prinzipal (wahrscheinlich war sie seine zweite Frau). Bei einem Halt in Moravská Ostrava starb ihr Mann 1860, und L. übernahm die Leitung der Gesellschaft. In den folgenden Jahren bewegte sie sich in der Gegend um Chrudim, Čáslav, Boleslav und Litoměřice. Ende der 60-er Jahre spielte sie in Südmähren (Česká Třebová, Lanškroun, Králíky, Mikulov, Uherský Ostroh, Telč), von wo aus sie nach Südböhmen (Kaplice, Krumau, Volary) und weiter nach Oberösterreich (Braunau, Ried, Freistadt, Enns) reiste. In Enns besuchte in der Saison 1874/75 ihre Vorstellung Erzherzog Franz Ferdinand d’Este. Ab dem Ende der 80-er Jahre des 19. Jahrhunderts wirkte sie mit ihrer Gesellschaft in Nord- und Westböhmen (Chomutov, Jáchymov, Sokolov). Das sechzigjährige Wirken am Theater beging sie in der kleineren Gemeinde Dolní Maxov im Jahre 1901, im folgenden Jahr verstarb sie im Alter von 83 Jahren.

Als Direktor einer kleinen Gesellschaft war es L. nicht erlaubt, in großen Städten und Kurstädten zu spielen, sie wirkte deshalb in mittleren und kleineren Städten und Gemeinden mit einem deutschsprachigen Publikum. Sie tauchte jedoch auch an Orten auf, an denen es mehrheitlich tschechisches Publikum gab, entweder aus Unkenntnis der lokalen Verhältnisse oder weil sie sich auf das zweisprachige Publikum oder viel Publikum aus der deutschen Minderheit verließ. Nicht immer jedoch waren diese Stationen erfolgreich. Wie aus einem Antrag hervorgeht, das 1869 an das Landesamt in Brünn geschickt wurde, wollte L. vom 9. September bis 22. Oktober in Uherský Ostroh spielen, vom 23. Oktober bis 28. November in Bzenec, von wo aus sie nach Kyjov weiterreisen sollte, letztlich jedoch musste sie aufgrund des fehlenden Interesses seitens des Publikums ihre Pläne ändern und weilte mindestens ab dem 13. November desselben Jahres in Mikulov, wo damals eine überwiegend deutschsprachige Bevölkerung lebte. Die national zugespitzte Situation zeigte sich beim Halt in Dačice im Februar 1871, wo mehrheitlich Tschechen lebten. Nach Vorstellung Nr. 28 von O. F. Berg beschwerte sich der Korrespondent der Tageszeitung Moravská orlice aus Dačice, es sei eine Frechheit, in einer tschechischen Stadt ein Stück zu spielen, wo in der Figur des Zivilwachmanns Cibulka das tschechische Volk karikiert werde. Der Bericht rief unschöne Reaktionen beim Schauspielensemble und bei der ortsansässigen jüdischen Minderheit hervor, die sich über die Unkenntnis und das Unverständnis des Schreibers beschwerten, worauf er wiederum reagierte, es sei seine Pflicht, das tschechische Volk vor Spott zu bewahren. Abschließend machte er auf die kleinen Kassen aufmerksam, die in zwei Gasthöfen der Stadt aufgestellt seien, wo man einen Beitrag zur Errichtung des Nationaltheaters in Prag leisten könne.

Regisseur und künstlerischer Leiter in L.s Gesellschaft war von den 60-er bis zu den 90-er Jahren T. Detroit. Ein Fixstern war ebenfalls das Schauspielerpaar E. und L. Gerestein, später auch ihr Sohn, der Komiker L. Gerestein. Manchmal griff L. auf gastierende Schauspieler aus festen Theatern zurück, in Mikulov war dies 1870 beispielsweise A. Blumenthal, die 1865–75 auf den Bühnen der Stadttheater in Ödenburg oder Laibach wirkte. So wie damals üblich engagierte L. bei der Aufführung von Singspielen Musiker vor Ort, denn fahrende Ensembles hatten nicht immer die Möglichkeit, ein eigenes Musikensemble zu unterhalten. Das Repertoire der Gesellschaft bestand aus den beliebten Stücken O. F. Bergs, Ch. Birch-Pfeiffers, F. Raimunds, E. Raupachs oder J. N. Nestroys. Zumindest 1870 hatte L. jedoch auch Schillers Tragödie Die Räuber im Programm.

Ihr Mann Josef von Lazary bewegte sich im Theaterumfeld mindestens ab 1840, als er Regisseur in der Gesellschaft von E. Prevor war. In den folgenden Jahren bemühte er sich um eine Theaterkonzession, die er jedoch erst 1845 erhielt. In der Theatergesellschaft wirkten auch die Kinder von L. Sohn Eduard weilte hier bis Mitte der 70-er Jahre, in dieser Zeit hatte er bereits die Rolle des Ensembleleiters inne, danach ging er zu einer Gesellschaft, die von J. Kotzky geleitet wurde. In den 80-er Jahren wirkte er am Stadttheater in Linz als Sekretär und Kassierer und hatte ab 1890 die gleiche Position am Stadttheater in Teplice inne. Kinderrollen durchliefen in L.s Gesellschaft auch Eduards jüngere Geschwister Emil und Marie.

Wenngleich L. Direktorin nur einer kleineren deutsch spielenden fahrenden Theatergesellschaft war, gelang es ihr, durch die Qualität der dargebotenen Produktionen Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Beleg für ihre Fähigkeiten als Theaterunternehmerin sind 40 Jahre praktische Theaterarbeit. In der Theaterwelt war sie bekannt und wurde aufgrund ihrer Wohltätigkeit geschätzt, so veranstaltete sie beispielsweise bei einem Aufenthalt in Krumau, wo sie im Stadttheater spielte, im März 1872 eine Benefizvorstellung für den kranken Wiener Schauspieler und Dramatiker K. Elmar.

Stationen der Gesellschaft Anna von Lazarys

1860/1861 Moravská Ostrava (Mährisches Ostrau); 1862/1863 Česká Třebová (Böhmisch Trübau); 1685 Česká Třebová, Lanškroun (Landskron), Králíky (Grulich); 1867 Mohelnice (Müglitz); 1868 Uherský Brod (Ungarisch Brod); 1869 Mikulov (Nikolsburg), Uherský Brod, Bzenec (Bisenz); 1870 Mikulov, Hustopeče (Auspitz), Židlochovice (Groß Seelowitz), Třebíč (Trebitsch); 1871 Telč (Teltsch), Dačice (Datschitz); 1871/1872 Kaplice (Kaplitz), Český Krumlov (Krumau); 1872/1873 Český Krumlov; 1873/1874 Český Krumlov, Volary (Wallern); 1874/1875 Český Krumlov, Grein, Freistad, Enns; 1875/1876 Enns, Nové Hrady (Gratzen), Kaplice; 1876/1877 Grieskirchen, Aschbach; 1878 Enns, 1879 Waidhofen an der Ybbs; 1880 Ried, Mattinghofen; 1881/1882 Vöcklabruck; 1882/1883 Ried, Vöklabruck; 1884/1885 Ried, Nové Hrady, Benešov nad Černou (Deutsch Beneschau); 1885/1886 Aigen, Horní Planá (Oberplan), Český Krumlov; 1887 Prachatice (Prachatitz), Nové Hrady, Český Krumlov; 1889 Horšovský Týn (Bischofteinitz); 1889/1890 Postoloprty (Postelberg), Podbořany (Podersam); Bílina (Bilin); Kadaň (Kaaden); 1890/1891 Chomutov (Komotau), Jáchymov (Sankt Joachimstahl), Ostrov (Schlackenwerth), Kovářská (Schmiedeberg); 1891/1892 Chomutov, Jáchymov, Vejprty (Weipert); 1892/1893 Chomutov, Sokolov (Falkenau an der Eger); 1893/1894 Jáchymov, Kraslice (Graslitz), Tachov (Tachau); 1893/1894 Poděbrady; 1894/1895 Jirkov (Görkau), Horní Litvínov (Oberleutensdorf), Osek (Ossegg); 1895 Mikulášovice (Nixdorf), Staré Křečany (Alt Ehrenberg), Císařský u Šluknova (Kaiserswalde bei Schluckenau); 1896/1897 Šluknov (Schluckenau); Benešov nad Ploučnicí (Bensen); 1897/1898 Albrechtice (Ulbersdorf), Kokonín (Kukan); 1898/1899 Hrádek nad Nisou (Grottau), 1900 Chrastava (Kratzau); 1901 Vratislavice (Maffersdorf), Dolní Maxov (Unter Maxdorf).

Rollen

Friderike von Aarau (A. Kotzebue: Braut und Bräutigem in einer Person) – 1841; Theudelinde (R. Benedix: Doktor Wespe) – 1870; Kammerfrau (Ch. Birch-Pfeiffer: Des Glückes wechsel, patrně se jednalo o hru Eine Familie) – 1870; Sarah Reed (Charlotte Birch-Pfeifferová: Die Waise von Lowood) – 1888.

Quellen

MZA Brno. B 13. (Mährische Statthalterschaft). Signatur 1/12, Karton 497, Folio 672 (Antrag L.s auf Aufführung von Theaterproduktionen in Uherský Ostroh, Bzenec und Kyjov).

Österreich, Linz, rk. Diözese (Oberösterreich) Ried im Innkreis, Trauungsbuch 1884, (Heirat Eduard von Lazarys), [online, zit. 1. 9. 2019], URL: http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/oberoesterreich/ried-im-innkreis/207%252F1884/?pg=6

Literatur

Wiener Theater-Chronik (Wien) 4, 7. 8. 1862, Nr. 32, S. 2; Nikolsburger Wochenschrift für landwirtschaftliche, gemeinnützige Interessen und Unterhaltung (Mikulov) 10–11, 13. 2. 1869, Nr. 7, S. 2–3; 10–11, 13. 11. 1869, Nr. 46, S. 3; 11–12, 19. 1. 1870, Nr. 4, S. 3; Moravská orlice (Brno) 9, 16. 2. 1871, Nr. 38, S. 3–4; 9, 3. 3. 1871, Nr. 51, S. 3; Deutscher Bühnen-Almanach (Berlin) 37, 1873, T. 2, S. 404–405; 39, 1875, T. 2, S. 124; 49, 1885, T. 2, S. 243, 50, 1886, T. 2, S. 7-8; 53, 1889, T. 2, S. 561; 54, 1890, T. 2, S. 419–420, 55, 1891, T. 2, S. 299–300; Linzer Volksblatt (Linz) 9, 28. 1. 1877, Nr. 22, S. 2; Innsbrucker Nachrichten (Innsbruck) 28, 24. 8. 1881, Nr. 217, S. 10; Neuer Theater-Almanach (Berlin) 1, 1890, S. 164; 2, 1891, S. 465; 3, 1892, S. 321; 4, 1893, S. 365; 5, 1894, S. 598 1895; 6, 1895, S. 598; Tages-Post (Linz) 29, 10. 3. 1883, Nr. 56, S. 2; Teplitz-Schönauer Anzeiger (Teplice) 42, 26. 2. 1902, Nr. 24, S. 3; J. PORT. Das Schwarzenberger Schlosstheater in Krumau. Jahrbuch der Heimatkundlichen südböhmischen Gesellschaft beim Stadtmuseum in Budweis für 1929, České Budějovice 1930, S. 26–43; J. Hilmera: Činnost německých divadelních společností v českých provinciích 19. století [Die Tätigkeit der deutschen Theatergesellschaften in den böhmischen Provinzen des 19. Jahrhunderts], Praha 2006, DÚk; M. Havlíčková – S. Pracná – J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku 3/3, Olomouc 2014, S. 143; J. Záloha: Das Theater unter den Schwarzenbergern (Schlosstheater in Krumau im 19. Jahrhundert), Divadelní revue 8, 1997, Nr. 4, S. 19–29.

Kosch Th, Ulrich (Lazary, Anna von)


Bildung: 2019

Autor: Lukáš, Miroslav