Lauber-Versing, Auguste

Auguste Lauber-Versing, Zivipotrträt. Quelle: Frankfurt am Main: Stadt- und Univ. Bibliothek, Fotografie, Sig. S 36/F01068, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:30:2-62044
Auguste
Lauber-Versing
28. 1. 1810
Augsburg (D)
31. 1. 1880
Velké Losiny (CZ)
Schauspielerin

Sie trat unter ihrem Mädchennamen Lauber auf, nach ihrer Eheschließung mit dem Schauspieler und Opernsänger Wilhelm Versing (1811–1879) als Auguste Versing. Ab den 50-er Jahren verwendete sie den Familiennamen Lauber-Versing, damit es nicht zu einer Verwechslung mit ihrer Tochter, der damals bereits oft eingesetzten Schauspielerin Anna Versing-Hauptmann (1833–1896) kam.

L.-V. wurde in eine Theaterfamilie hineingeboren. Ihr Vater Franz Josef (angeführt auch als Franz Xaver) Lauber und ihre Mutter Karoline (Charlotta) waren Schauspieler, die zuerst mit fahrenden Ensemble auftraten, später setzten sie sich in festen Theatern durch. L.-V. war eines von sieben Kindern und trat wie ihre Geschwister seit ihrer Kindheit im Theater auf. Die erste größere Chance erhielt sie mit fünfzehn Jahren in Regensburg, danach trat sie abwechselnd im hiesigen Stadttheater und im Theater Augsburg auf. 1826 erhielt sie ein Engagement in Leipzig, 1828 in Nürnberg. 1829–33 war sie in Darmstadt engagiert, sie hatte Gastauftritte in Stuttgart (1830), Dresden (1831) und Mannheim (1832). In Mannheim lernte sie ihren künftigen Mann kennen, ein Jahr später kam in Mainz das erste der drei Kinder zur Welt, Anna, später kamen noch die Tochter Charlotta (geb. 1836, Düsseldorf) und der Sohn Theodor (geb. 1847, St. Petersburg) dazu. 1834 nahm L.-V. von K. Immermann das Angebot für ein ständiges Engagement in Düsseldorf an. Von hier aus ging sie 1837 ans Hoftheater nach St. Petersburg, wo sie und ihre Familie weitere zehn Jahre verbrachten. Das Hoftheater bot ihr nicht nur Chancen als Schauspielerin, sondern auch eine lebenslange Pension. Als ihr Mann 1847 ein Engagement am Ständetheater erhielt, zog die Familie nach Prag. Bis auf einige Gastauftritte im Oktober 1848 wurde es still um die Schauspielerin L.-V., wahrscheinlich versuchte sie, die Karriere ihrer Tochter Anna zu fördern, die damals ihr Debüt im Ständetheater feierte. 1851/52 erweiterte sie zusammen mit ihrer Tochter die Reihen des Ensembles in Brünn, ihr Mann blieb in Prag. In der folgenden Saison sind sie nicht mehr unter den ständigen Mitgliedern des Theaters zu finden, trotzdem spielte L.-V. gelegentlich weiter in Brünn, und an Gastauftritte im August 1855 schloss sich ab September ein weiteres Engagement für eine Saison an. Ab 1858 wurde für dreizehn Jahre das Stadttheater in Frankfurt zu ihrer Heimbühne. Sie beendete ihre Karriere am 28. Juni 1871. Die letzten Jahre ihres Lebens, die von einer schweren Krankheit gekennzeichnet waren, verbrachte sie in Velké Losiny bei einer Verwandten, die in die Unternehmerfamilie Klein eingeheiratet hatte. 1878 erlitt sie einen Schlaganfall und starb am 31. Januar 1880.

Ihre Schwestern Marie (1817–1888) und Therese Lauber waren Schauspielerinnen, zusammen mit L.-V. waren sie in Düsseldorf engagiert. Der Mann von Marie Lauber war der Komponist, Schauspieler, Sänger und Schriftsteller Albert Ellmenreich (1816–1905), ihre Nichte die Schauspielerin Franziska Ellmenreich (1847–1931).

Die Anfänge der Schauspielkarriere von L.-V. sind mit Bayern, vor allem mit Regensburg, verbunden, wo sie dank ihrem familiären Hinterland schon als Zehnjährige in Kinderrollen auftrat, größere Schauspielrollen übernahm sie mit fünfzehn Jahren. , Auguste|Die Anfänge der Schauspielkarriere von L.-V. sind mit Bayern, vor allem mit Regensburg, verbunden, wo sie dank ihrem familiären Hinterland schon als Zehnjährige in Kinderrollen auftrat, größere Schauspielrollen übernahm sie mit fünfzehn Jahren. ]]Die Kritik wunderte sich über die Entscheidung, Rollen von Liebhaberinnen wie die der Beatrice (Braut von Messina), der Ophelia (Hamlet) oder der Emilia (Emilia Galloti) einer so jungen und unerfahrenen Schauspielerin zu übertragen. Ein Jahr später erntete L.-V. dann schon Worte des Lobs für die Verkörperung des Suschen in dem Stück Bräutigam aus Mexiko. Anfangs versuchte sie, sich auch in Opern zu profilieren, doch ihre Stimme wurde als zu schwach eingeschätzt. In Leipzig erhielt sie die Chance, ihr schauspielerisches Talent in der Theatergesellschaft von E. Devrient zu entfalten, mit der sie die Amalie in Schillers Räubern spielte. Der Schriftsteller und Dramatiker K. Immermann erkor sich L.-V. für das Ensemble des Theaters in Düsseldorf aus, an dessen Spitze er sich damals als Direktor stellte und das künstlerische Konzept einer „deutschen Musterbühne“ entwickelte. L.-V. wurde für die Rollenfächer tragische Liebhaberin und Heldin engagiert, sie spielte jedoch auch Rollen von Anstandsdamen. Dem Publikum stellte sie sich als Ophelia, Stella, Clärchen, Margarethe (Faust), Johanna (Jungfrau von Orleans), Maria Stuart, Shakespeares Julia oder Luise Millerin vor. Im reifen Alter wurde L.-V. wegen ihrer Fähigkeit geschätzt, eine breite Skala von Rollen älterer Frauen von komische Alte über Hofdamen bis hin zu Heroinnen zu spielen. Ihre ein halbes Jahrhundert dauernde Karriere beendete sie auf der Bühne des Frankfurter Stadttheaters als Tante Unverzagt im gleichnamigen Lustspiel von K. A. Görner. Nach jedem Akt wurde sie vom Publikum herausgerufen und unter stürmischem Applaus mit Kränzen und Blumensträußen beschenkt. Theaterkritiker grämten sich noch mehrere Jahre später darüber, keine adäquate Nachfolgerin gefunden zu haben, das komische Talent von L.-V. fehlte auf der dortigen Bühne sehr. In Velké Losiny war sie wegen ihrer caritativen Tätigkeit bekannt und beliebt.

Rollen

Königliches Nationaltheater Regensburg

? (J. Weigl, Libr. I. F. Franz: Die Schweizerfamilie), ? (L. Cherubini, Libr. J. N. Bouilly: Graf Armand oder der Wasserträge), ? (E. N. Méhul, Libr. J. N. Bouilly: Die beiden Füchse) – 1825; Preciosa (C. M. Weber, Libr. P. A. Wolff: Preciosa), Suschen (H. Clauren: Bräutigam aus Mexico) – 1826.

Stadttheater Augsburg

Afanasia (A. Kotzebue: Graf Benjowsky), Helene (T. Körner: Zryni) – 1825; Kathi (K. Holtei: Wiener in Berlin), Cäcilie (I. F. Castelli: Raphael) – 1826.

Stadttheater Leipzig

Suschen (H. Clauren: Bräutigam aus Mexico), Amalia (F. Schiller: Die Räuber)

Theater in Fürth

Luise (F. Schiller: Kabale und Liebe) – 1827.

Stadttheater Nürnberg

? (A. Kotzebue: Der Schutzgeist) – 1828; ? (F. Kind: Van Dycks Landleben), ? (F. W. Ziegler: Die Mohrin) – 1829; Kunigunde (J. G. Büsching: Hans Sachs) – 1834.

Hoftheater Darmstadt Minna (G. E. Lessing: Minna von Barnhelm), Lisbeth (?: Peter und Paul), Kätchen (H. Kleist: Kätchen von Heilbronn), Leopoldine von Strehlen (K. Töpfer: Der beste Ton) – 1830; ? (L. Schmidt: Die ungleichen Brüder), ? (A. Kotzebue: Der Schutzgeist), Amalia (F. Schiller: Die Räuber), Suschen (H. Clauren: Bräutigam aus Mexico), Aricia (J. Racin: Phädra), Kathi (K. Holtei: Wiener in Berlin) – 1831.

Königliches Hoftheater Stuttgart

Julie (W. Shakespeare: Romeo und Julie), Margarethe (A. W. Iffland: Die Hagestolzen), Kätchen (H. Kleist: Kätchen von Heilbronn), Suschen (H. Clauren: Bräutigam aus Mexico) – 1830.

Nationaltheater Mannheim

Christine (T. Hell: Königin von 16 Jahren), Ruttland (J. F. Weissenturn: Pauline) – 1832.

Stadttheater Mainz

Emma von Falkenstein (A. Kotzebue: Die Kreuzfahrer), Bertha (F. Grillparzer: Die Ahnfrau) – 1834.

Stadttheater Düsseldorf

Emilia Galotti (G. E. Lessing: Emilia Galotti), Ophelia (A. W. Schlegel nach W. Shakespeare: Hamlet, Prinz von Dänemark) – 1834; Margarethe (J. W. Goethe: Faust), Johanna (F. Schiller: Jungfrau von Orleans), Rosaura (P. Calderon de la Barca: Das Leben ein Traum), Clärchen (J. W. Goethe: Egmont), Stella (J. W. Goethe: Stella), Luise Miller (F. Schiller: Kabale und Liebe), Christine (T. Hell: Königin von sechzehn Jahren), Mirandolina (C. Blum nach C. Goldoni: Mirandolina), Euphrosyne (K. Immermann: Alexis: eine Trilogie), Amalia (F. Schiller: Die Räuber), Maria Stuart (F. Schiller: Maria Stuart) – 1835; Walpurgis (C. Blum: Des Goldschmieds Töchterlein), Margaretha (A. W. Iffland: Die Hagestolzen), Julia (W. Shakespeare: Romeo und Julia) – 1836; Lenore (K. Holtei: Lenore), Portia (W. Shakespeare: Julius Caesar) – 1837; Generalin von Mansfelt (Ch. Birch-Pfeiffer: Mutter und Sohn), Donna Isabella (F. Schiller: Braut von Messina) – 1857.

Königlich ständisches Theater Prag

Katharina (J. F. Bahrdt: Die Lichtensteiner), Baronin von Tourjagu (C. Blum: Christoph und Renata), Generalin von Mansfeld (Ch. Birch-Pfeiffer: Mutter und Sohn) – 1848.

Stadttheater Brünn

Generalin (C. Blum: Christof und Renata; Benefizveranstaltung ihrer Tochter Anna) – 1850; ? (F. W. Hackländer: Der geheime Agent) – 1854; Oberförsterin (A. W. Iffland: Die Jäger), Frau Rath Goethe (C. Gutzkow: Der Königslieutenant), Asträa, Königin den Feen (F. X. Told: Die Zauberschleier), Leonore (Ch. Birch-Pfeiffer: Dorf und Stadt) – 1855.

Frankfurter Stadttheater

Generalin Rieger (H. Laube: Die Karlsschüler) – 1859; Frau Gertrude Krafftin (O. Redwitz: Der Zunftmeister von Nürnberg) – 1860; Madai (Ch. Birch-Pfeiffer: Der Goldbauer) – 1861;  ? (G. Horn: Unter dem Reichskammergericht) – 1862, Frau Bernau (R. Benedix: Sammelwuth) – 1863; ? (G. Putlitz: Das Schwert des Damokles), ? (W. Drost: Eine kranke Familie), Pauline (W. Shakespeare: Das Wintermärchen) – 1864; Die Frau des Schulzen (H. Mosenthal: Schulzen von Altenbüren) – 1868; Lotte (G. Putlitz: Die alte Schachtel) – 1869; Tante Beate (G. Putlitz: Die Herrin von Lichtenwarth), ? (nach dem Französischen: Ein kleiner Dämon) – 1870; Tante Unverzagt (C. A. Görner: Tantchen Unverzagt) – 1871.

Mainz

Frau Anna Welser (O. Redwitz: Philippine Welser) – 1863 (Benefizveranstaltung von Robert Ellmenreich).

Quellen

SOA Opava: Sterbematrikel, Inv.-Nr. 7965, Sig. Šu XVI 19, 1857–1881, S. 161, Abb. 80 [Namen der Eltern, Todesursache (Wassersucht), Sterbe- und Beerdigungsdatum], URL: http://digi.archiveS.cz/da/permalink?xid=be92f934-f13c-102f-8255-0050568c0263&scan=cdb851a746e24a8e83d39d0288b6c630.

NA Praha: Polizeidirektion I., Konskription, Kart. 687, Abb. 453 (Geburtsort und -datum, Namen der Kinder; in der Konskription wird L.-V. als Ehegattin – Hausfrau angeführt).

NMd: Sammlung von Theaterzetteln, Ständetheater 1824–1862.

Literatur

Flora, Baierische National-Zeitung (München) 11. 3., 7. 4. 1825; Abend-Zeitung 21. 4. 1826 (Weggang nach Leipzig); Damen Zeitung (München) 22. 6. 1830; Die Presse 4. 5. 1850 (Benefizveranstaltung Anna Versing, Mutter fälschlicherweise als Maria Versing bezeichnet); Theater-Almanach (Brünn) 1851, S. 4, 6; 1852, S. 3; 1853, S. 4; 1856, S. 3, 13; Neuigkeiten (Brünn) 1. 9. 1855 (neues Mitglied des Brünner Ensembles); Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik (Wien), 28. 12. 1860, 26. 1. 1862; Wiener Theater-Chronik 19. 11., 24. 12. 1863, 8. 9. 1864 (Rolle der Paulina im Wintermärchen); Didaskalia (Heidelberg, Frankfurt am Main) 30. 6. 1871,  14. 7. 1871; Fremden-Blatt 6. 7. 1871 (Beendigung der Karriere); Blätter für Musik, Theater und Kunst 7. 7. 1871; Prager Abendblatt 14. 2. 1878 ● Ableben und Nachrufe: Neue Freie Presse 7. 2. 1880, Eine deutsche Künstlerin, in: Die Gartenlaube, Heft 13, 1880, S. 215–216; Prager Tagblatt 25. 12. 1880 ● Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 2. 6. 1905 (Nachruf von Albert Ellmenreich); Neues Wiener Journal 28. 3. 1923 (Nachricht vom Ableben des Neffen Friedrich Wilhelm Ellmenreich); A. Rille: Die Geschichte des Brünner Stadttheaters 1734–1884, Brünn 1885, S. 152, O. Teuber: Geschichte des Prager Theaters, III., Prag 1888, S. 360, 386; G. Bondi: Geschichte des Brünner deutschen Theaters 1600–1925, Brünn 1924, S. 15; V. Mikmek: Rod Kleinů na Sobotínsku [Das Geschlecht der Kleins im Gebiet Sobotín], Diplomarbeit, FF MU, Brno 2010; P. Hasubek: Carl Leberecht Immermann: Eine Biographie, Frankfurt am Main 2017, S. 422, 433, 456, 516.

DB, Eisenberg [in W. Versing, S. 1064, führt fälschlicherweise den Geburtsort mit Regensburg an], Lauber Auguste in Carl Maria von Weber Gesamtausgabe [online, zit 24. 11. 2020] URL: https://weber-gesamtausgabe.de/en/A002B1E.html


Bildung: 2020

Autor: Borovičková, Martina