Kühns, Volkmar

Volkmar
Kühns
5. 8. 1832
Berlin
23. 4. 1905
Braunschweig
Schauspieler

Er begann als Laienkünstler in Berlin. 1856 – 1858 war er im Leipziger Stadttheater bei Rudolf Wirsing engagiert, mit dem er zum Deutschen Landestheater in Prag ging (1864). Hier debütierte er als Mephisto (Goethe: Faust) und wurde als Schauspieler von Charakterrollen (Rollen von Intriganten) und komischen Rollen bekannt. Nach einem Engagement in Wiesbaden (1880 – 1883) und Hamburg kehrte er ins Prager Engagement zurück (1883 – 1894). Er unterrichtete Deklamation am Prager Konservatorium.  

Sohn eines Beamten. K. absolvierte das Gymnasium und wandte sich anschließend dem Theater zu. Ohne Schauspielunterricht erhalten zu haben, trat er zunächst am Berliner Liebhabertheater „Urania“ im Fach der Naturburschen und jugendlichen Liebhaber auf und wirkte möglicherweise am Theater in Arnstadt. Seine Bühnenlaufbahn soll er 1852 in Görlitz begonnen haben (ein entsprechender Eintrag im Almanach für Freunde der Schauspielkunst fehlt jedoch). Anschließend wirkte er als Charakterdarsteller am Hoftheater Dessau (1853–1855), in Lübeck (1855), Köln (1856–1858) sowie am Leipziger Stadttheater unter Direktor Rudolf Wirsing (1858–1864). Dort beschrieb ihn der Journalist und Theaterhistoriker Emil Kneschke als „scharfdenkenden und wahrhaft strebenden, manchmal nur zu sehr grübelnden und so auf falsche Fährte gerathenden Charakterdarsteller“ (Kneschke, S. 149). Als Rudolf Wirsing 1864 die Direktion des Deutschen Landestheaters in Prag übernahm, wechselte auch K. an diese Bühne. Er debütierte hier in der Eröffnungsvorstellung am 28. 3. 1864 als Mephisto (Goethe: Faust), den er, wie ein Kritiker schrieb, „mit originellen, frappanten Zügen“ ausstattete, „die auf eine selbstständige Auffassung hindeuteten“ (Bohemia 30. 3. 1864). Als Darsteller bewegte er sich mit großer Sicherheit und Leichtigkeit, wobei ihm ein „vortheilhaftes Exterieur und ein ausgiebiges, modulationsfähiges Organ“ zugutekamen (ebd.). Kurz darauf verkörperte er unter anderem den Hauptmann Silberkalb (H. Laube: Die Karlsschüler) und den Herzog von Alba (Goethe: Egmont) und schien dem Kritiker der Bohemia schon nach wenigen Wochen jenen Neuengagierten anzugehören, „die sich bereits Bahn gebrochen“ haben (20. 4. 1864). Als vielbeschäftigter und beliebter Schauspieler stand K. in ersten Intriganten- und Charakterrollen auf der Bühne und entwickelte sich zu einem der angesehensten Künstler Prags. Zeitweilig führte er auch Regie. Während seines kurzen Engagements am Wiener Stadttheater unter Heinrich Laube (erster Auftritt am 16. 4. als Präsident La Roquette in Gutzkows Lustspiel Das Urbild des Tartüffe) vertrat ihn Max Streben. Neben seiner Bühnentätigkeit unterrichtete K. 1866–1873 deutsche Deklamation am Prager Konservatorium, wo er 1867 als Regisseur (zusammen mit Professor Franz Vogel) Mozarts Oper Titus in italienischer Sprache einstudierte. Einer Mitteilung der Národní listy (1. 2. 1874) zufolge beteiligte er sich, allerdings vergeblich, am öffentlichen Wettbewerb um den Direktorenposten am deutschen Theater nach Rudolf Wirsing (mit Antritt ab Ostern 1876). 

1876–1880 hatte K. ein Engagement in Wiesbaden und 1880–1883 am Thalia-Theater in Hamburg. Ab Juli 1883 war er neuerlich am Deutschen Landestheater beschäftigt, wo er zuerst in der Rolle des Perin auftrat (C. A. West: Donna Anna, 3. 7.). Der Theaterkritiker der Bohemia nützte diesen Anlass zu einer Rückschau auf K.s erstes Prager Engagement und sah dessen Stärken vor allem im Lustspiel. Als Charakterdarsteller habe er weniger überzeugt. K. leiste sein Bestes, wenn er Details mosaikartig aneinanderfügen könne; wenn es auf den großen Zug des Gestaltens ankomme, bleibe sein Können aber oft hinter dem Wollen zurück. Die größte Wirkung habe er in jenen Charakterrollen erzielt, die weniger an das Temperament als an die Sorgfalt der Ausarbeitung appellieren, „in der Darstellung der schlauen schleichenden Bösewichte, der Leisetreter, der Intriguanten kleineren Styls.“ (Bohemia 6. 7. 1883)

Von der Achtung, die K. im Kollegenkreis genoss, zeugt unter anderem seine Funktion als Obmannstellvertreter des Schiedsgerichts, als Beisitzer der Pensionskommission und als Obmann des Prager Lokalausschusses der Bühnengenossenschaft.

Nach 30-jähriger Schauspieltätigkeit hatte er am 30. 5. 1894 als Graf Thorane in Gutzkows Der Königsleutnant seinen letzten Bühnenauftritt. Im Rahmen der Abschiedsfeier am Neuen deutschen Theater bezeichnete ihn Direktor Neumann als „eine der vornehmsten Kräfte, ein[en] Künstler, der der guten alten Schule in der besten Bedeutung des Wortes angehört“, „der seine Gestalten mit charakteristischer Schärfe, mit Sorgfalt [...] und mit Geist und Bedacht schuf“ (Bohemia 31. 5. 1894).

Nach seinem Rückzug von der Bühne ließ K. sich in Braunschweig nieder.

Weritere Rollen (Auswahl)

Franz Moor (Schiller: Die Räuber), Marinelli (Lessing: Emilia Galotti), Talbot (Schiller: Die Jungfrau von Orleans), Wurm (Schiller: Kabale und Liebe), Nathan (Lessing: Nathan der Weise), Shylock (Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig), Astragalus (Raimund: Der Alpenkönig und der Menschenfeind),  Rabbi Ben Akiba (Gutzkow: Uriel Acosta), Claudius (Shakespeare: Hamlet, Mercutio (Shakespeare: Romeo und Julia), Don Carlos (Goethe: Clavigo), Wolf (Raimund: Der Verschwender), Don Lope de Figueroa (Wilbrandt: Der Richter von Zalamea), Don Juan (Shakespeare: Viel Lärm um Nichts), General Frontenac (Sardou: Odette), Feodor Iwanowitsch Fürst Udaschkin (Freytag: Graf Waldemar), Traugott Quecke (Benedix: Der Mädchen Waffen),  Senden, Oberst Berg, Korb (Freytag: Die Journalisten), Tranio (Shakespeare: Der Widerspenstigen Zähmung), Lord Burleigh (Laube: Graf Essex), Geheimrath von Dohna (Bauernfeld: Ein deutscher Krieger), Gottfried Prehauser (Mosenthal: Die deutschen Komödianten), Prinz Eugen (M. Greif: Prinz Eugen), Wilhelm Cecil (Schiller: Maria Stuart), Erzbischof von Canterbury (Shakespeare: König Heinrich V.), Philipp II. (Schiller: Don Carlos), Rupert, „der Goldbauer“ (Birch-Pfeiffer: Der Goldbauer), Nicolas Mertelmeier (F. v. Schönthan: Roderich Heller), Herr von Beaucourtois (Förster /nach Sardou: Die alten Junggesellen), Ritter Hotham (Gutzkow: Zopf und Schwert), Oswald Barnau (Benedix: Die zärtlichen Verwandten).

Periodika

Almanach für Freunde der Schauspielkunst, Berlin, 1852, 1854–1891. – Deutscher Bühnen-Almanach, Berlin 1893. – Neuer Theater-Almanach, Berlin 1894 und 1895. – Theateralmanach [Prag] für das Jahr 1866–1875, 1884–1895. –  Bohemia 29. 3. 1864 (Abendausgabe) und 30. 3. 1864 (zum Prager Debüt);  31. 5. 1894 (Bühnenabschied); 27. 4. 1905 (Beilage S. 2, Nachruf).

Literatur

E. Kneschke, Zur Geschichte des Theaters und der Musik in Leipzig, Leipzig 1864, S. 149

R. Tyrolt: Chronik des Wiener Stadttheaters, Wien 1889, S. 36

Sborník na paměť 125 let Konservatoře hudby v Praze, Praha 1936, S. 86

Eisenberg, Flüggen, Kosch, ÖBL, Oppenheim


Bildung: 31.7.2013

Autor: Offenthaler, Eva