Jenny, Albert

Albert
Jenny
1843
8. 7. 1905
Baden bei Wien (A)
Theaterdirektor, Regisseur

Direktor, der in Provinztheatern in Deutschland und den Ländern der österreichischen Staatengemeinschaft lebte. Am deutlichsten setzte er sich bei der Leitung der Theater in Budweis (1895–1901) und Znaim (1901–1905) durch, wo er als erfolgreicher und künstlerisch begabter Theatermacher galt.

Angeführt auch als Hermann bzw. Albinus Jenny. Über seine Herkunft und seinen Geburtsort ist nichts bekannt, bis zu seinem dreiunddreißigsten Lebensjahr trat er wahrscheinlich unter einem anderen Namen auf oder übte einen anderen Beruf aus. Zum ersten Mal tauchte er im Herbst 1876 als Direktor des Münchener Operettentheater (Thalia Theater) auf. Im Frühjahr 1878 findet man ihm im Königreich Württemberg; zwei Jahre lang wirkte er mit seiner Gesellschaft überwiegend in Stuttgart auf Sommerbühnen der Umgebung. Im Sommer 1878 leitete er zeitgleich das Vorstadt-Sommertheater in Berg östlich von Stuttgart, ab September versuchte er, Theatervorstellungen in der Liederhalle zu geben, doch ohne Erfolg, bereits am 7.11. löste er das Ensemble auf und kehrte für einige Monate nach München zurück. Während des Sommers 1879 leitete er die Kursaison in Bad Cannstadt bei Stuttgart, 1880 wurde er künstlerischer Leiter der Vereinigten Sommertheater in Ludwigsburg und Cannstatt. Bei der Leitung beider Sommerbühnen unterstützte ihn seine Frau Dora Jenny, die gleichzeitig in Operetten auftrat. Ab Herbst 1881 war J. Direktor des Stadttheaters in Worms, dann verliert sich seine Spur; wahrscheinlich gab er zusammen mit seiner Frau Gastspiele in kleineren deutschen oder österreichischen Theatern. Im Herbst 1889 wurde J. Direktor des Czernowitzer Stadttheaters in der Bukowina, und 1890 gastierten er und sein Ensemble in Šumperk (Mähr. Schönberg). Im September 1891 übersiedelte er nach Jihlava, wo er drei Saisons blieb, in dieser Zeit unternahm das Ensemble regelmäßig Reisen nach Moravská Ostrava (Mähr. Ostrau) und Nový Jičín (Neutitschein). Ab der Wintersaison 1895/96 war er Direktor des Theaters in Budweis, das er mit Pausen bis zum Frühjahr 1901 leitete. Zusammen mit seiner Gesellschaft wirkte er im Sommer 1896 in Prostějov (Proßnitz), im Herbst desselben Jahres erhielt er die Direktorenkonzession für das Theater in Cheb, diese Tätigkeit legte er mit dem Theater in Budweis zusammen. Dies bedeutete, dass J.s Ensemble in der Saison 1896/97 von September bis Oktober in Budweis, von Oktober bis Januar in Cheb und ab Januar erneut in Budweis spielte. Im Frühjahr 1898 geriet J. in finanzielle Not und verließ Budweis, er tauchte erst im Herbst 1899 in Litoměřice und Terezín (Theresienstadt) auf, ab Frühjahr 1900 erhielt er dann die Genehmigung, mit seinem Ensemble in Ústí nad Labem, Úštěk (Auscha), Česká Lípa (Böhmisch Leipa), Trutnov (Trautenau), Broumov (Braunau) und Poříčí u Broumova (Sand) zu spielen. Im Herbst 1900 kehrte er nach einer erfolgreichen Sommerstation nach Budweis zurück, gleichzeitig machte er jeden Freitag einen kleinen Abstecher nach Český Krumlov (Krumau), um dort zu spielen. Ab Herbst 1901 leitete er bis zu seinem plötzlichen Tod das Stadttheater Znaim. Anfang Juli 1905 erlag er in Baden bei Wien einem Schlaganfall.

Seine Frau Dora Jenny (? –1919, Eheschließung vor 1873) war die Schwester von Theaterdirektor Robert Müller, der 1884–87 das Theater in Olmütz geleitet hatte. Im Unternehmen ihres Mannes wirkte sie als erfolgreiche Operettensängerin und Schauspielerin, nach seinem Tod übernahm sie die Leitung des Theaters Znaim. Sie leitete das Stadttheater erfolgreich bis zum Frühjahr 1909, danach wurde sie Direktorin des Theaters in Litoměřice. Im Herbst 1912 verkaufte sie den Theaterfundus und ging in Rente. Sie starb im Mai 1919 in Wien. Ihr Sohn Albert Jenny jr. (1873–1906) war Schauspieler, er half seiner Mutter bei der Verwaltung des Theaters in Znojmo (Znaim), starb jedoch neun Monate nach seinem Vater. Die übereinstimmenden Namen führten oft dazu, dass J. mit seinem Sohn verwechselt wurde. Seine Enkelin Dorit Jenny (1904–1929) war Opernsängerin.

Als Theaterdirektor konzentrierte sich J. auf die Aufführung beliebter Operetten (Millöcker, Suppé, Strauß Sohn), bei denen er auch Regie führte. Nach anfänglichen Misserfolgen und häufigen Änderungen seiner Wirkungsstätte arbeitete er sich zu einem erfolgreichen Theaterunternehmer empor, der in Böhmen und in Mähren wirkte. Seinen größten Erfolg erlebte er durch die Anmietung des Stadttheaters in Budweis, das er fast fünf Jahre lang leitete und dessen Ensemble einschließlich Musiker an die 40 Personen zählte. Er führte Abonnements ein, was die Besucherzahlen stärkte und zur Stabilität der Bühne beitrug. J. führte vor allem bei Operetten und Opern Regie, er arbeitete mit den Regisseuren F. Digruber, K. Antropp oder A. Maurer zusammen. Im Theater gaben die Wiener Schauspieler J. Wittels (Carltheater), F. Müller (Theater in der Josefstadt) und die Schauspielerinnen G. Wittels-Moser (Theater an der Wien) und A. Hahn (Volkstheater) Gastspiele. Der Direktor bot dem Publikum ein Repertoire an, das sich aus bewährten Operetten und Lustspielen zusammensetzte, doch er brachte auch moderne Schauspiele oder Opern zur Aufführung, zu denen ihnen ein künstlerisch reifes Operetten- oder Schauspielensemble zur Verfügung stand. Anerkennung erfuhr er durch die innovative Verwendung von Lichteffekten in der Operette von S. Jones Die Geisha (13.10. 1900). In der Leitung des Theaters hielt er sich auch in der angespannten Nationalitätenlage an der Jahrhundertwende, als er dem Druck einiger Ratsherren standhalten musste, die verlangten, im Theater sollten sich häufiger ein deutsches und ein tschechisches Ensemble abwechseln. Bei der deutschen Bevölkerung war er jedoch beliebt, und die Besucherzahlen im Theater von Budweis und auf weiteren von J. geleiteten Bühnen waren zufriedenstellend, auch wenn die tschechische national ausgerichtete Zeitung Budivoj das Gegenteil behauptete und systematisch das angeblich nicht sonderlich gute Niveau des deutschen Ensembles kritisierte. Anerkennung des deutschen Publikums brachte dem Direktor auch die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gymnasium ein, denn er bot den Schülern kostenlos Theaterkarten an, vor allem für Shakespeare und anderes klassisches Repertoire. Beliebt war J. auch während seiner fünfjährigen Leitung des Theaters in Znojmo. Auch hier führte er vor allem populäre Operetten auf und arbeitete mit örtlichen Schulen, wobei er durch die Aufführung klassischen Repertoires (Goethe, Shakespeare) bemüht war, die Bildung von Schülern und Öffentlichkeit zu unterstützen. Kurz nach seiner Ankunft in Mähren vermittelte J. ein Gastspiel des Berliner Ensembles Ibsen-Theater (H. Ibsen: Rosmersholm, 17. 10. 1901), was ihm die Unterstützung der Öffentlichkeit verschaffte und die Besucherzahlen des Znaimer Theaters in die Höhe schnellen ließ. Im September 1903 wurde er eines der ersten Mitglieder des Verbandes Österreichischer Theaterdirektoren.

J. war bekannt als arbeitsamer Theatermacher, der in seinem Ensemble die notwendige Disziplin aufrechterhielt und persönlich alle Proben leitete. Obwohl er nie in größere Theater der österreichischen Monarchie vordrang, war er ein anerkannter Leiter von Provinzbühnen und ein Garant für finanzielle Stabilität und ein gutes Repertoire.

Regie

Thalia Theater München

F. Suppé: Fatinitza, J. Offenbach: Orpheus in der Unterwelt – 1876.

Stadttheater Iglau

C. Millöcker, Libr. H. Wittmann, J. Bauer: Das Sonntagskind, A. F. Ferron, Libr. C. Görlitz: Sataniel, C. Weinberger, Libr. H. Wittmann: Pagenstreiche, F. v. Suppé: Cannebas, C. Millöcker, Libr. F. Zell, R. Genée: Gasparone, C. Millöcker, Libr. F. Zell, R. Genée: Gasparone, M. Wolf, O. Schirmer: Cesarine, J. Strauß Sohn, Libr. H. Wittmann, J. Bauer: Fürstin Ninetta, L. Krenn, K. Lindau, m. L. Kuhn: Ein armes Mädel, Hervé: Mam‘zelle Nitouche – 1893.

Deutsches Stadttheater in Budweis

E. Jacobson, h. G. Michaelis: Die Lachtaube, W. H. Broemel: Der Adjutant, F. v. Suppé: Cannebas, K. Ch. Wolfart: Die Katakomben, R. Eichthal: Der kleine Mann, A. Oelschlegel, Libr. A. J. Schindler: Der Schelm von Bergen, E. Humperdink: Hänsel und Gretel – 1895; A. Leo: Flitterwochen, S. Jones: Die Geisha, G. Verdi: Don Carlos, J. Strauß Sohn: Die Fledermaus – 1900.

Stadttheater Leitmeritz

J. Strauß Sohn: Der Zigeunerbaron – 1899; I. Ch. E. F. Wrede: Das Recht auf sich selbst, S. Jones: Die Geisha, J. Strauß Sohn: Die Fledermaus; Ch. Lecocq, Libr. J. F. Wagner: Der kleine Herzog, K. Kraatz: Mamselle Tourbillon, A. Oelschlegel, Libr. A. J. Schindler: Der Schelm von Bergen – 1900.

Stadttheater Znaim

F. Schönthan, G. Kadelburg: Zwei glückliche Tage, S. Jones: Die Geisha, E. Gettke, A. Engel: Im Fegefeuer, J. Strauß Sohn: Prinz Methusalem, A. Neumann: Der Pumpmajor, C. Millöcker: Die Näherin, K. Morré: Pater Jakob, F. Schönthan, G. Kadelburg: Der Herr Senator, K. Weinberger: Die Diva – 1902; J. W. Goethe: Iphigenie auf Tauris, W. Meyer-Förster: Alt-Heidelberg, H. Reinhardt: Das süsse Mädel, F. v. Suppé: Etwas zum Lachen, E. Eysler: Bruder Straubinger, A. L’Arronge: Doktor Klaus – 1903; K. Fromm, K. Strobl, C. Carl: Wolf Bär Pfefferkorn auf Reisen, F. Lehár: Wiener Frauen – 1905.

Quellen

SOkA Jihlava: Fonds Druckdokumentation – Sammlung D, Inv.-Nr. 417. (Zettel von J.s Saison 1893)

SOkA České Budějovice: Fonds Südböhmisches Theater B282 – Korrespondenz der Stadt mit den Pächtern des Theaters.

Literatur

Münchner Tagblatt 26. 1. 1877; Union (München) 1. 12 1877; Deutscher Bühnen-Almanach (Berlin) 1877, S. 221; 1878, S. 206; 1879, S. 27, 480; 1880, S. 226, S. 370; 1881, S. 379; 1890, S. 733; 1891, S. 621; Wiener Theaterzeitung 1. 9. 1881; Bukowinaer Nachrichten (Czernowitz) 31. 8. 1889; Troppauer Zeitung 5. 12. 1890, 15. 9. 1891; Mährisch-schlesischer Grenzbote (Mährische Ostrau) 13. 9. 1891; 23. 3. 1892; Ostrauer Zeitung 3. 4., 5. 4., 7. 4., 17. 4. 1892; 26. 2., 7. 3., 27. 3. 1893; 25. 4. 1906 (Nachruf auf den Sohn A. Jenny); Budweiser Kreisblatt 22. 6., 21. 9., 28. 9. 1895; 4. 4., 15. 5., 3. 6., 6. 6., 16. 9., 21. 10. 1896; 20. 1., 3. 4., 7. 4., 2. 10. 1897; 26. 9., 28. 9., 16. 10., 19. 12. 1900; Budweiser Zeitung 25. 6., 15.10. 1895; 10. 1., 2. 6., 9. 6., 24. 7., 15. 9. 1896; 6. 4., 1. 10. 1897; 28. 4. 1899; 20. 4., 25. 9., 28. 9. 1900; Linzer Tages-Post 1. 4. 1896; Egerer Zeitung, 30. 9., 21. 10., 19. 12. 1896; 9. 1. 1897; Programm des k.k. deutschen Staats-Gymnasiums in Budweis veröffentlicht am Schluße des Schuljahres 1895–1896, S. 56; 1897–1898, S. 62; Jahresbericht des Budweiser Geselligkeitsvereines für das Vereinsjahr 1895, Budweis 1896, S. 15; Budivoj (České Budějovice) 11. 6. 1896; 21. 2., 19. 12. 1897; 27. 3., 14. 4. 1898; Leitmeritzer Zeitung 25. 10., 15. 11., 22. 11., 29. 11. 1899; 10. 1., 2. 2., 25. 2., 7. 3., 4. 4., 11. 4. 1900; Deutsche Böhmerwaldzeitung (Krummau) 26. 10. 1900; Prager Tagblatt 20. 10. 1900; Znaimer Tagblatt 8. 10. 1901; 25. 4. 1906 (Nachruf auf den Sohn A. Jenny); 29. 5. 1907; 7. 4. 1909 (Weggang von D. Jenny aus Znaim); 19. 11. 1910; Znaimer Wochenblatt 22. 10., 29. 10., 8. 11., 12. 11., 19. 11., 26. 11., 6. 12., 10. 12., 20. 12. 1902; 21. 2., 25. 2., 7. 4., 8. 4., 23. 9., 10. 10., 7. 11., 25. 11., 19. 12. 1903; 1. 3., 8. 3. 1905; 21. 4. 1906 (Nachruf auf den Sohn A. Jenny); 14. 5. 1919 (Nachruf auf seine Ehefrau D. Jenny) ● Ableben, Nachrufe: Znaimer Wochenblatt 8. 7. 1905; Mährisches Tagblatt (Olmütz) 11. 7. 1905; Neuer Theater-Almanach (Berlin) 1906, S. 177 ● Neuer Theater-Almanach (Berlin) 1907, S. 175 (Nachricht vom Ableben Albert Jennys jr.); Teplitz-Schönau Anzeiger 30. 9. 1912 (Weggang von D. Jenny aus Litoměřice); J. King: Budweisers into Czechs and German S. A local history of Bohemian politics, 18481948, Princeton 2002; E. Hudcová: Der Bürger und sein Theater in einer mährischen Kleinstadt, Olomouc 2008; P. Knápková: Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Iglaus, Olomouc 2010, S. 74, 78; M. Havlíčková – S. Pracná – J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku 1/3 [Das deutschsprachige Theater in Mähren und in Schlesien 1/3], Olomouc 2011, S. 133; Kohoutí kříž. Šumavské ozvěny (Südböhmische wissenschaftliche Bibliothek): Hermann Jenny, [online, zit. 4. 3. 2021], URL: https://www.kohoutikriz.org/autor.html?id=jenny.

Eisenberg, Kosch Th. (als Hermann Jenny), Ulrich


Bildung: 2021

Autor: Škrobánková, KláraHorváthová, Ilona