Haase, Friedrich Ludwig Heinrich

Friedrich Haase, ca. 1910. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Haase_(Schauspieler)#/media/File:FriedrichHaasePortrait.JPG
Friedrich Ludwig Heinrich
Haase
1.11. 1825
Berlin
17. 3. 1911
Berlin
Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor

Unterstützt vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. absolvierte er eine Schauspielausbildung bei Friedrich Tieck. 1846 debütierte er in Weimar, ab 1848 wirkte er am Hoftheater in Berlin. 1850-1852 wurde er von Johann Hoffman im Prager Ständetheater engagiert, wo er viele Charakterrollen spielte (Mephistopheles, Hamlet oder Shylock). Er war als Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor (1870 – 1876 leitete er das Stadttheater in Leipzig) populär und wurde sehr geschätzt. Mit Erfolg gastierte er als Schauspieler auf einer Reihe internationaler Bühnen.

Sein Vater war erster Kammerdiener des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., der als sein Pate für H.s Erziehung und Bildung sorgte. Als sich sein Talent offenbarte, gewährleistete ihm der König eine zweijährige Theaterausbildung bei Friedrich Tieck. H. debütierte im Januar 1846 am Hoftheater in Weimar. Mit Unterstützung des Herrschers trat er 1848 sein Engagement am Hoftheater in Berlin an, gegen die Konkurrenz der erfahrenen namhaften Schauspieler konnte er sich jedoch nicht behaupten. Zum eigentlichen Ausgangspunkt für seine spätere glänzende Theaterkarriere wurde das Prager Ständetheater, wo er in den Tagen vom 13. – 19. 3. 1850 fünf Probevorstellungen absolvierte und vom Direktor Johann Hoffmann engagiert wurde.

In Prag ging ihm ein ausgezeichneter Ruf voraus, und bald avancierte er zu einer bekannten und bewunderten Persönlichkeit der Gesellschaft. Bereits sein erstes Auftreten (Carlos / Clavigo, Mephisto / Faust) besprach die Kritik sehr ausführlich. Nicht nur die schauspielerische Gestaltung seiner Figuren erntete Lob, sondern auch die geschmackvolle Auswahl der Masken und Kostüme. H. galt als „höherer Charakterspieler“ im klassischen Repertoire. In Prag vervollkommnete er seinen Schauspielertyp. Seine Bildung und umfangreichen literarischen Kenntnisse bildeten die Voraussetzungen für sein sorgfältiges Bemühen um Vollkommenheit in Vortrag und Ausdruck. Zielbewusst und individuell stilisierte er jede Figur und arbeitete sie detailliert aus. Ein idealer Partner und Gegenspieler in älteren Rollen war ihm insbesondere Louis Ferdinand Grauert, ein Schauspieler aus Berlin, der seit 1846 im Prager Engagement wirkte. Wie auch die Kritik konstatierte, ergänzten sich ihre ausgeprägten Charaktere, ohne einander zu beeinträchtigen. Obwohl H. noch am Anfang seiner Laufbahn stand, wurde er mit berühmten Künstlern, die in Prag auftraten, verglichen, z. B. mit dem preußischen Hofschauspieler Theodor Döring, der 1852 den gesamten März hindurch gastierte, u. a. auch als Mephisto (Faust). In einer ganzen Reihe von Rezensionen polemisierte die Kritik (im Zuschauerraum auch das Publikum) gegen Dörings eher humorvoll interpretierten Mephisto und lobte den „ernsten Teufel“ in H.s Auffassung. Durch Tiecks Schule geprägt, widmete sich H. mit besonderem Interesse den Dramen Shakespeares (Hamlet, Shylock / Der Kaufmann von Venedig). Er kreierte auch eine Reihe von Bühnenfiguren in französischen Lustspielen sowie in zeitgenössischen Stücken; kurz vor seinem Weggang aus Prag glänzte er als einflussreicher Mann aus der Finanzwelt (Gordon Glendower) bei der Premiere der Tragödie Reginald Armstrong, oder: Die Welt des Geldes von dem Prager Autor Alfred Meissner.

Mit zwei Stücken (siehe Teatralia) versuchte H., sich in Prag als Dramatiker und Übersetzer und zugleich als Hauptrollendarsteller Geltung zu verschaffen. Sein einaktiges Erstlingswerk Ein Brief zu viel handelt von einem Ehepaar, das sich unweit von Wien aufs Land begibt und versucht, von der Außenwelt abgeschieden nur für sich zu leben. Die dreiaktige Tragödie Ein Duell unter Richelieu, die H. nach der französischen Vorlage bearbeitet hat, beschreibt Liebesbeziehungen am französischen Hof.

Nach Antritt des neuen Direktors Johann August Stöger, der Hoffmann im April 1852 in Prag abgelöst hatte, forderte H. eine außerordentlich hohe Gage. Da Stöger deren Zahlung verweigerte, verlängerte H. sein Prager Engagement nicht. Vor allem für die Besetzung des klassischen Repertoires hinterließ er eine spürbare Lücke, und Stöger suchte lange vergeblich  nach einem gleichwertigen Ersatz. Von Prag ging H. nach Karslruhe und 1853–1856 wirkte er am Hoftheater in München (Direktor F. Dingelstedt). Im Mai 1855 gab er in Prag eine ganze Serie von Gastvorstellungen, in denen er einige seiner erfolgreichsten Rollen wiederholte. Bis 1858 war er dann Ensemblemitglied am Theater in Frankfurt am Main. Im Jahr 1857 hatte er sich mit sechs weiteren Kandidaten erfolglos als Pächter des Prager Theaters beworben, wo Direktor Stögers Vertrag 1858 endete. 1858–1865 war H. Mitglied des Hoftheaters in Petersburg (im Mai 1865 gastierte er in Prag). In dieser Zeit gehörte er schon zu den renommiertesten deutschen Schauspielern. 1866 nahm er das ihm auf Lebenszeit angebotene Engagement als Schauspieler und Regisseur am Hoftheater Coburg-Gotha an, wo er sogleich die nach der englischen Vorlage einstudierte Inszenierung von Shakespeares Hamlet in Angriff nahm. Nach einer Saison kündigte er jedoch das Engagement zugunsten eines freischaffenden Wirkens als reisender Gastschauspieler, was ihm in den letzten zehn Jahren ein beträchtliches Einkommen einbrachte. 1869 wanderte er nach Amerika aus und trat in New York am Broadway Theater auf. Nach seiner Rückkehr gastierte er kurz am Hoftheater in Berlin. 1870 übernahm er als Nachfolger von Heinrich Laube die Direktion des Stadttheaters in Leipzig und blieb dort sechs Spielzeiten lang. Im Jahr 1876 lösten ihn August Foerster (für das Schauspiel) und Angelo Neumann (für die Oper) ab. In den darauffolgenden zwanzig Jahren gastierte H. wieder an deutschen europäischen Bühnen und in Nordamerika. Gegen Ende seiner künstlerischen Laufbahn (1896) trat er noch in Berlin als Mitbegründer des Deutschen Theaters hervor. Laut Eisenberg (siehe Lit.) verschwand mit ihm „eine der eigenartigsten Bühnenerscheinungen“, der ausgeprägte Schauspielertyp „eines vornehmen Herren mit und ohne historischem Kolorit“ sowie „der letzte schauspielerische Miniaturist“. 

Rollen in Prag

Auftritte für ein Engagement und als Gast: 1850:

13.–19. 3. Carlos (Goethe: Clavigo); Amadeus von Brunstädt (Birch-Pfeiffer: Eine Familie); Mephistopheles (Goethe: Faust); Sir Bernard Harleigh (Angely nach Melesville: Sie ist wahnsinnig [Elle est folle]). – 1855: 6.–28. 5.: Hamlet (Shakespeare: Hamlet); Vater Klingsberg (Kotzebue: Die beiden Klingsberg); Carlos (Goethe: Clavigo); Mephistopheles (Goethe: Faust); Shylock (Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig); Sir Bernard Harleigh (Angely nach Melesville: Sie ist wahnsinnig); Richard III. (Shakespeare: König Richard III.); Reinhold (Raupach: Der Müller und sein Kind); Franz (Schiller: Die Räuber); Arthur Derwood (A. W. Hesse nach dem franz. Vaudeville: Ein Arzt.) – 1865: 8. 5.: Thorane (Gutzkow: Der Kriegslieutenant).

Weitere Rollen im Engagement:

Franz (Schiller: Die Räuber); Lord Schatzmeister (Schiller: Maria Stuart); Bloom (Mosenthal: Deborah); Anselm von Götz (Töpfer: Zurücksetzung); Polonius (Shakespeare: Hamlet); Octavio Piccolomini (Schiller: Wallenstein); Florian von Aachen (F. Walther: Die Amerikanerin); Marschall (E. Vogel: Des Bettlers Tochter); Talbot (Schiller: Die Jungfrau von Orleans); Eduard (F. Haase: Ein Brief zu viel, Premiere); Gordon Glendower (A. Meissner,Reginald Armstrong, oder: Die Welt des Geldes, Premiere); Herzog von Chevreuse (Lockroy – Badon, Bearbeitung F. Haase: Ein Duell unter Richelieu).

Theatralia

H. eigene TheatertexteEin Brief zu viel, Lustspiel, 1 Akt, Premiere 20. 11. 1850 Ständetheater Prag. – Lockroy und Badon: Ein Duell unter Richelieu, deutsche Bearbeitung des franz. Schauspiels, Premiere. 2. 4. 1852 Ständetheater Prag.

Denkmäler / Erinnerungen / Memoiren: Ungeschminkte Briefe, Dresden 1883. – Was ich erlebte (1846–1896), Berlin – Wien 1897.

Periodika

Almanach des Königl. ständischen Theaters 1851, S. 9, 19; 1852, S. 9. – Bohemia 17. 3., 21. 3., 22. 3., 7. 4. 1850 (Vorstellungen für ein Engagement), 11. 4. 1850 (Schiller: Die Räuber); Bohemia 22. 11. 1850 (Rezension der Premiere Ein Brief zu viel). – Bohemia-Beilage 16. 2. 1851  (Schauspieler-Charakteristik). – Bohemia 6. 4. 1852 (Rezension der Premiere Ein Duell unter Richelieu, J. G[undling]). – Deutscher Bühnenalmanach 36, 1872, S. 79–82; Neuer deutscher Bühnenalmanach  48, 1884. 

Literatur

H. Bratsch: Die deutsche Kunstkritik über F. H., New York 1884

O. Simon: F. H. Eine dramaturgische Studie, Berlin 1898

Teuber III, S. 403, 406–408, 409,410, 419, 441, 483, 630, 722

Eisenberg, Flüggen, Kosch Th, Oppenheim, Reden-Esbeck, Ulrich

Abbildungen

13 Abbildungen in: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek Wien.


Bildung: 20.06.2013

Autor: Ludvová, Jitka