Frankl, Ludwig August

Ludwig August
Frankl
3. 2. 1810
Chrast bei Chrudim (CZ)
12. 3. 1894
Wien (A)
Journalist, Dichter, Schriftsteller, Dramatiker

Im Laufe seines Studiums in Böhmen schrieb er einige Theaterstücke, aufgeführt wurde nur das Drama Die Brautnacht. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Wien, wo er als Literat und Publizist bekannt wurde. Begründer und Herausgeber der Zeitschrift Sonntagsblätter 1842–48. Er ist Autor biographischer Skizzen zu F. Grillparzer, F. Hebbel und F. Raimund.  

Später mit dem Prädikat von Hochwart. Sohn eines kaiserlichen Tabakdistrictsverleger, jüdischer Herkunft. In der Familie wurde überwiegend deutsch gesprochen, mit der Mutter, die aus einem tschechischsprachigen Umfeld kam, sprach F. Auch tschechisch. Er besuchte die allgemeine Schule seines Geburtsortes, wo der Pädagoge J. N. Filcík, der den Ideen der nationalen Wiedergeburt nahestand, die tschechische Sprache unterrichtete, er hatte auch einen jüdischen Hauslehrer, Lektionen in Latein erteilte ihm ein katholischer Geistlicher. Ab 1823 besuchte er das piaristische Gymnasium in der Prager Neustadt. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1825 kehrte er nach Hause zurück, um die Unternehmensleitung zu übernehmen, doch es kam nicht dazu. Ende 1826 nahm er ein Studium der Philosophie am Piaristenkolleg in Leitmeritz auf. Er widmete sich vor allem der Geschichte, die G. President unterrichtete, und hier debütierte er auch als Dramatiker. 1828 ging er nach Wien, um Medizin zu studieren, er erlangte einen entsprechenden Titel 1837 an der Universität in Padua, doch er widmete sich nicht der medizinischen Praxis. 1838 wurde er Sekretär und Archivar der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 1832 gab er die Gedichtsammlung Das Habsburgslied heraus, das er dem Thronfolger Ferdinand widmete, und Kaiser Franz I. gewährte dem jungen, hoffnungsvollen Dichter eine Audienz. F. Begegnete bedeutenden Persönlichkeiten des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens (dem Historiker J. von Hormayr, dem Orientalisten J. von Hammer-Purgstall), er freundete sich mit N. Lenau an und besuchte den Salon der Schriftstellerin K. Pichler. Auch weiterhin hielt er die Kontakte zum Prager Umfeld aufrecht, ohne Ansehen der Sprache und des Bekenntnisses (R. Glaser, S. Kapper, K. Sabina). In Wien beteiligte er sich an der Herausgabe des Österreichischen Morgenblattes (1838–41) und gründete die Zeitschrift Sonntagsblätter (1842–48). Im Laufe der Revolution 1848–49 stand er auf der gemäßigten Seite der österreichischen Liberalen und schrieb das Gedicht Die Universität, das auf einem der ersten nicht zensierten Flugblätter auftauchte und recht bekannt wurde (27 Vertonungen, u. a. durch J. N. Škroup, P. Křížkovský). 1849 wurde F. Zum Ehrenbürger Wiens ernannt, 1851 zum Professor für Ästhetik im Musikverein und zu dessen Direktor. 1856 unternahm er eine Reise in den Nahen Osten (Palästina, Ägypten) und gründete in Jerusalem die Lämel-Schule für Kinder österreichischer Untertanen. Er beteiligte sich an vielen kulturellen und caritativen Aktivitäten: er veranstaltete Sammlungen für Denkmale von Musikern und Literaten (u. a. für F. Schiller und A. Grün), 1873 gründete er die Blindenanstalt Hohe Warte, ab 1875 war er Vorstandsvorsitzender der Wiener israelitischen Gemeinde. 1876 wurde er zum Ritter geschlagen und erhielt das Prädikat von Hochwart. 1882 verzichtete er auf all seine Funktionen und widmete sich bis zu seinem Tode ausschließlich der literarischen Tätigkeit. Im selben Jahr weilte er letztmalig in Prag, und zwar auf Einladung des Verbandes der Künstler und Schriftsteller Concordia; er hielt einen Vortrag über N. Lenau). 1891 nahm er an einem Kongress der Schiller-Stiftung in Weimar teil und schaute auf der Rückreise zum letzten Mal in seinem Geburtsort Chrast vorbei; die Stadt erteilte ihm die Ehrenbürgerschaft. 

Ein jüngerer Bruder, der Händler David Bernhard Frankl (8. 5. 1820 – 20. 11. 1859), war Mitglied des Vereins zur Errichtung eines tschechischen Nationaltheaters in Prag und schrieb zusammen mit W. A. Gerl das Lustspiel Mademoiselle Colomb. Sein zweiter jüngerer Bruder, Wilhelm Frankl (3. 12. 1821 – 19. 3. 1896), Händler und Wiener städtischer Ratsherr, ist Autor des Dramas Des Märzens Idus, des Trauerspiels in fünf Akten Eine Grabschrift und des Lustspiel-Einakters Ich kapitulire; keiner seiner dramatischen Versuche wurde je aufgeführt. Manchmal veröffentlichte er anonym Musikkritiken und -aufsätze.

F.s Dramenschaffen entstand vor allem während seines Studiums in Böhmen. Es wurde vom Konzept des Landes- und Lokalpatriotismus, dem Schaffen von C. E. Ebert und den historischen Schriften von F. Pubitschka und V. Hájek von Libočany und nicht zuletzt durch den Professor des Piaristenkollegs, G. President, beeinflusst. Aus der böhmischen Geschichte nahm F. den Stoff für seine Dramen Agnes von Sezima und Wenzel der Heilige. Die Tragödie Rudolf von der Wart handelte von der Rebellion eines schwäbischen Adeligen gegen Kaiser Albrecht I. Nach dem Vorbild von Müllners Schicksalsdrama Die Schuld verfasste er das Drama Die Brautnacht über die platonische Inzest-Liebe eines Vaters zu seiner Tochter. Für das Stück, das von Suwars Theatergesellschaft in Leitmeritz aufgeführt wurde, drohte F. der Ausschluss aus der Schule, den er durch Buße abwenden konnte. Die anschließende Tragödie in zwei Akten Wenzel der Heilige (nach Grillparzers Stück Die Ahnfrau) interpretierte im katholischen Geiste die Rebellion Boleslavs und Drahomírs gegen die Politik von Fürst Wenzel, durch dieses soll F. das Vertrauen seiner Lehrer zurückgewonnen haben. Später schrieb er ein Lustspiel in Alexandrinern Scherz oder Ernst und den Gelegenheits-Dramentext Festspiel zur Begrüβung der Naturforscher (1862). Als Dramatiker war F. nicht originell, bei Versuchen, weitere Stücke aufzuführen, hatte er kein Glück. F.s Stücke Die BrautnachtWenzel der Heilige und Scherz oder Ernst sind stückhaft in Manuskriptform erhalten geblieben, zu weiteren Schauspielen gibt es nur vermittelt Informationen.

Bedeutsamer ist F.s Tätigkeit als Journalist und Redakteur. Er war Hauptredakteur und in den ersten beiden Jahren auch Herausgeber der einflussreichen Wiener Wochenzeitung Sonntagsblätter, die originelle Poesie und Prosa sowie Musik- und Theaterkritiken vor allem der Wiener Bühnen brachte. F. glossierte darin das literarische und kulturelle Geschehen in Prag und konnte einige Autoren aus Prag für eine Zusammenarbeit gewinnen (S. Kapper und wahrscheinlich auch K. Sabina). In dem Artikel Todesnachricht und Lebensversicherung kritisierte er das Desinteresse der österreichischen kulturellen Öffentlichkeit am Dramenschaffen und dem Wirken von J. N. Štěpánek und V. K. Klicpera. Mit Klicpera stand er seit seinen Jahren als Student in Kontakt und übersetzte später seinen Einakter Rohovín Čtverrohý ins Deutsche. Des Weiteren gab er den Anstoß zur Übersetzung von Veselohra na mostě (angefertigt von H. Mirani; Das Lustspiel auf der Brücke, 1849 Theater in der Josefstadt und vermittelte wahrscheinlich die Aufführung des Stücks Blaník im Theater an der Wien (Die zwölf schlafenden Ritter, 1857). Er gehörte wohl auch zu den Initiatoren mehrerer tschechischer Halb-Laienvorstellungen im Theater in der Josefstadt (1850–51 und 1855). In die umfangreiche Reihe von F.s biographischen Skizzen fallen die Biografien der Dramatiker F. Grillparzer, F. Hebbel und F. Raimund.

Stücke

Die Brautnacht, [1. Akt im Nachlass], Suwar-Gesellschaft Litomyšl 1827. 

 

Übersetzung

V. K. Klicpera: Der dreigehörnte Viergehörnte [Rohovín Čtverrohý], Text nicht feststellbar.

Theatralia

Todesnachricht und Lebensversicherung, Wenzel Klicpera und Joh. Nep. Stiepanek, Sonntagsblätter (Wien) 3, 1844, S. 185–187; Schiller, Beethoven und Goethe in Karlsbad, Karlsbad 1862; Zur Biographie Franz Grillparzers, Wien 1883; Zur Biographie Ferdinand Raimund, Wien 1884; Zur Biographie Friedrich Hebbels, Wien 1884.

Quellen

Wiener Stadt- und Landesarchiv: Fonds Matrikel der Wiener israelitischen Gemeinde 1784–1911, Todesmatrikel 1894, S. 45, Abb. 52. WBR, Wien: Nachlass.

Literatur

Dr. Rakonitzky [S. Kapper]: Ludwig August Frankl, Libussa. Jahrbuch für das Jahr 1850, Prag S. 351–425; J. Ch. Zedlitz: Album österreichischer Dichter, Wien 1850, S. 267 [jugendliche Dramenversuche]; Jüdisches AthenäumGallerie berühmter Männer jüdischer Abstammung, Grimma–Leipzig 1851, S. 42 ●; Todesfälle und Nachrufe: K. Thaler, Neue Freie Presse (Wien) 13. 3. 1894; unsign. [J. Svátek], Pražský denník 14. 3. 1894; A. Klaar, Bohemia (Prag) 20. 3. 1894; Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 19. 3. 1894; R. M. Werner, Österreichisch-Ungarische Revue (Wien) 9, 1894, S. 165–185●; A. Kraus: Stará historie česká v německé literatuře, Praha 1902, S. 287; unsign., Ludwig August Frankl Gedenkfeier in Prag, Bohemia (Prag) 30. 1. 1910; E. Rychnowsky: Aus Ludwig Frankls Jugend, Prager Tagblatt 2. 2. 1910; M. Schoenbaum: L. A. Frankl, Rozvoj (Praha) 4. und 11. 2. 1910; E. Wolbe: Ludwig August Frankl, der Dichter und Menschenfreund, Frankfurt am Main 1910; L. A. Frankl: Erinnerungen, Prag 1910, S. 55–58 [Die Brautnacht], 58–59 [Wenzel der Heilige], 86–87 [Agnes von Sezyma]; S. 87 [Rudolf von der Wart]; R. Illový: L. A. Frankl, Rozvoj (Pardubice) 11. 2. 1927, S. 3–4; S. Dollar: Die Sonntagsblaetter von Ludwig August Frankl 1842–1848, Diss., Wien 1932; O. Donath: Vztahy L. A. Frankla k Čechám [Die Beziehungen L. A. Frankls zu Böhmen], in Židovský kalendář 1935–1936 (Praha), S. 72–77; O. Endlicher: Der tschechische Dramatiker Václav Kliment Klicpera und das Wiener Theater, in SB. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Wiener Stadtbibliothek 1856–1956, Wien 1956, S. 82–97; Ch. Zintzen: L. A. Frankl: Revolutionär, Reisender und Kulturfunktionär, in SB. Bewegung im Reich der Immobilität, Hg. H. Lengauer, P. H. Kucher, Wien–Köln–Weimar 2001, S. 362–89; R. Kestenberg-Gladstein: Heraus aus der „Gasse“: Böhmens Juden im 19. Jahrhundert, Münster–Hamburg–London 2002, S. 25–56; J. Ludvová: Ferdinand B. Mikovec o obrozenském divadle [Ferdinand B. Mikovec über das Wiedergeburtstheater], Divadelní revue (Praha) 22, 2009, Nr. 1, S. 85,87; V. Petrbok: Ludwig August Frankl als tschechischer Dichter?, in SB. Ludwig August Frankl (1810–1894) – Ein jüdischer Kosmopolit in Mitteleuropa/A Jewish Cosmopolitan in Central Europe, Hg. L. Hecht, Köln–Weimar–Wien 2016, S. 89.  

DSL, Heuer, Kosch, ÖBL, ODS, Otto, Rieger, Wurzbach


Bildung: 2016

Autor: Petrbok, Václav