Ernst, Ferdinand Valentin

Ferdinand Valentin
Ernst
1799
Mainz (D) oder Darmstadt (D)
8. 3. 1852
Prag (Praha, CZ)
Schauspieler, Regisseur, Dramatiker

Von Wien nach Prag brachte ihn Direktor Franz Holbein. Im Ständetheater wirkte er als Schauspieler (vor allem im Rollenfach positiver Helden). Später führte er auch Regie (überwiegend bei Opern) und setzte sich für eine Verbesserung der szenischen Seite der Vorstellung ein. Autor von drei Lustspielen und Libretti deutscher Opern für Kapellmeister Fr. Škroup (Udalrich und Bozena, Die Geisterbraut). Ehemann der Schauspielerin und Sängerin Marianne Katharine Ernst, geb. Seidler (1808 ? – 1869).

Über E.s Familie und Ausbildung liegen keine Informationen vor. Er war Mitglied des Mannheimer Theaters, wo er seine spätere Ehefrau, die Sängerin Marianne Katharina Seidler, kennenlernte (vgl. Teuber III). Über Linz gingen beide zusammen nach Wien, wo sie 1822 erfolglos versuchten, ein Engagement am Hoftheater zu bekommen. In Wien begegnete ihnen der Theaterdirektor Franz Holbein, der Schauspieler für das Prager Ständetheater suchte. E. wurde daraufhin als Schauspieler, Katharina als Sängerin in Holbeins Ensemble engagiert. Als Holbein Prag 1824 verließ, wurde E. zu einer der wichtigsten Stützen des bescheidenen Theaterbetriebs unter den Direktoren Polawský, Kainz und Štěpánek. Er war mit dem tschechischen Komponisten und Dirigenten František Škroup befreundet und wurde dessen Librettist. Nach Antritt des Theaterdirektors Johann August Stöger (1834) begann er auch Regie zu führen, und nach dem Tod des Regisseurs Jakob Bernhard Frey (1836) erweiterte er seine Regietätigkeit auf den Bereich der Oper, mit der er sich dann vorwiegend befasste. Parallel dazu ging er weiterhin seinen schauspielerischen Ambitionen nach, und obgleich die Zahl seiner Rollen beschränkt blieb, gehörte er lange Zeit zu den fleißigsten, anerkanntesten und auch bestbezahlten Mitgliedern des Prager Ensembles. Ende der 30er-Jahre wurde er in die Pensionskommission des Ständetheaters gewählt und war über einen längeren Zeitraum für die Bewilligung von Pensionen mitverantwortlich. Er war bekannt für seine persönliche Solidität und seine guten kollegialen Beziehungen. Darüber hinaus vertrat er den Theaterdirektor Stöger, wenn dieser abwesend war. Als Stögers Amtszeit zu Ostern 1846 endete, bewarb sich E. um den Direktorenposten am Ständetheater. Sein Ziel war insbesondere eine weitere Verbesserung des szenischen Aspekts der Inszenierungen (womit Stöger in radikaler Weise begonnen hatte), darüber hinaus wollte er den Kostümfundus erweitern und sich eingehender der Regieführung widmen. Zum Theaterdirektor wurde zwar letztlich Johann Hoffmann ernannt, E. behielt jedoch eine gute Position. Angesichts finanzieller Probleme im Zuge des Revolutionsgeschehens 1848 arbeitete er gemeinsam mit  Hoffmann an der Rettung des Ständetheaters. Ein an die Wiener Ämter gerichteter Antrag Hoffmanns auf Hilfe und Unterstützung ist auch mit E.s Unterschrift versehen (vgl. Teuber III, S. 384).

Nach der Trennung von seiner Frau (1829) lebte E. mit seinem Sohn Maximilian, der aktiver Offizier war, seiner Schwester und seinem Vater in Prag. Ca. 30 Jahre lang – von November 1822 bis Mitte des Jahres 1851 – war er Mitglied des Prager Ensembles, bis er seine Tätigkeit aufgrund dauerhafter Krankheit aufgeben musste. Er starb im Prager Allgemeinkrankenhaus. Der Trauerzug zum Friedhof Prag-Olšany (11. 3.) wurde von zahlreichen Ensemblemitgliedern wie auch von vielen Prager Einwohnern begleitet.

Eine umfangreiche Analyse zu E.s schauspielerischem Stil wurde 1934 (von A. Müller, s. Periodika) in der Zeitung Bohemia veröffentlicht. E.s schauspielerische Möglichkeiten waren durch einen nicht näher beschriebenen Stimmdefekt beschränkt, der ihn an einer energischeren Ausdrucksweise hinderte. Um ein Engagement zu bekommen, war er am 5. 11. 1822 in der Rolle des Hanns (Kotzebue: Das Intermezzo) und am12. 11. 1822 in der Rolle des Balduin (Kotzebue: Die Kreuzfahrer) aufgetreten. Er war für das Fach der Liebhaber und der jugendlichen Intriganten vorgesehen, doch der Rollentyp des Bösewichts lag ihm angeblich nicht. Sein angenehmes Äußeres eignete sich eher für positive Helden, und seine sanfte, gemessene Ausdrucksweise war ein guter Gegenpol zu den heroischen Gesten Rudolf Bayers, des ersten tragischen Helden der Prager Bühne. Innerhalb seines Fachs überzeugte E. in den verschiedensten Rollen (so z.B. als Marquis Posa in Schillers Don Carlos oder als Konrad in Raupachs Der Müller und sein Kind). Darüber hinaus brillierte er auch in der Rolle des Preslau in Eberts Stück Bretislav und Jutta, dessen Premiere1829 E. zu einer seiner Benefizaufführungen gewählt hatte (und bei dem er wohl auch Regie führte). E. war ein gefragter Regisseur, detailliertere Berichte zu seinen Regiearbeiten liegen allerdings nicht vor. Die Kritik lobte zuweilen die sorgfältige Durcharbeitung seiner Inszenierungen und die für Prager Verhältnisse umfangreichen Ausstattungen. E. war auch an tschechischen Inszenierungen beteiligt, zumindest las er die tschechischen Übersetzungen seiner für František Škroup verfassten Texte.

Darüber hinaus hatte er kontinuierliche literarische Interessen: Er schrieb Gedichte, die mehrmals vertont wurden (so z.B. das Gedicht An sie, das 1828 von F. Škroup in dessen Band Drei Lieder vertont wurde und in mehreren Abschriften erhalten ist). Er beherrschte verschiedene Nuancen des literarischen Ausdrucks und verfasste für das Theater Prologe und Texte zu festlichen Anlässen.

Als Literat hatte E. einen guten Ruf und betätigte sich auch als Dramatiker und Librettist. Aus seiner Feder stammen drei anspruchsvolle Komödien wie auch drei Libretti für František Škroup: Bei der nicht erhaltenen Arbeit Der Prinz und die Schlange (Princ a had) handelte es sich um ein belehrendes, mit einer reichen Ausstattung versehenes Stück mit Musik und Tanz. Laut Berichten über die tschechische Premiere (veröffentlicht 1835 in der Zeitschrift Česká včela) wurde das Stück auch in Berlin und Wien aufgeführt. Die besondere Erwähnung der außergewöhnlich schönen Ausstattung wie auch der Tanzdarbietungen lässt darauf schließen, dass es sich um ein typisches Wiener Zauberstück gehandelt haben muss. Das zweite deutschsprachige Libretto, Udalrich und Bozena, schrieb E. für František Škroup, nachdem dessen tschechische Oper Oldřich a Božena mit dem Libretto von J. K. Chmelenský (Uraufführung am 14. 12. 1828 im Ständetheater) einen Misserfolg erlitten hatte. E. überarbeitete die von Chmelenský vorgelegte Fassung und transformierte sie in die damals aktuelle Form einer Grand opéra. Er behielt den historischen Stoff bei, ergänzte in Anlehnung an die aus dem 16. Jh. stammende tschechische Hájek-Chronik weitere Figuren und bereicherte die Handlung um Genreszenen. Die Oper hatte Erfolg (sie wurde 1833 bei einer Feier anlässlich des kaiserlichen Geburtstags im Prager Ständetheater und im Oktober 1835 in Coburg gespielt). E.s Text wurde von Josef Kajetán Tyl ins Tschechische übertragen, der damals am Ständetheater als Dramaturg für tschechischsprachige Vorstellungen tätig war. Die Uraufführung fand am 31. 10. 1847 statt. Das letzte von E. für Škroup verfasste Libretto war die Ballade Die Geisterbraut. Der Inhalt ist tragischer Art: Ein Bräutigam wird kurz vor seiner Hochzeit getötet, die Braut wird von einem falschen Bräutigam von der Hochzeitstafel entführt. Die märchenhaften und historischen Libretti zeugen davon, dass E. sich in die zeitgenössische romantische Dramenliteratur einreihen und František Škroup mit seiner Hilfe eine frühromantische tschechische Form von Oper und Zauberspiel schaffen wollte. Als Regisseur wie auch als Autor verfolgte E. seriöse künstlerische Ziele und hat dem Prager Theater einen wertvollen Dienst erwiesen.

E.s Gattin, Marianne Katharina Ernst, geb. Seidler (1808 [?]–13. 3. 1869 Neusohl) war die Tochter eines Schauspielers vom Darmstädter Hoftheater. (Sie ist nicht identisch mit der Sängerin Josefine Ernst-Kaiser, die 1848/49 in Prag engagiert war). Bereits als Kind trat sie auf, absolvierte erfolgreich die Münchner Theaterschule und erhielt bald darauf ein Engagement an einer professionellen Bühne. In Prag perfektionierte sie ihr Können und wurde zu einer ausgezeichneten Solistin. 1829 erzwang sie durch Vortäuschung von Krankheit, absichtliche Undiszipliniertheit, unerlaubte Gastspiele und exzentrisches Verhalten die Entlassung aus ihrem Vertrag. Bis 1836 war sie an der Wiener Hofoper engagiert, danach trat sie (mit R. Wagner als Dirigent) in Riga auf, ab 1838 gastierte sie oft und nahm kürzere Engagements in zahlreichen deutschen Städten an. 1849 heiratete sie den Schauspieler Wilhelm Kurt. Ihr künstlerisches Potenzial ließ im Laufe der Jahre nach. In den 60er-Jahren erhielt sie keine Engagements mehr und reiste mit Wandertheatergruppen durch Ungarn. In ihren letzten Lebensjahren lebte sie mit einer kleinen Pension in Wien.

Werk

Der seltene Vertreter, Komödie, 1 Akt, UA. 30. 4. 1827 im Ständetheater, Wohltätigkeitsvorstellung. – Heilmittel von Ungefähr, Komödie, 5 Akte, Prem. 10. 11. 1827 StD, Wohltätigkeitsvorstellung. – Der Prinz und die Schlange, Zauberstück mit Gesang, Musik: František Škroup, 19. 11. 1829 StD, nicht erhalten. Tschechisch in der Übersetzung von J. K. Chmelenský als Princ a had mit Musik von F. Škroup, aufgeführt am 10. 5. 1835 und 28. 11. 1841 im StD, Couplet Já jsem jistě hezký dost, gedruckt in Věnci zpěvů vlastenských III, S. 49. – Udalrich und Bozena, romantische Oper in 3 Acten, Libretto nach J. K. Chmelenskýs Oldřich a Božena, Prem. der dt. Fassung 12. 2. 1833 StD, die Partitur mit eingetragenem Text befindet sich im Národní muzeum Prag, Muzeum české hudby. – Jung und alt, Komödie in 3 Akten, Prem. 29. 1. 1836 StD, Wohltätigkeitsvorstellung. – Die Geisterbraut, mit einem Libretto nach Washington Irwing, Musik: F. Škroup, 17. 11. 1836 StD, von F. Škroup organisierte Wohltätigkeitsvorstellung. – Arm und Reich, Komödie, 1 Akt, Ankündigung der Wiener Aufführung in: Humorist 27. 8. 1847, Nr. 205, S. 820, Rubr. Wiener Tages-Courier, StD 15. 1. 1848, Prem. in Form einer Wohltätigkeitsvorstellung.

Wohltätigkeitsvorstellungen, an denen E. als Schauspieler oder Regisseur mitwirkte (Werke anderer Autoren)

13. 2. 1824 Bäuerle: Sohn des Waldes; 9. 2. 1826 Wendt: Montbars, Drama in 5 Akten, Prem.; 20. 12. 1826 Vogel: Abu, der schwarze Wundermann, Melodram, 4 Akte, Musik: Lannoy, Prem.; 5. 3. 1829 Ebert: Bretislav und Jutta, Schauspiel in 5 Akten, Prem.; 30. 3. 1830 W. J. Lembert nach W. Scott: Maria Stuarts erste Gefangenschaft, Prem., Wohltätigkeitsvorstellung; 2. 3. 1831 A. Jeiteles: Die Macht des Blutes, Komödie in 3 Akten, Prem.; 17. 10. 1832 F. W. Ziegler: Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person, Komödie in 4 Akten; 20. 3. 1833 [?] Schneider: Die beiden Forsten, Schauspiel in 5 Akten, Prem.; 1. 3. 1834 F. A. von Kurlander: Warum?, Komödie, 1 Akt, J. S. F. Zimmermann nach der polnischen Vorlage: Damen und Husaren, Komödie in 3 Akten; 7. 11. 1837 J. Wenzig: Die Doppelehen von Tarrent, Märchen in 4 Akten, Prem., Regie; 18. 5. 1841 Auber: Der schwarze Domino, Oper in 3 Akten, Regie.

Rollen (Katharina E.)

Vorstellungen innerhalb des Engagements 1822: 4. 11. Sargines /Paër: Sargines oder Der Triumph der Liebe, 13. 11. Elwira, – Opferfest, 16. 11. Nintette /Rossini: Die Diebische Elster. – Wohltätigkeitsvorstellung: 3.10. 1823 Mozart: Die Zauberprobe (Cosi fan tutte); 19. 4. 1825 Paër: Achilles; 11. 11. 1826 Mozart: Don Giovanni; 20. 11. 1827 Auber: Leokaida; 3. 1. 1829 Auber: Fiorella.

Quellen

Národní archiv, Polizeidirektion I, Eintragung des Namens F. V. Ernst im Verzeichnis der Polizeidirektion, Karton 110, Abb. 565 (Angabe von Mainz als Geburtsort). – Archiv hl. města Prahy, Nr. 242, Aufnahmsbogen 1837, Karton Nr. 55, (mit dem ursprünglichen Eintrag „gebürtig in Mainz“, der später gestrichen und durch „Darmstadt“ ersetzt wurde, und Angabe des Todesdatums), Aufenthalt in der Habsburger Monarchie ab 1822, laut einem Dekret vom  21. 10. 1837 erhielt E. die österreichische Staatsangehörigkeit und wurde Prager Bürger.

Periodika

Lumír 11. 3. 1852, Nr. 6, S. 140 Todesanzeige. – Bohemia 19. 10. 1834, Nr. 125 und 21. 10. 1834, Nr. 126, Charakterisierung von E.s schauspielerischem Stil im Artikel „Versuch einer Beurtheilung der Kräfte unseres recitirenden Schauspiels“; 20. 11. 1836 detailliert über die Geisterbraut; 12. 3. 1852 Nachricht über E.s Begräbnis. – Theateralmanach [Prag] 1838–1853 (hier auf S. 19 Nachricht über E.s Tod).

Literatur

Teuber III: Valentin Ferdinand 109, 144, 146, 158, 161, 171, 206, 213, 230, 231, 233, 247, 260, 276, 329, 338, 339, 361, 384, 393, 411; Katharina 101, 107–120 passim, 166–177 passim.

Vondráček II, siehe Register

J. Plavec: František Škroup, Praha, Melantrich 1941 (detaillierte Inhaltsangabe zu den Libretti)

Kosch Th (in M. K. Ernst, S. 409), Kutsch (das dort angeführte Geburtsdatum 1808 ist in Anbetracht des angegebenen Debütjahrs 1816 und der Geburt des Sohns Maximilian 1820 unwahrscheinlich), ODS, Reden-Esbeck, Ulrich


Bildung: 30. 11.2012

Autor: Ludvová, Jitka