Eichenwald, Wilhelm Ludwig

Wilhelm Ludwig
Eichenwald
12. 12. 1828
Frankfurt (Oder) (D)
9. 6. 1910
Dresden (D)
Schauspieler, Sänger, Regisseur

Er begann im Rollenfach junge Liebhaber, 1862 – 1876 engagiert von Direktor Franz Thomé im Prager Neustädter Theater für komische Rollen mit Gesang. Trat auch als Regisseur in Erscheinung. 1884 – 1895 engagiert im Deutschen Landestheater für das Rollenfach Väter und Charaktergestalten. Er stach vor allem als Schauspieler von feinen komischen Rollen hervor.

Stammte aus einer weitverzweigten Theaterfamilie. Sein Vater war der Charakterdarsteller Wilhelm E. (um 1790 – 1873 Wien), seine Mutter die Schauspielerin Friederike E., geb. Pieper (1805 Bydgoszcz – 1889? Prag). Auch E.s ältere Schwester Auguste, verheiratete Schönfeld (geb. 1838), war Schauspielerin. E. war in erster Ehe mit der aus Bayern stammenden Schauspielerin Margarethe E., geb. Hartmann, verheiratet. Aus dieser Ehe ging sein Sohn Eduard (1. 7. 1859 Riga – 10. 11. 1895 Hannover) hervor, der 1876 ein Theaterengagement in Dresden antrat. Am 10. 5. 1873 heiratete E. in der deutsch-evangelischen St.-Clemens-Kirche in Prag seine zweite Frau Elisabeth, geb. Czaska (geb. 1844 in Prag). Auch die dieser Ehe entstammende Tochter Marie, geb. 1873 in Prag, wandte sich später dem Theater zu. Die ersten zehn Jahre von E.s Karriere sind nur schwer rekonstruierbar, da in den Theateralmanachen jener Zeit nur der Nachname angeführt wird und daher Vater und Sohn schwer zu unterscheiden sind (so führt z. B. der Almanach für Freunde der Schauspielkunst Jg. 11, Ausgabe 1847, einen Schauspieler dieses Namens in Hannover und einen in Frankfurt (Oder) an, der Almanach Jg. 16, 1852, nennt für Magdeburg einen Schauspieler namens E. als Bonvivant und feinen Komiker und in  Pest einen Schauspieler desselben Namens für Väter- und Heldenrollen).

Nach O. Teuber besuchte E. zunächst in Berlin das Gymnasium. Dann schloss er sich im Großherzogtum Poznań / Posen einer Wandertheatergruppe an, in der er Liebhaberrollen übernahm und mit der er auf Reisen ging. Später war er offenbar in Lübeck, Chemnitz, Magdeburg und Rostock wie auch am deutschen Theater in Pest engagiert. Während dieser Zeit gab er das Liebhaberfach auf, wurde Komiker und übernahm Rollen mit Gesangseinlagen. Nach 1850 war er laut Forschungsliteratur am  Königstädtischen Theater Berlin tätig. Der Almanach Jg. 17, 1853, lokalisiert E. junior mit relativer Sicherheit als Schauspieler am  Theater an der Wien. Von dort aus vermittelte ihn der Theaterdirektor Gustav Maurice an das Hamburger Thalia-Theater (1855–58), wo er ebenfalls als junger Komiker mit Gesangsrollen tätig war. Da E.s Gattin Margarethe in  Hamburg kein passendes Engagement fand, gingen beide zunächst an das deutsche Stadttheater Riga (1858–60) und anschließend (1860-62) an das Berliner Viktoria-Theater. Am 19. September 1862 gastierte E. auf Einladung des Theaterdirektors Franz Thomé mit drei Komödien-Einaktern am Neustädter Theater (Novoměstské divadlo) in Prag und wurde daraufhin als Komiker für Schauspiel und Stücke mit Gesangseinlagen engagiert. Darüber hinaus betätigte er sich auch als Regisseur und Autor – er verfasste eine Lokalposse mit dem Titel Die Abenteuer des Herrn Fischer, die Musik dafür schrieb der Prager Kapellmeister Ludwig Slanský. E.s Gattin Margarethe gastierte in Prag im April 1863 in zwei Vorstellungen und war kurze Zeit dort beschäftigt, verließ das Ensemble jedoch bald wieder. E. selbst trat zumeist in Prag auf und gastierte nur selten an anderen Bühnen (Anfang des Jahres 1864 wurde er von dem Pilsener Theaterdirektor Walburg-Wesecký zu einem Gastauftritt am deutschsprachigen Theater Pilsen eingeladen, wo vor allem Komödien und Operetten aufgeführt wurden).

Bereits während seiner ersten Engagements war E. für Rollen im feinkomischen Fach besetzt worden und dieser Aspekt seines schauspielerischen Schaffens wurde – zusammen mit seiner prägnanten Charakterisierungsfähigkeit – auch von der Prager Kritik gewürdigt. Seine gesanglichen Fähigkeiten waren ausreichend für Stücke mit Gesangseinlagen im älteren Wiener Stil oder auch für bekannte Komikersoli (z. B. Titi aus einer Parodie der Meyerbeer-Oper Robert der Teufel, UA am 28. 5. 1864), jedoch nicht für die wachsende Zahl an Operetten, die in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts die Prager deutsche Bühne überschwemmten und nicht unerheblich zur Lösung deren finanzieller Probleme beitrugen. 1876 verließ E. das Prager Theater. Bis 1882 war er am Leipziger Stadttheater engagiert, wo er den künftigen Prager Theaterdirektor Angelo Neumann – damals Intendant in Leipzig – kennenlernte. 1882 ging E. von Leipzig aus an das Hamburger Stadttheater. In der Zeit vom 26. 7. bis 4. 8. 1882 absolvierte er sechs Gastvorstellungen am Prager Neustädter Theater (Novoměstské divadlo) und 1884, in den letzten Monaten unter der Leitung des Theaterdirektors Edmund Kreibig, war er erneut in Prag engagiert, wo er in Väter- und Charakterrollen eingesetzt wurde. Dort übernahm ihn 1885 Kreibigs Nachfolger Angelo Neumann in sein Ensemble.

Der Schwerpunkt von E.s künstlerischer Arbeit lag vorwiegend im Komödienrepertoire, in kleinerem Maße auch in klassischen Rollen (der alte Schäfer in Shakespeares Wintermärchen, 1886; der Vater in  Schillers Die Räuber und der Hausherr in Molières Der Misanthrop, beide 1894). Vereinzelt trat er auch in zeitgenössischen modernen Dramen (als Morten Kiil in Ibsens Stück Ein Volksfeind, 1890) auf. Kultivierter schauspielerischer Ausdruck und seine kraft- und vor allem geschmackvoll dargebotenen komischen Rollen trugen E. die Sympathie des Prager Publikums wie auch die Gunst der Kritiker ein. Als er am 1. Juni 1895 – zugleich mit seinem fünfzigjährigen Bühnenjubiläum – in seiner Lieblingsrolle, dem Gottlieb Weigelt aus A. L´Arronges Stück Mein Leopold, vom Prager Theater Abschied nahm, bedachte ihn das Publikum mit langen Ovationen. E. zog daraufhin nach Dresden, wo er 1910 starb.

Rollen (Auswahl)

Prag: 1862: Fröhlich (L. Schneider: Fröhlich); Silberlin (W. Friedrich: Gänschen von Buchenau); Johann Quirl (L. Angely: Die beiden Hofmeister); 1872: Babiéça, Cabinets-Courier (E. Scribe – G. Legouvé: Die Erzählungen der Königin von Navarra); Scheelmann (P. Lindau: Maria und Magdalena); 1875: Freiherr von Strizow (A. Baumann: Das Versprechen hinterm Herd); Gottlieb Weigelt, Schuhmacher (A. L´Arronge: Mein Leopold); Handwerker (W. Shakespeare: Ein Sommernachtstraum); 1876: Bertrand, ein Landmann (F. von Schiller: Die Jungfrau von Orleans; Frank, Gefängnisdirektor (J. Strauss: Die Fledermaus); Perissol Geschworener (V. Sardou: Ferréol); 1885: Zelot (R. Gottschall: Festspiel); Geheimrat Frabricius (O. Blumenthal: Ein Tropfen Gift);  Peschke, Barbier (D. Kaltsch: Doctor Peschke oder Kleine Herren); Damoifeau (J. Moinaux: Taub muss er sein); Der Lindenwirth (Ch. Birch-Pfeiffer: Dorf und Stadt); Vollwitz, Rentier (R. Kneisel: Papageno); 1886: Tilgrus, ein Schäfer (W. Shakespeare: Ein Wintermärchen); Leopold Ortesinger, Juwelier (A. L´Arronge: Doctor Klaus); Lemke, Rendant (G. Moser: Der Bureaukrat); 1887: Stepanek, Mozarts Freund (H. Zimmermann: Don Juan in Prag); 1890: Morten Kiil (H. Ibsen: Ein Volksfeind); Baron (E. von Bauernfeld: Der kategorische Imperativ1894: Stephen Spittigue, Advokat in Oxford (B. Thomas: Charleys Tante); Vater (F. v. Schiller: Die Räuber);  Hausherr (Molière: Der Misanthrop).

Theaterstücke

Die Abenteuer des Herrn Fischer, Lokalposse mit Musik, Bearbeitung E.s nach einem älteren österreichischen Stoff, Musik: L. Slanský, 3. 4. 1872 Neustädter Theater (Novoměstské divadlo), 4 Wiederaufnahmen

Quellen

Národní archiv, Verzeichnis des Polizeipräsidiums I, Karton 3, Abb. 188 (Eintragung der gesamten Familie)

Periodika

anon.: Theater. Bohemia 21. 9. 1862, S. 676 f.; anon.: Neustädter Theater, Bohemia 2. 10. 1862, S. 782; S. Heller: Theater und Musik. (Deutsches Landestheater.), Bohemia 14. 12. 1872, S. 5121, Beilage; A. Klar: „Wahrhaft erfrischend wirkt es, Bohemia 1. 1. 1876, S. 3, Beilage; A. Klar: (Deutsches Landestheater.), Bohemia 28. 1. 1876, S. 2, Beilage; anon.: (Bühnenschau), Bohemia 19. 5. 1876, S. 4; O.T. [Oskar Teuber?]: „Im Neustädter Theater stellte sich gestern Abend ein lieber alter Bekannter ein“, Bohemia 27. 7. 1882, S. 6; anon.: Theaternachrichten, Bohemia 29. 7. 1882, S. 6, 8 ff.: („Dorf und Stadt“), Bohemia 23. 12. 1885, S. 3. –  C[arl] T[obisch].: Deutsches Landestheater. („Dorf und Stadt“), Prager Tagblatt 23. 12. 1885, S. 6 f; C. T.: Deutsches Landestheater. („Ein Wintermärchen“.), Prager Tagblatt 5. 1. 1886, S. 9 f; A. B..r.: Neues deutsches Theater. (Zum ersten Male: „Ein Volksfeind“, Schauspiel in fünf Aufzügen von H. Ibsen.), Prager Tagblatt 24. 10. 1890, S. 7 f; F[riedrich].A[dler].: Deutsches Landesthater. („Die Räuber“), Prager Tagblatt 3. 1. 1894, S. 8; anon.: Eichenwalds Abschied, Prager Tagblatt 2. 6. 1895, S. 9 f.

Nachrufe

Wilhelm Eichenwald †, Bohemia 10. 6. 1910, S. 3; anon.: „Dresden, 10. Juni. Wilhelm Eichenwald“, Reichenberger Zeitung 11. 6. 1910, S. 11, Frühausgabe.

Literatur

Almanach des Königl. Landes-Theaters zu Prag für das Jahr 1863–1876, 1885–1895O. Teuber: Geschichte des Prager Theaters III. Prag 1888, S. 523 (Angabe des Jahres 1833 als Geburtsjahr), 525, 527, 564, 565, 588, 590, 595, 604 621, 623, 624, 627, 628, 629, 641, 646, 652, 666, 669, 670, 783 (Gastauftritte), 810, 816, 847. Fest-Blatt zur Eröffnung des neuen deutschen Theaters in Prag am 5. Januar1888, Prag 1888, S. 12, 14.R. Rosenheim: Die Geschichte der deutschen Bühnen in Prag, Prag 1938, S. 49, 82, 87, 114, 117, 118Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Böhmen, Wien 1896, S. 178.J. Schiebl: České divadlo v Plzni, Pilsen 1902, S. 52.

Eisenberg, Kosch Th (mit fehlerhaften Angaben zum Engagement), ODS, Ulrich


Bildung: 30. 11.2012

Autor: Pinkerová, HelenaLudvová, Jitka