Dietz, Carl

Carl Dietz (Quelle: Staatliches Gebietsarchiv Prag)
Carl
Dietz
1804
Magdeburg (DE)
7. 9. 1865
Prag (CZ)
Schauspieler

Langjähriges Mitglied des Prager deutschen Theaters (1834–64), Darsteller von Helden, Bonvivants und später komischer Gestalten, Chargen und Charakterrollen. Schauspieler mit einem allseitigen Talent, der in einem unterschiedlichen Repertoire gut eingesetzt werden konnte.  

Mit vollem Namen Carl Friedrich Dietz. Er wurde in Magdeburg in der Familie eines Schuhmachermeisters geboren, Bildung erlangte e ran der Handelsschule. Er sollte sich dem Handel widmen, doch er ging zu fahrenden Gesellschaften. Ende der 20-er Jahre trat er ein Engagement beim Ensemble des Landständisches Theaters in Linz an und ging 1833 ans Städtische Theater in Graz. Auf Empfehlung des Schauspielers L. Löwe engagierte D. 1834 der Direktor des Prager Ständetheaters J. A. Stöger als Ersatz für den populären H. Moritz, der Prag plötzlich verlassen hatte. D. blieb hier dreißig Jahre lang engagiert, al soft besetzter und beliebter Schauspieler erlebte er vier Direktoren – J. A. Stöger, J. Hoffmann, F. Thomé und R. Wirsing. Ab 1846 trat er auch in tschechischen Vorstellungen auf. Kurz vor seinem Pensionseintritt kam es zur Trennung des tschechischen und des deutschen Ensembles, als der Betrieb des Interimtheaters aufgenommen wurde (1862). Zum 1. 4. 1864 beendete er seine Karriere und lebte in Krč bei Prag. Mit einundsechzig Jahren erlag er der Tuberkulose, beerdigt wurde er in Anwesenheit seiner Schauspielerkollegen auf dem Friedhof an der St.-Pankratius-Kirche in Prag-Nusle.
Seine Frau Karolina, geb. Heil (1804–?), stammte aus Mannheim und war Schauspielerin. Mit D. absolvierte sie ein Engagement in Linz und in Graz, wo sie Mütterrollen spielte. Nach dem Weggang der Familie nach Prag gab sie offensichtlich ihren Schauspielerberuf auf. Ihr Sohn Josef Dietz (1829–1909) war Schauspieler und Theaterpädagoge, in Prag betrieb er eine Theaterschule für Personen beiderlei Geschlechts. Seine Tochter Anna (1835–1926) war auch Schauspielerin, 1853–58 wirkte sie im Ständetheater.

Am Prager Theater wurde D. für Rollen erster Liebhaber engagiert, er spielte auch Helden, Bonvivants oder Aristokraten und erweiterte sein Repertoire schrittweise und feine komische Rollen, Chargen (Figuren von Dienern, Handwerkern, Ärzten) und später um Charakterrollen. Liebhaber spielte er fast bis zum Ende seiner Karriere, dazu berechtigte ihn sein faszinierendes jugendliches Äußeres, das er sich bis in reifere Jahre erhielt. D. war von schlanker Gestalt, hatte regelmäßige Züge, und in seinem Gesicht widerspiegelte sich in ruhigen Momenten gutmütige Fröhlichkeit. Er verfügte über eine starke Stimme, was es ihm ermöglichte, auch stimmlich anspruchsvolle Rollen darzustellen. Zu seinen schauspielerischen Vorzügen gehörten ein sehr gutes Niveau der Bühnensprache (anfangs wurde er kritisiert, weil er Wörter verschlucke), ein Gefühl zur Charakterisierung von Gestalten und Genauigkeit bei der Veranschaulichung vielfältiger Charaktere und Naturelle in Komödien und Konversationsstücken. Um den Charakter von Intriganten oder Manipulatoren (Jago in Othello, Marinelli in Emilia Galotti) besser zum Ausdruck bringen zu können, wies D. eine gewisse Zurückhaltung und ein Mangel an Temperament auf, was auch seiner sparsamen Bewegung über die Bühne anzusehen war.
Er wurde in Shakespeare-Komödien (Lysandr, Ein Sommernachtstraum; Benedict, Viel Lärm um Nichts) und Tragödien (Marcus Antonius, Julius Caesar, Jago Othello) besetzt. In Schillers Schauspielen stieg er vom Ferdinand (Kabale und Liebe) und Don Carlos zu Figuren wie Max Piccolomini und Terzky aus der Wallenstein-Trilogie auf, er spielte Kosinsky und Roller in den Räubern. In Lessings Emilia Galotti stellte er die Adeligen Gonzaga und Appiani und den Intriganten Marinelli dar. Er tauchte auch in Dramen von Kleist, Iffland, Kotzebue, Nestroy oder Raupach auf, speilte die Titelfiguren in historischen Stücken von H. Laube (Graf Essex), F. Grillparzer (Der Traum ein Leben) oder C. E. Ebert (Czestmir). Vereinzelt wurde er auch in Wiener Märchen-Zauber-Stücken und Singspielen besetzt. Anlässlich der 150. Reprise von Webers Oper Der Freischütz stellte er 1846 die Figur des Komponisten in dem Festspiel mit lebendigen Bildern aus Webers Werk dar (H. Brackel: Festspiel zum Andenken C. M. v. Webers).

Er bekleidete den Posten des Beisitzers des Pensioninstituts des Ständetheaters. Er war eine geachtete und anerkannte Persönlichkeit des Theaters und des gesellschaftlichen Lebens. Die Prager schätzten ihn wegen seiner Diensttreue, seiner geordneten Lebensart und seines bescheidenen und höflichen öffentlichen Auftretens.

Rollen

Ständetheater Prag (Stavovské divadlo Praha)

Advokat Dorval (J. Franul Weißenthurn: Die Geprüften), Hanns Sachs, Schuster und Meistersänger (J. L. Deinhardstein: Hanns Sachs), Adolph, Baron von Zimburg (E. Bauernfeld: Die Bekenntnisse), Julius, Graf von Bannwitz (E. Bauernfeld: Helene), Antonio Allegri, Maler (A. Oehlenschläger: Corregio), Max Piccolomini, Obrist eines Cürrassieregiments (F. Schiller: Wallenstein), Kosinsky (F. Schiller: Die Räuber), Heinrich Frondham, Dichter (J. L. Deinhardstein: Garrick in Bristol), Doktor Busch (A. W. Kotzebue: Das Epigramm), Herr von Lustig (J. N. Nestroy: Der böse Geist Lumpacivagabundus), Don Carlos, der Kronprinz (F. Schiller: Don Carlos, Infant von Spanien), Graf Adolph von Klingsberg (A. W. Kotzebue: Die beiden Klingsberg) – 1834; Baron Fels, Jägerhauptmann (E. Bauernfeld: Das Liebesprotokol), Milosch (C. E. Ebert: Czestmir), Rustan (F. Grillparzer: Der Traum ein Leben), Don Cäsar, Prinz von Urgel (C. A. West [J. Schreyvogel]: Donna Diana oder Stolz und Liebe), Romeo, Montagues Sohn (W. Shakespeare: Romeo und Julia), Friedrich Wetter, Graf von Strahl (F. Holbein nach H. Kleist: Das Käthchen von Heilbronn), Friedrich von Bury, Offizier im schwedischen Heere (T. Hell: Christine, Königin von Schweden), Der Fürst (A. W. Iffland: Elise Valberg), Heinrich, Jäger (J. N. Nestroy: Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack), Graf von Kronenburg (H. F. Möller: Graf von Waltron oder Die Subordination), Sekretär Dallner (A. W. Iffland: Die Dienstpflicht), Ludwig Freihardt, Legazionsrat (E. Raupach: Auch die Toten quälen den Eifersüchtigen), Adolph (J. N. Nestroy, Musik von A. Müller: Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glückes) – 1835; Baron von Rentheim (H. Clauren [C. G. S. Heun]: Das Alpenröslein, das Patent und der Shawl), Karl Schilf, ein armer Fischer (F. Raimund, M. J. Drechsler: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär), August Dorn, ein junge Maler (F. Raimund, Musik von A. Müller: Der Alpenkönig und der Menschenfeind), Arnold von Melchthal (F. Schiller: Wilhelm Tell), Percival von Wales (F. Halm: Griseldis), Burgognino (F. Schiller: Fiesco), Graziano (W. Shakespeare, Übers. A. W. Schlegel: Der Kaufmann von Venedig), Cassio (W. Shakespeare, Übers. J. H. Voß: Othello), Konrad (E. Raupach: Müller und sein Kind), Adolph, Herrmann (C. Töpfer nach J. W. Goethe: Herrmann und Dorothea), Don Alonso Mantequilla (H. Clauren [C. G. S. Heun]: Der Bräutigam aus Mexiko), Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla (G. E. Lessing: Emilie Galotti), Anton, Förster zu Weißenberg (A. W. Iffland: Die Jäger), Louis (C. Töpfer: Der Pariser Taugenichts), Lionel (F. Schiller: Die Jungfrau von Orleans), Traugott, ein Schustergeselle (A. W. Kotzebue: Der Bruderzwist) – 1836; Der jüngere von Wildenberg, Gerichtsreferendar (E. Leutner: Der Brandstifter oder Die Geschwister), Mortimer (F. Schiller: Maria Stuart), Emil Linden, ein Maler (A. Albini: Der General Hof Schneider) – 1837; Peter Paul Rubens (Ch. Birch-Pfeiffer: Rubens in Madrid), Williams, Felix (J. N. Nestroy: Das Haus der Temperamente), Hauptmann Wiese (E. Bauernfeld: Das Tagebuch), Armand Melnotte, Gärtner (O. Czarnowsky nach E. Bulwer-Lytton: Die Dame von Lyon oder Lieb[e] und Stolz), Friedrich (J. F. H. Brockmann nach R. Cumberland: Der Jude), Roller (F. Schiller: Die Räuber), Julius (A. W. Kotzebue: Der arme Poet), Ferdinand, Major (F. Schiller: Kabale und Liebe), Siegfried, Königssohn aus Niederland (E. Raupach: Der Nibelungen Hort) – 1838; Werner (K. Gutzkow: Werner) – 1840; Eduard, Amtsadjunkt (F. Kaiser, M. A. Müller: Wer wird Amtmann oder Die Werbung), Baron von Heeren (C. Töpfer: Zurücksetzung) – 1841; Holm (K. Gutzkow: Ein weißes Blatt), Ein Narr (J. L. Deinhardstein nach W. Shakespeare: Viola), Emmeric d´Albert, ein junger Tonsetzer (T. Hell nach E. Scribe: Fesseln), Graf Julius von Sendheim (C. Blum: Schwärmerei nach der Mode), Don Manuel (F. Schiller: Die Braut von Messina) – 1842; Wolfgang (A. Bäuerle: Rococo), Baron Palm (L. Angely: List und Phlegma), Bastelmeier, Handlungsreisende (R. Benedix: Der Steckbrief), Pierrot, Savoyarder (W. Friedrich nach G. Lemoin: Muttersegen oder Die neue Fanchon) – 1843, Richard Savage (K. Gutzkow: Richard Savage), Lieutenant August von Zonau, August Seidler (F. Holbein: Der Doppelgänger), Isidor, ein Maler (E. Raupach: Isidor und Olga), Wilhelm, Schuster (J. Plöss: Der verwunschene Prinz) – 1844, Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen (R. E. Pruß: Moritz von Sachsen), Heinrich Bock, Gärtner (A. Müllner: Die Vertrauten), Graf Richmond (W. Shakespeare, Übers. A. W. Schlegel, überarb. F. Förster: König Richard der Dritte) – 1845; Lysander (W. Shakespeare, bearb. A. W. Schlegel, M. F. Mendelsohn-Bartholdy: Ein Sommernachtstraum), Marcus Antonius (W. Shakespeare, bearb. A. W. Schlegel: Julius Caesar) – 1846; Reinhard, ein Maler (Ch. Birch Pfeiffer nach B. Auerbach: Dorf und Stadt) – 1848; Benedict (W. Shakespeare, bearb. K. Holtei: Viel Lärm um Nichts– 1852; Friedel (Ch. Birch-Pfeiffer: Rose und Röschen), Lord Rowland Rochester (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Waise aus Lowood), Ruben (S. H. Mosenthal: Deborah), Carl VII., König von Frankreich (F. Schiller: Die Jungfrau von Orleans) – 1854; Der Chevalier Fedor v. St. Erval (K. Holtei: Lorbeerbaum und Bettelstab oder Drei Winter eines deutschen Dichters), Don Alonzo, Infant (A. C. Wollhelim nach dem franz. Orig.: Der Dämon der Nacht), Lorenz Kindlein (A. W. Kotzebue: Der arme Poet), Eduard, Staatsanwalt (W. Floto, K. Koechy: Das Haus Holberg) – 1855; Rosenfeld, Rentier (L. H. Herrmann: Ein Silbergroschen), Gottlieb (W. Vogel: Ein Hausbillet Friedrich der Größen oder Incognitos Verlegenheiten), Hirsch (J. F. H. Brockmann nach R. Cumberland: Der Jude), Chevalier von Chazeuil (H. Graus nach E. Scribe und E. Legou: Adrienne Lecouvreur), Graf Essex (H. Laube: Graf Essex), Herkules Dubouloy, Sohn eines General Pächters (C. W. Koch nach A. Dumas d. Ä.: Die Fräulerin von Saint Cyr) – 1856; Buyck, Soldat unter Egmont (J. W. Goethe: Egmont), Advocat Franval (A. W. Kotzebue nach J. N. Bouilly: Der Taubstumme oder Der Abbé l´Epée), Poius (W. Shakespeare, Übers. A. W. Schlegel, L. Tieck: König Heinrich IV.), Herzog von York (W. Shakespeare, Übers. A. W. Schlegel: König Richard III.), Alphonse Palm, Baumeister (R. Benedix: Die Eifersüchtigen), Gustav von Darvil, Gutbesitzer (J. Lederer: Die weiblichen Studenten oder Überwundener Standpunkt), Der Fürst, General und Statthalter einer Provinz (J. Franul Weißenthurn: Pauline) – 1858; Marinelli (G. E. Lessing: Emilia Galotti), Jacques Molinet (G. Frank: Der Paletot eines Diplomaten), Squenz, ein Zimmermann/Prolog (W. Shakespeare, Bearb. A. W. Schlegel, W. Tieck, M. F. Mendelsohn-Bartholdy: Ein Sommernachtstraum), Valentin (J. W. Goethe, Musik von P. Lindpaintner: Faust) – 1859; Graf Terzky, Wallenstein´s Schwager (F. Schiller: Wallenstein) – 1860.                          

Quellen

AHMP: Liste der Prager Bevölkerung 1830–1910 (1920), Nr. 283, Schachtel Nr. 44 (Dietz´ Familie; Frau Karolina, Sohn Joseph, Tochter Anna).

AHMP: Pfarrkirche Mutter Gottes vor dem Tein, Geburtenmatrikel 1829–1837, Sig. TÝN N14,1829–1837 (Geburt von D.s Tochter Anna).

AHMP: Kirche Mariä Geburt, Sterbematrikel 1858–1875, Sig. MCH Z34, 1875 (D.s Ableben). 

NA Prag: Polizeidirektion I, Konskription, Kart. 87, Abb. 993 (K. Dietz und Familie).

NMd: Zettel des Ständetheaters aus den Jahren 1834–1864. 

NMd: Verträge der Angestellten des Ständetheaters 1831–1852, Sig. Nr. 1240 (D.s Verträge mit dem Ständetheater aus den Jahren 1834, 1839 und 1846).

SOA Prag: Fonds Großgut Křivoklát, Inv.-Nr. 4068_22 (Fotografie).

Literatur

Österreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune (Linz) 30. 1. 1829 (D.s Engagement in Linz), 5. 12. 1833; Wiener Theater Zeitung (Wien) 31. 3. 1831, 18. 7. 1832, 2. 10. 1833 (Engagement des Ehepaars D. in Linz); Grazer Zeitung 13. 4. 1833 (Engagement des Ehepaars D. in Graz, einschl. Genreeingliederung), 1. 6. 1833, 14. 12. 1833, 31. 12. 1833, 1. 3. 1834, Bohemia, ein Unterhaltungsblatt (Prag) 7. 1. 1844, 28. 11. 1845, 30. 11. 1845; Bohemia (Prag), 27. 9. 1846, 9. 2. 1847, 12. 12. 1852, 7. 4. 1858, 8. 6. 1858, 23. 2. 1864, 24. 2. 1864 (D.s Weggang aus dem Ständetheater, Schauspielerporträt und biografisches Porträt); Almanach für Freunde der Schauspielkunst [2] (Berlin) 1854, S. 316, 1855 [2], S. 295, 1856 [2], S. 330, 1857 [2], S. 294, 1858 [2], S. 314, 1859 [2], S. 329–331, 1860 [2], S. 330, 335, 1861 [2], S. 241, 243, 1862 [2], S. 297, 1863 [2], S. 277, 1864 [2], S. 238; Prager Tagblatt (Prag) 2. 4. 1889 (Eröffnung der Schauspielschule in Prag durch D.s Sohn Josef), 12. 2. 1926 (Ableben von D.s Tochter Anna) ● Nachruf: Bohemia (Prag) 8. 9. 1865 ● O. Teuber: Geschichte des Prager Theaters III., Wien 1888, S. 199, 202, 206, 224–225, 230–231, 235–237, 308, 329, 351, 361, 364–365, 368, 371, 411, 425, 428, 480, 487, 494–495, 500, 504,  511, 527–528, 565, 868. 

Eisenberg, Kosch Th, Ulrich


Bildung: 2021

Autor: Hanoušek, Martin