Claar, Emil

Emil Claar, Karikatur. https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Claar#/media/File:Emil_Claar2.jpg
Emil
Claar
7. 10. 1843
Lemberg (Lviv, UA)
25. 7. 1930
Frankfurt am Main (D)
Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor, Literat

Unter Direktor Rudolf Wirsing 1872 engagiert als Regisseur des Ständetheaters in Prag. Bereicherte das Repertoire der Bühne dramaturgisch (u. a. durch Operetten und das leichtere Genre) und kümmerte sich mit mehr Einfallsreichtum um Regie und Ausstattung (bedeutende Inszenierungen z. B. Grillparzer Die Jüdin von Toledo (1872), Björnson: Ein Fallissement (1875).  Favorisierter Kandidat für die Stelle des Theaterdirektors, doch ohne Erfolg (ausgewählt wurde Eduard Kreibig, 1875). 1876 ging er von Prag nach Berlin. 1879  Generalintendant des Schauspiels und der Oper in Frankfurt a. M. Er gehörte zu den angesehensten deutschen Theatermachern. Seine Frau war die Schauspielerin Hermine Claar, geb. Delia (Heirat 1871).

Eigentlicher Name Rappaport, Sohn des Anwalts Moritz Claar. Er war für das Studium der Medizin prädestiniert, dieses führte ihn nach Wien, doch auf Wunsch seiner Eltern wechselte er zum Händlerstand. In Wien begann sein Interesse an Theater und Schauspiel. Seine erste Schauspielerfahrung erlangte er mit siebzehn Jahren auf der Bühne des Hoftheaters, auf Einladung von Direktor Heinrich Laube (C. trat unter dem Pseudonym Emil Ralk in der Rolle des Dieners auf, Dumas jr.: Vater und Sohn, 1860). Seine Ausbildung absolvierte er bei Schauspielern der Wiener Hofbühne (Ludwig Löwe, Josef Lewinsky) und nahm nach ersten Erfolgen größere Rollen in Graz, Linz und Innsbruck an. Die positiven Reaktionen brachten ihn zu der Entscheidung, keinen kaufmännischen Beruf zu ergreifen und das Theater als seine Lebensbahn zu erwählen. Im Jahre 1863 zog er die Aufmerksamkeit auf sich, als er neben Hermann Hendrichs im Theater an der Wien ein Gastspiel gab. Er erhielt ein Engagement am Hoftheater in Berlin. Ein paar Monate später ging er ans Städtische Theater Leipzig, das von Theodor von Witte (Oper) und Heinrich Laube (Schauspiel) geleitet wurde, dort blieb er fast sechs Jahre. Er wurde insbesondere bei Rollen von Laffen, Bonvivants und komischen Charakterrollen besetzt. Er lernte auch die Arbeit des Dramaturgen kennen, die damals im Theaterbetrieb neu war und deren Bedeutung Laube stark betonte, ebenso die des Regisseurs. 1870 ging er von Leipzig aus als Schauspieler und Regisseur  ans Weimarer Hoftheater. Sein dortiges zweijähriges Wirken stand ganz im Zeichen eines intensiven Studiums des klassischen Repertoires, zu dem er später zurückkehrte. Hier lernte er seine spätere Frau Hermine Delia, kennen, die Helden- und Frauengestalten in zeitgenösischen Salonstücken spielte. Am 20. 11. 1871 heirateten die beiden in Leipzig.

Im Frühjahr 1872 nahm das Ehepaar die Einladung von Direktor Rudolf Wirsing für ein Engagement am Ständetheater in Prag an, das ab der Saison 1872/73 galt (Hermine als Schauspielerin, C. als Regisseur). Nach Prag kamen sie bereits im Juli für einige Gastvorstellungen, in denen sich beide sehr gut präsentierten. C. erhielt wenig später eine herausragende Stellung; er wurde Oberregisseur, gleichzeitig war er als Regisseur für alle Schauspielgenres zuständig und machte auch als Dramatiker von sich reden (im Jahre 1873 brachte er seine eigenen Texte auf die Bühne) und trat gelegentlich als Schauspieler in kleineren Rollen auf. Als im letzten Jahr des Bestehens des Vertrags von Direktor Wirsing (zu Ostern 1875) ein öffentlicher Wettbewerb bezüglich der Pacht des Ständetheaters ausgeschrieben wurde, meldete sich C. zusammen mit acht weiteren Bewerbern. Vom Publikum, den Prager Vereinen und der Presse wurde er favorisiert, weil er ein persönliches Verdienst an der sichtbaren Hebung des Niveaus des Theaters hatte, doch der Prager Landesausschuss entschloss sich am 25. 3. 1875, als neuen Direktor Eduard Kreibig, den bisherigen Mieter des Landestheaters in Graz, auszuwählen. Das Ehepaar C. wollte Prag sogleich verlassen, sie gaben ihre Absicht öffentlich bekannt, und das Publikum und die Vereine verabschiedeten sich von ihnen bei der angenommenen letzten Vorstellung mit Blumen, Kränzen und Ansprachen (Shakespeare: Ein Wintermärchen, 28. 3. 1875, Prem.). Direktor Wirsing bestand jedoch auf dem unterzeichneten Vertrag, der das Ende des Engagements erst für Ostern 1876 vorsah, und C. war gezwungen, sich dem zu beugen.

Im Jahre 1872, als C. zusammen mit seiner Frau das Engagement in Prag antrat, durchlief das Ständetheater eine Krise, die auf die Gründung des tschechischen Interimstheater 1862 folgte, nachdem das tschechische Ensemble und mit ihm auch ein bedeutender Teil des tschechischen Publikums weggegangen war. Die deutschen Direktoren, die nun für die zahlenmäßig schwache Prager deutsche Minderheit spielten, versuchten, die schwierige Situation zu lösen, indem sie Operetten und leichtes Repertoire auf den Spielplan setzten. C. kam mit Erfahrungen von großen deutschen Bühnen, änderte mit energischen Schritten die Ausrichtung der Dramaturgie und perfektionierte die Regie. Schon seine erste Prager Arbeit (Laube – Schiller: Demetrius, 5. 10. 1872) zog die außerordentliche Aufmerksamkeit der Kritik auf sich, es folgte eine lange Rezension (Stephan Heller, Bohemia 8. 10.), die die einfallsreiche Regie und Ausstattung lobte. Hervorragendes Niveau hatte auch die Uraufführung von Grillparzers Drama Die Jüdin von Toledo (21. 11. 1872, Ständetheater, Rachel – Emma von Jakubowska, Prem. in Wien erst am 21. 1. 1873). Die Prager Premiere von Björnsons Stück Ein Fallissement kommentierte Alfred Klaar in zwei Nummern der Bohemia in mehreren Spalten und hob C.s Leistung als Regisseur und Schauspieler in einer der Hauptrollen hervor. Zu seiner Regie nahm C. in der Regel irgendeine kleine Rolle hinzu (einschließlich Statistenrollen), um während aller Vorstellungen die Kontrolle über deren Verlauf nicht zu verlieren.

Lässt man C.s Einakter zu Silvester um Mitternacht außer Acht (1873), führte C. 1873 im Ständetheater zwei eigene Lustspieltexte auf, bei denen seine Frau die Hauptrollen spielte. Dank den herausragenden schauspielerischen Leistungen und der Regie wurde der Einakter Samson und Delila sehr positiv aufgenommen. Der einfache Plot handelt von einer Haarsträhne, die ein Mädchen seinem platonischen Verehrer gewidmet hat, als dieser das Land verließ und die dieser gewissenhafte Mann anlässlich seiner Heirat seiner einstigen (nun auch schon verheirateten) Freundin zurückschickt. Weniger Erfolg hatte der Einakter Auf den Knien. Versuche, beide Stücke in anderen Theatern zu inszenieren, und auch C.s spätere dramatische Versuchen stießen auf kein größeres Echo.

Von Prag aus ging C. ans Berliner Residenztheater (1876–1879), wo er vor allem Konversations- und Salonstücke studierte. 1879 wurde er Generalintendant der Oper und des Schauspiels in den Vereinigten Stadttheatern in Frankfurt a. M. Im Jahre 1880 wurde hier ein neues Opernhaus eröffnet (Mozart: Don Giovanni), 1900 dann eine neue Schauspielbühne. Ab diesem Jahr leitete C. nur das Schauspiel. Er schuf anerkannte Inszenierungen anspruchsvollen Repertoires des gesamten 19. Jahrhunderts, insbesondere von Werken der neuen Generation von Naturalisten (Ibsen, Strindberg, Hartmann). Die Frankfurter Bühne gehörte zu den renommierten deutschen Theatern. Die Prager Presse (die deutsche und die tschechische) beobachtete ihn auch weiterhin und brachte Informationen zu seiner Arbeit. Nach 1912 zog sich C. ins Private zurück und schrieb Memoiren. Er war Träger offizieller Auszeichnungen für Kunst und Wissenschaft.

Theatralia (C.s eigene Texte)

Simson und Delila, Lustspiel (1869, Prag, Ständetheater 15. 3. 1873); Ein Sylvesterabend, Lustspiel in 1 Aufzug (Prag, Ständetheater 8. 1. 1873); Auf den KnienLustspiel (Prag, Ständetheater 26. 4. 1873); Shelley. Trauerspiel in 5 Aufzügen, Ausg. Wien 1876; Die Schwestern (1892?); Das Königleid (Drama, Ausg. 1895). – Fünfzig Jahre Theater. Bilder aus meinem Leben [Memoiren]Frankfurt a. M. 1926.

Regie in Prag (Auswahl)

1872: 4. 7.  Benedix: Störenfried; 5. 10. Laube [Schiller]: Demetrius, Tragödie, mit Benützung des Schiller’schen Fragments bis zur Verwandlung im 2. Aufzüge; 28. 10. R. Kneisel: Tochter Belial’s, Lustspiel;21. 11. Grillparzer: Die Jüdin von Toledo, UA; 7. 12. P. Lindau: Maria und Magdalena; 12. 12. A. Wilbrandt: Die MalerLustspiel. – 1873: 15. 1. Grillparzer: Der Bruderzwist in Habsburg; 17. 2. Shakespeare: Coriolan; 29. 3. Shakespeare: Die lustigen Weiber in Windsor. – 1874: 25. 4. [? nach Dumas]: Das Weib des Claudius. – 1875: 15. 1. Grillparzer: Des Meeres und der Liebe Wellen, 11. 2. Libretto E. H. von S. – Musik Otto Prechtler: Diana von Solange (große Oper), 28. 3. Shakespeare: Ein Wintermärchen, Übersetzung Dingelstedt, Musik Flotow;  27. 11. (Bjørnsen: Fallisement). – 1876: 9. 1. Shakespeare: König Richard der zweite (Regie), 17. 2. Th. Barrière: Der neueste Scandal. 

Rollen in Prag (Auswahl)

Schummerich (Benedix: Die zärtlichen Verwandten); Advokat Berend (Bjørnsen: Ein Fallisement); Klosterbruder (Lessing: Nathan der Weise);  Goethe: Clavigo (Rolle des Carlos, eine Vorstellung).

Quellen

Nationalarchiv, Polizeidirektion I. Konskription, Karton 267, Abb. 413, hier sind das Geburtsjahr 1842, das Datum und der Ort der Eheschließung und das Datum des Weggangs nach Berlin 1. 3. 1876 angeführt. 

Periodika

Deutscher Bühnenalmanach, Bd. 28, 1864, S. 4 (Königl. Schauspiel Berlin), Bd. 29, 1865, S. 179 [Leipzig], Bd. 35, 1871 (Weimar). –  BohemiaDeutsche Zeitung Bohemia 1872 – 1915 (Jüdin von Toledo 22. und 24. 11. 1872 Beilage, 30. 3. 1875, S. 2–3 (Berichte über den Weggang C.s aus dem Prager Engagement). – Národní listyNárodní listy, 6. 1. 1875, 27. 7. 1930, Jg. 70, Nr. 204, S. 2 (Bericht über C.s Tod). – Posel z Prahy, 1875–1876 (6. 1. 1875, Nr. 4, S. 2, Berichte über die Bewerber um die Anmietung des deutschen Theaters, 27. 3. 1875, Berichte über den Weggang C.s aus dem Prager Engagement, 2. 4. 1875 Berichte über den Weggang C.s aus dem Prager Engagement.

Literatur zum Prager Zeitraum

Teuber III, s. 585, 606, 615, 616, 624, 674, 708, 724.

Eisenberg, Kosch, ODS, Oppenheim, Ulrich, Wininger


Bildung: 31. 7. 2013

Autor: Pavlišová, JitkaLudvová, Jitka