Anton
Balvansky
1815
?
27. 1. 1881
Wien (A)
Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor

Langjähriger Schauspieler und Direktor des Stadttheaters in Brünn, später Direktor des Theaters in Graz und Schauspieler in mehreren österreichischen Theatern. Seine fast fünfzig Jahre dauernde künstlerische Laufbahn beschloss er als Garderobier der Wiener Hofoper.

Geschrieben auch Balwansky oder Balvánsky; über seine Herkunft und seinen Geburtsort ist nichts bekannt. Ehe er sich dem Theater zu widmen begann, arbeitete er als Fleischer. Mit sechzehn Jahren spielte er kleine Rollen in der Wiener Hofoper, 1835–38 trat er in Graz auf und gab gelegentlich Gastspiele in anderen Theatern (1837 trat er im Ständetheater in Prag auf). Ab 1838 wirkte er im Theater in Olmütz und heiratete eine Tochter des dortigen Direktors K. F. Burghauser. 1841 ging er nach Laibach und wurde ein Jahr später von Direktor J. Glöggl als Regisseur und Schauspieler am Brünner Stadttheater engagiert, 1846 wurde er zum Oberregisseur des Schauspiels engagiert. 1849–55 leitete er das Theater in Brünn, im letzten Jahr zusammen mit seinem Schwiegervater Burghauser. Vor Ostern 1855 ging B. nach Graz, er leitete neun Jahre lang das dortige Theater. In der Saison 1865/66 stand er an der Spitze des Stadttheaters in Marburg, kurz darauf tauchte er als Oberregisseur im Wiener Thalia Theater auf. Im Frühjahr 1866 übernahm er die Leitung des Theaters in Klagenfurt, doch er blieb nur eine Saison, 1867–68 spielte er am Wiener Theater in der Josephstadt und führte dort auch Regie. Er sollte am Burgtheater engagiert werden, doch aufgrund der personellen Veränderungen, wo H. Laube künstlerischer Leiter des Theaters wurde, kam es nicht dazu. 1868–81 arbeitete er als Garderoben-Inspector an der Wiener Hofoper. Er starb in der Nacht vom 27. auf den 28.1.1881 in Wien.
B.s Frau war Schauspielerin, nach 1840 zog sie sich aus dem öffentlichen Leben zurück (Ihr Name und Lebensdaten sind nicht bekannt). Auch sein Sohn Ernst Balvansky spielte ab seiner Kindheit; er trat zusammen mit seinem Vater im Schauspielensemble bei J. Glöggl in Brünn auf, 1852 war er hier Inspizient und Bibliothekar, später übernahm er gelegentlich kleine Rollen und sang im Chor mit. 1856–86 war er Inspizient in Graz.

B. verbrachte fast fünfzig Jahre am Theater. Zuerst wurde er bei Rollen von Liebhabern und Bonvivants eingesetzt, später spielte er auch Helden – gelobt wurde er insbesondere für die Darstellung von Schillers Don Carlos. In Olmütz trat er u. a. in der tschechischen Inszenierung des Stücks von V. K. Klicpera Kouzelný klobouk [Der wundertätige Hut] auf, also ist anzunehmen, dass er des Tschechischen mächtig war. Als Direktor in Brünn und in Graz trat er nur selten als Schauspieler auf. Auf der Bühne erschien er erst wieder im Laufe seines Engagements am Theater in der Josephstadt, wo ihm jedoch nur kleinere Rollen anvertraut wurden. Nach sieben Jahren am Stadttheater in Brünn bewarb er sich da 1849 als Direktor. Neben Kenntnissen des Umfelds verfügte er über Bargeld in Höhe von 8.000 Gulden und den Theaterfundus seines Schwiegervaters. Wahrscheinlich aus diesen Gründen obsiegte er in der Konkurrenz erfahrener Direktoren: um die Anmietung des Theaters in Brünn bewarben sich damals der ehemalige Theaterdirektor in Linz J. Weissenhorn (Pseud. E. Neufeld), der Direktor des Theaters in Olmütz F. Blum, der Geschäftsführer des Wiener Theaters in der Josephstadt L. Feichtinger und der Tänzer F. Stökel aus Pest. B. nahm am 28.8.1849 mit der Inszenierung von Goethes Egmont in eigener Regie den Betrieb auf. Als Oberregisseur hatte er die Aufsicht über alle Vorstellungen, auch wenn er J. Conradi mit der Regie von Opern, Possen und Schauspiel betraute. Kapellmeister waren E. Angel, J. Hnojil und J. Nesvadba. Mit Nesvadba bereitete B. die Premiere der Oper Der Prophet von G. Mayerbeer (1851) vor, zum ersten Mal mit einer Harfe im Orchester. Trotz erhöhtem Eintrittsgeld war das Stück für zwanzig Reprisen ausverkauft. Zum Erfolg trug auch das hohe Gesangniveau der Mitwirkenden bei; die Bertha wurde von T. Titjens gespielt, die in dieser Rolle später in der Wiener Hofoper und im Londoner Her Majesty’s Theatre exzellierte. B. führte zahlreiche italienische Opern auf, von V. Bellini, G. Donizetti (Die FavoritinDon Sebastian), G. Rossini und G. Verdi (Rigoletto), aber auch Opern französischer Komponisten wie D. Auber (Des Teufels Antheil) oder J. F. Halévy (Der Blitz). Beim Schauspiel konzentrierte er sich vor allem auf Lustspiele und Possen; gespielt wurden der beliebte E. Scribe (Die Erzählungen der Königin von NavarraAdrienne Lecouvreur), J. Nestroy (Posse Kampl),  aber auch W. Shakespeare (Viel Lärm um Nichts), K. Gutzkow (Trauerspiel Uriel Acosta), G. Freytag (Graf WaldemarDie Journalisten) oder S. H. Mosenthal (volkstümliches Stück Sonnenwendhof). Zum Ereignis der Saison avancierte die Aufführung von Haffners Stück mit Gesang Therese Krones (1855), in dem die damals siebzehnjährige Sängerin J. Gallmeyer brillierte. Gallmayer erntete für ihre Leistung in der Rolle der legendären Therese Krones Bewunderung und wurde mit der Sängerin selbst verglichen, die am Beginn ihrer Karriere ebenfalls in Brünn gewirkt hatte. In B.s Ensemble wirkte auch der beliebte Schauspieler und Darsteller von Heldenrollen E. Schmidt, neu wurde der Charakterschauspieler R. Rusa (1851) engagiert, der mehr als drei Jahrzehnte in Brünn blieb.

Ein wichtiger Schritt in B.s Leitung war die Anhebung der Preise für Abonnements und Eintritt bei Gastspielen besonderer Künstler. Dadurch konnte er einige Spitzenschauspieler einladen und auch engagieren. Von Januar bis März gastierte hier der gebürtige Brünner K. Ulram vom Theater in Linz, in, in Halévys Oper Die Jüdin stellte sich dem Publikum der führende Tenorist der Oper in Lemberk H. Franke vor. Im Theater tauchten regelmäßig Sänger und Schauspieler aus dem Kärntnertortheater in Wien auf (1851 J. Ney, 1852 F. Ellinger, 1853 A. Ander, 1854 J. N. Beck, F. Steger), ebenso die Schauspieler F. L. H. Haase vom Ständetheater in Prag (1851) und T. Döring aus Berlin (1853). Im Herbst 1853 stellte sich der britische Schauspieler amerikanischer Herkunft, der erste afroamerikanische Darsteller tragischer Shakespeare-Gestalten, I. Aldridge (Othello, der Mohr von VenedigDer Kaufmann von Venedig) vor. Im November 1853 stellte die Tänzerin P. de Oliva im Theater spanische Nationaltänze vor. 

Im Herbst 1852 versuchte B. nach mehr als zehn Jahren, im Brünner Theater wieder regelmäßige Vorstellungen in tschechischer Sprache zu etablieren, die Direktor Thiel versuchte einzuführen. Die tschechischen Vorstellungen spielten professionelle Schauspieler und Laien jeden Sonntagnachmittag ab Oktober 1852, sie wollten den ganzen Winter lang tschechisch spielen, doch aufgrund des mangelnden Interesses scheiterte das Projekt noch im selben Jahr. Vom 9.10. bis zum 7.11.1852 führte die Gesellschaft von J. A. Prokop im Theater Tyls Stücke Paličova dcera aneb Pražská děvečka a venkovský tovaryš [Die Tochter des Brandstifters oder Das Prager Mädchen und der Geselle vom Lande], Bankrotář [Der Bankrotteur] und Paní Marjánka, matka pluku [Marianka, Mutter des Regiments], des Weiteren Deborah von F. H. Mosenthal in Tyls Übersetzung und Štěpáneks Stück Čech a Němec [Der Tscheche und der Deutsche] auf. Die tschechische Presse lobte das künstlerische Niveau von Prokops Ensemble und sprach dem Direktor Anerkennung für seine Geneigtheit gegenüber der tschechischen Sprache aus.

B.s Leitung des Brünner Theaters gilt als unternehmerisch erfolgreiche und künstlerisch durchschnittliche Zeit. Einen Teil der Saison 1854/55 hatte B. auch das Theater in Graz angemietet, wo er Brünner Künstler gastieren ließ und umgekehrt. Einige Ensemblemitglieder, u. a. der Kapellmeister J. Nesvadba, gingen aus Brünn weg und arbeiteten mit B. weiter an der Bühne in Granz zusammen. B. erhielt hier 1859 die Erlaubnis, ein Sommertheater im Garten der Villa Schosserer zu errichten. Zum Bau kam es dann jedoch leider aus finanziellen Gründen nicht. Finanzielle Probleme hatte B. dann auch in den darauffolgenden Jahren, in Graz hielt er schließlich bis 1864 aus.

B. hatte den Ruf eines energischen Direktors und Regisseurs, der es verstand, ein Publikum für zeitgenössisches Repertoire und neue Schauspieler zu gewinnen. Er setzte auf hochrangige Gäste, die er nicht selten durch großzügige Bedingungen auch engagieren konnte. Sein Vorbild waren Wiener Theater, deshalb führte er oft Opernneuheiten und populäre Konversationsstücke französischer Herkunft auf. A. Rille kritisierte jedoch B. geringe Bildung, mangelnde Flexibilität, um auf Trends zu reagieren, und die schlechte Disziplin des Schauspielensembles. Die finanziellen Schwierigkeiten, in die er während seines Wirkens in Granz geriet, hatten wahrscheinlich auch Auswirkungen auf sein weiteres Wirken; der einst gefeierte Theatermacher starb so unrühmlich als Garderobier.

Rollen

Ständisches Theater, Graz (Stavovské divadlo Štýrský Hradec)

Ludwig Born (K. Töpfer: Freien nach Vorschrift oder Wenn sie befehlen) – 1835.

Stadttheater Olmütz (Městské divadlo Olomouc)

George (L. Angely: 30 Jahre aus dem Leben eines Spielers), Enzio (E. Raupach: König Enzio), Adolph (J. Marsollier: Schloß Limburg) – 1838.

Stadttheater Brünn (Městské divadlo Brno)

[?] (L. Angely: Von Sieben die Häßlichste), [?] (K. Ch. Engel: Der kleiner Irrthum) – 1842; Holm (K. Gutzkow: Ein weißes Blatt), Oskar (S. Mandlzweig: Oskar oder ein Mann, der seine Frau betrügt) – 1843; Don Carlos (F. Schiller: Don Carlos), Maintenon (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Marquise von Billette), Galusre (O. Prechtler: Falconiere) – 1844.

Stadttheater Graz (Městské divadlo Štýrský Hradec)

Klaus (A. Langer: Das erste Kind) – 1857.

Marburger Stadttheater, Marburg (Městské divadlo v Mariboru)

[?] (S. Schlesinger: Die Gustel von Blasewitz) 1865; Remy (A. d’Ennery: Marianne, ein Weib aus dem Volke) – 1866.

Theater in der Josephstadt, Wien

Bernold, Advokat (H. Poly: Die Sünderin), Fürst Kaunitz (J. H. Mirani: Ein Lehrer zur Zeit Josef II.), Putzweg, Schuchwichsfabrikant (L. Gottsleben: Wiener Schnipfer) – 1867; Archimedes (Hermann: Die Sternenfahrt), Banquier Mar von Gisenschild (A. Langer: Der Aktiengreißler), Commissar (O. F. Berg: Ein Wiener Dienstbote), Förster Müller zu Hollendeik (F. Gerstäcker: Der Wilderer oder Eine Nacht im Walde), Graf Hiller (O. Müller: Ein verlorenes Weib), Hobelmann, Tischlermeister in Wien (J. Nestroy: Der böse Geist Lumpacivagabundus), Josef Ehrbacher (J. Feld: Eine vom schwachen Geschlecht), Kommandant der Hatschiere (Friedrich: Der Teufel oder Der blinde von Paris), Kommandeur von Boisfleuri (H. Schäffer: Mutterfegen oder Die neue Fanchon), Ritter Kilian von Drachenfels (K. F. Hensler: Die Teufelsmühle am Wienerberg) – 1868. 

Quellen

AMB: Fonds A1/22–1705, 49/40, Karton 306 (Vermietung des Stadttheaters einschließlich Saal in der Reduta und einer Wohnung an A. Balvanský 1847–1851).

Literatur

Grazer Zeitung 31. 1. 1835; Almanach für Freunde der Schauspielkunst (Berlin) 1838, S. 390, 1841, S. 434, 474; Allgemeine Theater-Chronik (Leipzig) 15. 2. 1839, 12. 6. 1840, 7. 8. 1843, 27. 4., 24. 8., 27. 12. 1846, 17. 3., 13. 5. 1853, 10. 3., 24. 11. 1854, 9. 2. 1855, 7. 11. 1857, 30. 4. 1859, 5. 5. 1860, 1. 7. 1862; Der Humorist (Wien) 23. 3., 9. 6. 1843, 24. 6. 1851, 21. 7. 1857; Brünner Theater-Almanach 1846, S. 4; 1850, S. 3; 1852, S. 3; Neuigkeiten: zugleich Fremdenblatt für allgemeiner Anzeiger für Mähren (Brünn) 24. 1., 22. 2., 21. 3. 1852; Moravský národní list (Brno) 15. 9., 13. 10., 16. 10., 20. 10., 27. 10., 3. 11., 10. 11. 1852, 7. 3. 1857; Brünner Zeitung der k. k. priv. Mähr. Lehenbank 4. 11. 1853, 18. 1. 1854, 9. 8. 1859, 24. 3. 1869; Der Zwischen-Akt (Wien) 6. 11. 1862, 25. 6., 5. 11., 22. 11., 3. 12. 1867, 31. 1., 9. 2., 22. 2., 19. 3. 1868; Marburger Zeitung amtliches Organ des Steirischen Heimatbundes 3. 1., 5. 1., 19. 1. 1866; Fremdenblatt (Wien) 15. 1., 7. 2., 7. 3. 1868; Neues Wiener Tagblatt (Tages Ausgabe) 29. 1., 5. 2., 10. 3. 1868; Mährisch-schlesischer Correspondent (Brünn) 7. 5. 1878; Tagesbote aus Mähren: neue Folge der Neuigkeiten (Brünn) 9. 8., 30. 9. 1852, 15. 11. 1882; Grazer Volksblatt 18. 5. 1886 ● Ableben und Nachrufe: Brünner Zeitung 29. 1. 1881; Mährisch-schlesischer Correspondent (Brünn) 1. 2. 1881; Signale für die musikalische Welt (Leipzig) 39, 1881, Nr. 15, S. 235 ● A. Rille: Die Geschichte den Brünner Stadt-Theaters 1734–1884, Brünn 1885, S. 147–155; G. Bondi: Geschichte des Brünner deutschen Theaters 16001925, Brünn 1924, S. 15–16; D. J. Buch: Surviving Sources of Eighteenth-century Singspiel from Pragues´s German Theater, in Deutschsprachiges Theater in Prag: Begegnungen der Sprachen und Kulturen, eds. A. Jakubcová – J. Ludvová – V. Maidl, Praha 2001, S. 384; J. Kopecký – L. Křupková: Německá operní scéna v Olomouci [Die deutsche Opernbühne in Olmütz], Olomouc 2012, S. 57, 70, 81, 93.

HD, Lexikon zur deutschen Musik I (in: Brünn), Eisenberg, Ulrich; Wurmová, Zatloukalová


Bildung: 2019

Autor: Škrobánková, Klára