Remosani, Thusnelda

Schauspielerin Thusnelda Remosani. Quelle: Bayerische Staatsbibliothek: Porträt- und Ansichtensammlung, Bildnummer port-013145. https://bildarchiv.bsb-muenchen.de/metaopac/search?id=bildarchiv21012&View=bildarchiv
Thusnelda
Remosani
1838 o. 1839
1920 (?)
Schauspielerin

Talentierte, ausdrucksstarke Schauspielerin zu Beginn der Ära F. Thomés, tätig in Prag 1858-60. Berühmt wurde sie durch ihre Rollen tragischer und sentimentaler Liebhaberinnen, aber auch durch ihren Streit mit Regisseur Thomé, den sie Ende 1860 der Diffamierung bezichtigte. 

Vollständiger Name Thusnelda Walburga Malwina Remosani, Mädchenname Schmid (auch Schmidt), nach ihrer Heirat Steinbrecht, auch der Familienname Fridl kommt vor. Den Künstlernamen Remosani verwendete sie während ihrer Schauspielkarriere 1854-63. Ihr Geburtsort ist unbekannt, sie soll die Tochter eines Strohhutmachers gewesen sein. Ihre ersten schauspielerischen Spuren hinterließ sie im Herbst 1854 am Stadttheater in Landshut, Bayern, als Gast im Ensemble von Direktorin B. Winter (u. a. als Jane Eyre in der populären Adaption von Die Waise aus Lowood von Ch. Birch-Pfeiffer). In der Spielzeit 1855/56 wurde sie am Königlichen Schlosstheater Ansbach für Rollen junger Liebhaberinnen und Heldinnen engagiert, in den beiden folgenden Spielzeiten unter der Leitung von F. Thomé am Stadttheater Riga. Als Thomé ab Ostern 1858 Direktor des Ständetheaters wurde, folgte R. ihm nach Prag. Sie trat als Selma in Mutter und Sohn auf und ab der folgenden Spielzeit konnte das Prager Publikum sie in großen Frauenrollen des klassischen deutschen Dramas erleben, darunter als Emilia Galotti in Lessings gleichnamigem Stück, als Kätchen in Kleists Kätchen von Heilbronn, als Gretchen in Goethes Faust, und sie trat häufig in den Rollen von Schillers Heldinnen auf: als Amalie in Die Räuber, Louise in Kabale und Liebe, Elisabeth von Valois in Don Carlos, aber auch Desdemona und Ophelia in den Tragödien Shakespeares. Von Bedeutung waren ihre Rollen als sentimentale Liebhaberinnen in den Stücken der beliebten Autorin Ch. Birch-Pfeiffer (Die Waise aus Lowood), gelegentlich trat sie in Hosenrollen und sporadisch in Komödien auf. Sie spielte an der Seite der beliebten Prager Schauspieler C. Hallenstein oder E. Sauer, und sie war Schauspielpartnerin der Gaststars E. Devrient oder B. Dawison. Sie brillierte in Rollen tragischer Liebende; sie spielte die Muse des Trauerspiels in der Galavorstellung zur Eröffnung des Neustädter Theaters (24. April 1859). Sie stellte ihr deklamatorisches Talent unter Beweis, indem sie bei so genannten akademischen Abenden im Ständetheater auftrat und bei Versammlungen von Künstlervereinigungen rezitierte (Arcadia). Das Publikum und die Theaterreferenten schätzten ihre zarte, mädchenhafte Schönheit und ihre melodiöse Stimme gleichermaßen. Neben meist lobenden, ja begeisterten Beurteilungen wurden ihren schauspielerischen Leistungen gelegentlich Monotonie, Künstlichkeit und eine gewisse Schablonenhaftigkeit in der Deklamation vorgeworfen.
R.s Engagement in Prag endete abrupt in der Mitte der Wintersaison 1860/61. Am Tag vor der Premiere (17. November) von G. zu Putlitz' Don Juan d'Austria wurde ihre Rolle neu besetzt, und die Schauspielerin kündigte bald darauf ihren Rückzug an, mit der Begründung, der Regisseur Thomé habe während der Proben ihre Mädchenehre beleidigt. Der öffentlich ausgetragene Streit (der Direktor beschuldigte die Schauspielerin der Nachlässigkeit, des Ungehorsams und des Ungehorsams gegen die Dienstvorschriften) konnte nicht gütlich beigelegt werden, und Ende 1859 wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet. R. verabschiedete sich von ihrem Prager Publikum mit einem Rezitations- und Konzertabend der Arcadia-Gesellschaft. Ihre Verehrer stellten ein lebensgroßes Bildnis von ihr vor ihrem Haus auf dem Platz vor dem Pulverturm auf und gaben dem Platz ihren Namen (Remosani-Platz).
Nachdem sie Prag verlassen hatte, gastierte sie am Hoftheater in Berlin, wo man ihr einen Vertrag versprach. Ein Artikel in der Zeitung Vaterland vom 21. Februar kritisierte die mechanische Art ihrer Darbietung, erinnerte an den Streit mit dem Prager Regisseur und deutete an, dass es für die Schauspielerin angesichts ihres Rufs schwierig sein würde, ein Engagement zu bekommen. Gleichzeitig zog R. über ihren Anwalt die Klage gegen Thomé zurück und war nicht in Berlin engagiert. Ab Herbst desselben Jahres hatte sie ein Engagement am Leipziger Stadttheater. Sie spielte dort zwei Spielzeiten lang und gab im Februar 1863 ihre Verlobung mit dem Kaufmann Hermann Steinbrecht bekannt, der in der Textil- und Färbereiindustrie tätig war. Mit ihrer Heirat am 24. Mai desselben Jahres beendete sie ihre Theaterkarriere. Aus der Ehe ging ein Sohn, Alexander (1864-1922), hervor, der Maler war. Nach dem Tod ihres Mannes lebte R. mit ihrem Sohn am Ammersee bei München, wo sie ein Haus in der Buzallee 26 besaß, das sie ihrem Sohn vermachte.

Der Streit R.s mit dem Direktor F. Thomé schadete der Schauspielerin (sie verlor ihr Engagement in Prag und einen vielversprechenden Vertrag in Berlin), aber nicht so sehr, dass er ihre Theaterkarriere unmöglich gemacht hätte. Der Fall zeigt, dass sich die Position von führenden Schauspielerinnen und Schauspielern allmählich veränderte: Wenn sie sich von ihren Fans ausreichend unterstützt fühlten, wagten sie es, in direkten Konflikt mit ihrem Arbeitgeber zu treten, dem sie bis dahin völlig untergeordnet waren.

Rollen

Stadttheater, Landshut

Jane Eyre (Ch. Birch-Pfeiffer: Waise aus Lowood), Louise (K. Töpfer: Der Pariser Taugenichts) – 1854.  

Ständetheater, Prag

Selma (Ch. Birch-Pfeiffer nach dem Roman Die Nachbarn von Bremer: Mutter und Sohn), Bertha (W. Jordan: Die Liebesleugner), Donna Isaura (E. Raupach: Die Schule des Lebens), Amalie (F. Schiller: Die Räuber), Siegelinde (H. Laube nach M. E. Gorostiza: Cato von Eisen), Caroline Mathilde, Prinzessin von Wales (M. Beer: Struensee), Leonore Gräfin Costa (W. Friedrich: Dornen und Lorbeer oder Das ungekannte Meisterwerk), Emilia Galotti (G. E. Lessing: Emilia Galotti), Ellen (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Lady von Worsleyhall), Prinzessin Wilhelmine (K. Gutzkow: Zopf und Schwert), Demoiselle Doris Quinault (E. Brachvogel: Narciss), Bertha von Brunneck (F. Schiller: Wilhelm Tell), Marie (J. W. Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand), Cordelia (W. Shakespeare, Übers. Voss: König Lear), Julie de Mortemar (E. L. Bulwer: Richelieu oder Die Tage der Geäfften), Sophie Wallmann (A. W. Iffland: Die Aussteuer), Bertha (F. Grillparzer: Die Ahnfrau), Prinzessin Agrasine (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Günstige), Louise (F. Schiller: Kabale und Liebe), Christoph (K. Blum: Christoph und Renata oder Die Verwaisten), Sophie Charlotte von Hannover (G. Putlitz: Das Testament des großen Kurfürsten), Pauline (J. Franul von Weißenthurn: Pauline), Wilhelmine (K. Töpfer: Die Wasserkur oder Der reiche Mann) – 1858; Mathilde von Pirreval (E. Jerrmann: Man stirbt nicht von Entzücken), Marie (O. Ludwig: Der Erbförster), Mary (W. Friedrich: Doctor Robin), Beatrice (F. Schiller: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder), Fanny (T. Gaßmann: Nur ein Herz), Donna Diana (West, nach der spanischen Vorlage: Donna Diana oder Stolz und Liebe), Marie (E. Devrient: Treue Liebe), Leonore (Ch. Birch-Pfeiffer Onkel und Nichte) – 1859; Thekla, Prinzessin von Friedland (F. Schiller: Die Piccolomini), Isolde (J. Weilen: Tristan), Miss Harriot (C. A. Görner podle franc. předlohy: Er macht eine Wasserfahrt), Anna (H. S. Mosenthal: Der Sonnwendhof), Marie Didier (H. Schmidt, nach der französischen Vorlage: Der Lumpensammler von Paris), Parthenia (F. Halm: Der Sohn der Wildnis), Luciana (C. Holthei nach Shakespeare: Die Komödie der Irrungen), Marianne (J. W. Goethe: Die Geschwister), Cäcile (A. Bahn: Tantchen Aurelia), Hernance (Ch. Birch-Pfeiffer: Ein Kind des Glücks, Benefizveranstaltung), Philippine Welser (O. Redwitz: Philippine Welser), Marie von Beaumarchais (J. W. Goethe: Clavigo), Desdemona (W. Shakespeare, Übers. H. Voss: Othello, der Mohr von Venedig), Elisabeth von Valois (F. Schiller: Don Carlos, Infant von Spanien), Cöletine von Drang (W. Friedrich nach Bayard und Vailly: Er muss auf's Land), Louise de Tessé (G. Meyern: Prinz Eugen), Agnes Behaim (O. Redwitz: Der Zunftmeister von Nüremberg), Lady Clementine Dormond (J. B. Zahlhas: Ein Tag aus dem Leben Carl Stuart's), Leonore (F. Schiller: Fiesco), Gertrud (G. Freytag: Graf Waldemar), Hernance (Ch. Birch-Pfeiffer: Das Kind des Glücks), Adrienne Lecouvreur (E. Legouvé, E. Scribe: Adrienne Lecouvreur), Rosanna (F. Halm nach Lopez de Vega Carpio: König und Bauer), Gräfin Rutland (H. Laube: Graf Essex) – 1860.

Neustädter Theater, Prag

Die Muse des Trauerspiels (E. Tauwitz: Des Hauses Weihe, Eröffnung des Neustädter Theaters, 25. April), Marguirette (O. Feuillet: Ein armer junger Mann), Gretchen (J. W. Goethe: Faust), Clara (C. Töpfer: Zurücksetzung), Olivia (H. Laube: Montrose, der schwarze Markgraf), Helena (W. Shakespeare, übersetzt von A. W. Schlegel: Ein Sommernachtstraum), Marie (übersetzt von Hermann nach der französischen Vorlage: Die Memioren des Satans), Ira (K. Klouček: Ladislaus Hunyady), Anna (E. L. Pleßner: Eine halbe Stunde Aufenthalt), Kätchen (H. Kleist: Kätchen von Heilbronn), Rickchen (Ch. Birch-Pfeiffer: Der Leiermann und sein Pflegekind), Elise (C. Töpfer: Der Pariser Tagenichts), Helene (T. Gaßmann: Fee'n-Hände), Anna, Königin von England (A. C. Cosmar nach Schreiber: Das Glass Wasser oder Ursachen und Wirtungen), Ophelia (W. Shakespeare, Übers. Schlegel: Hamlet, Prinz von Dänemark), Jane Eyre (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Waise aus Lowood), Sylva (H. Laube: Monaldeschi oder Die Abendteuer), Maria (E. Raupach: Die Fürsten Chawansky), Marie (E. Raupach: Der Müller und sein Kind), Mathilde von Langen (G. Moser: Er soll dein Herr sein), Clothe (F. Halm, h. F. Liszt: Vor hundert Jahren, Gala-Vorstellung zum 100. Geburtstag von F. Schiller, 9. November), Thekla (F. Schiller: Wallenstein, Gala-Vorstellung zum 100. Geburtstag von F. Schiller, 10. November), Rosa (Ch. Birch-Pfeiffer: Rose und Röschen), Emilia Galotti (G. E. Lessing: Emilia Galotti), Beatrice (F. Schiller: Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder), Luise (F. Schiller: Kabale und Liebe) – 1859; Elisabeth von Rochlitz (R. E. Prutz: Moritz von Sachsen) – 1860.

Schlosstheater, Teplice

Cäcile (A. Bahn: Tantchen Aurelia, Wohltätigkeitsveranstaltung von Mitgliedern des Ständetheaters des Baus einer Schule in Podmokly) – 1860.

Hoftheater, Berlin

Jane Eyre (Ch. Birch-Pfeiffer: Die Waise aus Lowood), Gretchen (J. W. Goethe: Faust), Thekla (F. Schiller: Wallenstein) – 1861.

Stadttheater, Leipzig

Philippine Welser (O. Redwitz: Philippine Welser) – 1861.

Quellen

Prag: Polizeidirektion Prag I, 1861-1865 874/3/5, Karte 774 (Aussage von T. Remosani über Diffamierung vonseiten Direktor Thomé).

DONM: Nr. 11353/ I. A 20980-21065 (Abtretung von Honoraransprüchen verschiedener Akteure inkl. T. Remosani, abgetreten von F. Thomé an Rechtsanwalt Pinkas); Theaterzettel des Städetheaters 1858-1860. 

Bayerische Staatsbibliothek: Porträt- und Ansichtensammlung, Bildnummer port-013145, Signatur Portr. A. Remosani, Thusnelda (1), [online, zitiert am 24.08.2022], URL: Ganze Figur stehend - Bildarchiv (bsb-muenchen.de) (Geburts- und Sterbejahr sind auf dem Foto angegeben).   

Literatur

Kurier für Niederbayern (Landshut) 5. November 1854; Landeshuter Zeitung 8. Dezember 1854;
Livländische Gouvernments-Zeitung (Riga) 4. 10. 1857; Deutscher Bühnen-Almanach, Berlin 1856, S. 103, Deutscher Bühnen-Alamanach 1857, S. 306-307; 1860, S. 331; Almanach des königlichen ständischen Theaters (deutschen und böhmischen) zu Prag, Prag 1859, pp. 11; Prag 1860, S. 10; Prag 1861, S. 11; Der Humorist (Wien) 15. April 1858 (R.s erster Auftritt in Prag); Wiener Theater-Chronik 15. Dezember 1859; Der Zwischen-Akt (Wien) 13. Oktober 1860;
Teschener Anzeiger 28. 4., 5. 5. 1860 (Wohltätigkeitsveranstaltung im Burgtheater in Děčín), 5. 1. 1861 ● Skandal Remosani vs. Thomé: Bohemia 21. 11. (Notiz über eine Beleidigung während der Probe und Weggang R.s aus Prag), 22. 11. (Thomés Stellungnahme), 24. 11. (R.s Reaktion) 1860; Der Zwischen-Akt (Wien) 24.11.1860, 28.2.1861 (R. zieht die Klage zurück); Feuilleton in der Rubrik Prager Briefe, Klagenfurter Zeitung 12.12.1860; Národní listy (Prag) 8. und 9.1.1860 (gerichtliche Beilegung des Konflikts mit Thomé); Blätter für Musik, Theater und Kunst (Wien) 11.1.1860 (gerichtliche Beilegung des Konflikts mit Thomé); Blätter für Musik, Theater und Kunst (Wien) 11.1.1860 (gerichtlicher Vergleich des Konflikts mit Thomé). 1861; Das Vaterland (Wien) 21. Feb. 1861 ● Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik (Wien) 20. Juli 1859, 17. Feb. 1861 (Gastspiel in Berlin); Ansbacher Morgenbatt 14. März 1861; Fremden-Blatt (Wien) 23. April 1861; Allgemeine Theater-Chronik (Leipzig) 20. Feb. 1863 (Heiratsanzeige, Abschied vom Theater); Blätter für Musik, Theater und Kunst (Wien) 21. April 1863; Münchener Amtsblatt 27. Mai 1863 (Heirat mit dem Kaufmann Wilhelm Albert Steinbrecht); Znaimer Wochenblatt 14. Juni, 21. Juni 1863; Münchener Tages-Anzeiger 29. Mai 1863 (Heirat, vollständiger Name R.s, Beruf des Vaters); Teuber S. 491 (Debüt), 495, 500, 502, 504, 515 (Konflikt mit Thomé); Schanakl-Haus wurde renoviert. Der besondere Charakter des Hauses in der Buzallee, im Jahr 1900 erbaut, wurde erhalten. Ammerseekurier. Unabhängiges Heimatsblatt für die Ammersseeregion, veröffentlicht am 13. Oktober 2015, [online, zitiert am 25. Juni 2022, Link nicht mehr gültig].

HD, S. 569-572 (Franz Thomé); Rigaer Theater- und Tonkünstler Lexikon, Riga 1890, S. 195 (Familienname Fridl).

 

Bildung: 2022

Autor: Zemanová, Berenika