Szegöffy, Franziska

Franziska
Szegöffy
1816
Frankfurt am Main
18. 11. 1881
Brandýs nad Labem / Brandeis an der Elbe
Schauspielerin

Stammte aus einer Theaterfamilie. Sie begann in Rollen von Liebhaberinnen in Lustspielen (München, Engagement 1838 – 1841), 1848 trat sie in Zagreb auf, 1849 in Preßburg. 1854 ersetzte sie Margarethe Binder im Rollenfach älterer Damen im Prager deutschen Ensemble des Ständetheaters. Sie war eine zuverlässige Schauspielerin und konnte auch Rollen mit Gesang spielen. 1874 wurde sie pensioniert.

Mädchenname Franziska Schmidt. Stammte aus einer Theaterfamilie. Ihr Vater Friedrich Wilhelm Schmidt (auch Wilhelm Schmidt, ca. 1770–1841) war Schauspieler und Theaterdirektor, die Mutter Marie, geb. Koch (1783–1809 Prag), Schauspielerin und Sängerin. S. ging drei Ehen ein, die erste mit dem deutschen Schauspieler, Schriftsteller und Dramaturgen Johann Friedrich Viedert (geb. 1791 in Chemnitz), die zweite mit dem Schauspieler Friedrich Schenk (1806 Magdeburg – 11. 1. 1858 München), ihr dritter Ehemann (den sie offenbar kurz vor 1848 heiratete) war der ungarische Geschäftsmann Sigmund Szegöffy. Von drei Söhnen erreichte nur der älteste, August (geb. 1844), das Erwachsenenalter. Laut eines Nachrufs (siehe Lit.) trat auch er in Prag in kleineren Theaterrollen auf.

S. stand seit etwa ihrem sechzehnten Lebensjahr regelmäßig auf der Bühne. Dem waren offenbar Auftritte in Kinderrollen und im Fach der Naiven vorangegangen. Das Talent der jungen Schauspielerin wurde u. a. von dem deutschen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe gewürdigt (wahrsch. im Jahr 1834, als er sich auf Durchreise in Frankfurt a. M. aufhielt). Im Laufe ihrer Karriere war S. an mehreren Theatern, vor allem auf dem Gebiet des heutigen Deutschland (München), Kroatien (Zagreb/Agram), der Slowakei (Bratislava/Pressburg) und Böhmens (Prag) tätig. In einigen Quellen werden auch Auftritte in den Vereinigten Staaten erwähnt, wohin S. 1841, nach Kündigung ihres Vertrags mit dem Münchner Königlichen Hoftheater – wohl aufgrund persönlicher Verschuldung – geflohen sein soll.

In München war sie von 1838 bis 1841 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Friedrich Schenk engagiert. Theaterdirektor war dort zu jener Zeit Karl Theodor von Küstner (1833–1842). Am Beginn ihrer Münchner Laufbahn standen Komödienrollen als Liebhaberin. Laut Grandaur (s. Lit.) spielte sie bereits damals Figuren aus Shakespeare-Komödien (so z. B. die Katharina in Shakespeares Die bezähmte Widerspenstige – die Rolle des Petruchio übernahm Friedrich Schenk – oder die Mary in Shakespeares: Was ihr wollt).

In der ersten Hälfte der 40er-Jahre, offenbar nach ihrer Rückkehr aus den Vereinigten Staaten, weilte S. erstmals im kroatischen Zagreb, wo sie auch im stürmischen Jahr 1848 auftrat. Aufgrund ihres ungarischen Namens hatte sie dort in einer Zeit nationaler Konflikte zwischen Ungarn und Kroaten keinen leichten Stand. (O. Teuber berichtet, der Leiter des dortigen Theaters sei „von Haus zu Haus“ gegangen, um der Öffentlichkeit zu versichern, die gastierende Schauspielerin sei „eine ehrliche Deutsche mit ungarischem Namen, und bat um Parteilosigkeit“; Bd. III, S. 436-437.)

1849 wird S. erstmals als Schauspielerin am Königlich Städtischen Theater in Bratislava/Pressburg erwähnt. Ihr weniger erfolgreicher Ehemann war als Sekretär und Kassenwart des Theaters tätig. S. wurde für jugendliche Rollen besetzt. Hier entdeckte sie ein aus Prag stammender hoher Staatsbeamter, der 1854, nach dem Weggang Margarethe Binders, eines langjährigen Mitglieds des Prager deutschen Theaters, den Prager Theaterdirektor Stöger auf sie aufmerksam machte. Um Binders Nachfolge anzutreten, musste S. mit ihren 38 Jahren ins ältere Fach wechseln. Um das Prager Engagement zu bekommen, setzte S. (laut Teuber) in Bratislava einen Abend durch, in dessen erstem Teil sie in ihren jugendlichen Glanzrollen auftrat. Im zweiten Teil nahm sie in der bekannten Szene aus Raimunds Stück Der Bauer als Millionär als Jugend Abschied und schlüpfte in die Rolle der alten Oberförsterin. In Prag blieb S. bis zum Ende ihrer schauspielerischen Laufbahn im älteren Fach. Sie spielte dort unter drei verschiedenen Theaterdirektoren: Nach dem Weggang Stögers wurde sie von F. Thomé (1858–1863) und R. Wirsing (1864–1875) übernommen. Ihre Mitgliedschaft im Ensemble belegen u. a. die Almanache des Königl. Deutschen Landestheaters und im Jahr 1871 auch ein den Mitgliedern des deutschen Theaters vorbehaltener Teil des Allgemeinen Adress- und Handels-Handbuchs der Hauptstadt Prag. Nach Ende ihrer aktiven Schauspielerkarriere blieb S. in Prag und ab 1874 ist sie in den Mitgliederlisten der Pensionsanstalt des Deutschen Landestheaters verzeichnet.

Ihren ersten Prager Auftritt hatte S. am 4. November 1854 in der Rolle der Witwe Brunn in Ch. Birch-Pfeiffers Stück Eine Familie. Im Ensemble wurde sie als Darstellerin alter oder ältlicher Frauen geführt (ein 1859 erschienener Almanach ordnet sie dem Fach der ernsten und komischen Mütter zu). Einige ihrer Rollen zeugen jedoch davon, dass sie durchaus imstande war, die Grenzen dieses Bereichs zu überschreiten, und auch Rollen mit Gesangseinlagen erfolgreich meisterte. Von der Presse wird sie als eine zuverlässige und auf hohem Niveau leistungsfähige Schauspielerin geschildert. Sie machte auch mit kleineren Rollen auf sich aufmerksam, in denen sie – lebendig, doch ohne Übertreibung – Genrefiguren verkörperte. Von der Kritik wurde sie zudem für ihren „schönen und sauberen“ sprachlichen Ausdruck gelobt (Bohemia 9. 11. 1854).

Rollen (Auswahl)

München, Königliches Hoftheater:

Katharina (Shakespeare: Die bezähmte Widerspenstige, Bearbeitung: Deinhardstein), Mary (Shakespeare: Was ihr wollt, in der Bearbeitung Holbeins als Viola), Franziska (Lessing: Minna von Barnhelm), Margarethe (Iffland: Die Hagestolzen), Leopoldine (Töpfer: Der beste Ton), Sabine (Töpfer: Die Einfalt vom Lande) u. a. 

Prag, Königlich ständisches Theater:

1854: Witwe Brunn (Birch-Pfeiffer: Eine Familie), Frau Feldern (Goethe: Hermann und Dorothea), Frau von Silben (Das letzte Mittel), Baronesse von Morin (Töpfer: Der Pariser Taugenichts). – 1855: Herzogin von Olivarez (Schiller: Don Carlos, Infant von Spanien), Katharina (Blum: Ich bleibe ledig), Bärbel (Birch-Pfeiffer: Dorf und Stadt), Judith Harleight (Birch-Pfeiffer: Die Waise von Lowood), Anna (Birch-Pfeiffer: Das Forsthaus), Gertrud, Armgard (Schiller: Wilhelm Tell), Elisabeth (Goethe: Götz von Berlichingen), Baronesse Baubert (Sandeau und Friedrich: Hélène von Seiglière, Crescenz (Rosenthal: Der Sonnwendhof), Frau Rosel (von Plöss: Der verwunschene Prinz), Apollonia (Feldmann: Immer zu vorschnell), Claudia (Lessing: Emilia Galotti), Frau von Lobeck (Töpfer: Die Zurücksetzung), Liese (Vogel: Ein Handbillet Friedrichs des Grossen: Incognitos Verlegenheiten). – 1856: Emerentia (Grahn: Sein Frack), Herzogin von Friedland (Schiller: Wallenstein), Frau Gryphius (Bauernfeld: Die Virtuosen), Baronesse (Bayard und Friedrich: Das Gänschen von Buchenau), Brigitte (Kleist: Käthchen von Heilbronn), Gräfin Rajew (Wolfsohn: Nur eine Seele), Christiane (Benedix: Die Dienstboten), Marquise (Friedrich und Dumanoir: Der Graf von Irun), Gertrud (Gozlau und Schlivian: Wie man Königin wird), Marta (Wolf: Preciosa), Elisabeth von Zierl (Töpfer: Die Einfalt vom Lande), Mutter, Brautmutter (Schiller: Das Lied von der Glocke), Frau von Langsalm (Kotzebue: Der Wirrwarr). – 1858: Nani (Langer/von Suppé: Der Werkelmann und seine Familie), Katharina Ashley (Birch-Pfeiffer: Die Lady von Worsleyhall), Frau von Falten (Feldmann: Das Portrait der Geliebten), Frau Bankier von Silberschlag (Loss: Nach Sonnenuntergang), Käthin (Langer und Müller: Die Mehlmesser Pepi), Madame Wild (Liess: Eine Braut auf Lieferung), Frau Schwall (Schleich: Drei Candidaten), Mademoiselle Balbien (Birch-Pfeiffer: Die Marquise von Bilette), Mutter von Klärchen, Egmonts Geliebter (Goethe: Egmont), Gundula (Birch-Pfeiffer: Mutter und Sohn), Madame Duchateau (Uchard: Fiammina), Generalin Rieger (Laube:Die Karlsschüler), Frau Miller (Schiller: Kabale und Liebe), Mutter Barbeaud (Birch-Pfeiffer nach Sand: Die Grille), Schwiegermutter (Benedix: Mathilde), Gertrude (Holtei: Die weiblichen Drillinge), Thomas Fosters Frau (Töpfer: Die Gebrüder Foster), Uracca (Raupach: Die Schule des Lebens), Veronica (Blum: Der Vicomte von Letoriéres), Bärbel (Saphir: Die Erweiterung des Thurmes von Babel), Hanna Kennedy (Schiller: Maria Stuart). – 1859: Margareth (Flamm, Wimmer und Müller: Der Teufel im Herzen oder Das Unglückzeichen), Mandl (Berla: Der Freiheitskampf in Tirol), Frau Giraud (Herrmann: Die Memoiren des Satans), Madeleine Reuniers (Birch-Pfeiffer: Der Glöckner von Notre Dame), Baronesse (F. Heine: Der erste Waffengang), 1865: Rosa (Görner: Englisch), Marthe (Goethe: Faust). – 1872: Franciela Fall (Kotzebue: Die Unglücklichen), Rebelliosa (Jacobson, Thalburg und Michaelis: 500 000 Teufel), Frau von Ziermer (Bayard: Er muss aufs Land).

Quellen

Bohemia 22. 10. 1854 (Gastvorstellungen im Rahmen des Engagements), 9. 11. 1854, 14. 10. 1858, 30. 12. 1858, 21. 12. 1872, 27. 6. 1879, 19. 11. 1881 (Nachruf mit Todesdatum und Todesort, die übrigen Angaben sind fehlerhaft).

Periodika

Almanach für Freunde der Schauspielkunst, 1850, S. 251; 1853, S. 176 (Pressburg). – Theateralmanach Prag, 1855, S. 21, 30, 33, 50; 1860, S. 6; 1874, S. 5. – Allgemeines Adress- und Handels-Handbuch der Hauptstadt Prag, 1871. – Deutsches königl. Landes-Theater in Prag. Almanach und Adressbuch zum Jahre 1874, S. 5 (Pension).

Literatur

Ch. D. Grabbes sämtliche Werke, Bd. VI, Oskar Blumenthal 1874, 183 ff.;  F. Grandaur: Chronik des Münchener Hoftheaters, München 1878, S. 121, 124, 126; O. Teuber: Geschichte des Prager Theaters III., Prag 1888, S. 436–437, 495, 596; Ferdinand Břetislav Mikovec. Pražská Thalie kolem roku 1850. Praha 2010, S. 479.

Eisenberg, Flüggen, Kosch Th, Ulrich


Bildung: 30. 11. 2012

Autor: Hanoušek, Martin