Siege, Josef

Josef
Siege
um 1790
Hranice / Mährisch Weißkirchen (CZ)
nach 1863
[?]
Inhaber der Theatergesellschaft, Theaterdirektor, Schauspieler, Regisseur

Gründer einer Theaterfamilie. 1811–12 und 1821–24 war er Pächter des Theaters in Znaim. In den 30-er und 40-er Jahren wirkte er überwiegend in den böhmischen Ländern (Písek, Žatec, Cheb, Franzensbad, Jihlava). 

Begründer einer über vier Generationen verzweigten Theaterfamilie. Söhne: Schauspieler und Theaterdirektor Ignaz S. (1818–1887) und Schauspieler Johann Nepomuk S. (1829–1904). Die Töchter Therese Apolonie Siege (?) und Fanny S. (?) waren ebenfalls Schauspielerinnen. Enkel Adolf S. (1856–1925) und Urenkel Gustav S. (1881–1947).

Er stammte aus dem bayerischen Deggendorf (die Literatur führt fälschlicherweise Wien an). Er war zweimal verheiratet, mit seiner ersten Ehefrau Elisabeth Graf hatte er den Sohn Ignaz Siege, mit seiner zweiten Frau Aloisie Arnnay den Sohn Johann Nepomuk. Beide stammten aus der Bergbaugemeinde Schmöllnitz (Smolník) im Slowakischen Erzgebirge, wo 1805 Bergbaubeamte ein Theater aus Stein hatten erbauen lassen, in dem ein örtlicher Laienverein spielte. In diesem Teil des damaligen Ungarn weilte S. offensichtlich lange (Ende der 10-er und 20-er Jahre des 19. Jahrhunderts); sein Wirken am Theater ist bisher noch nicht belegt, jedoch sehr wahrscheinlich. Die erste bekannte Wirkungsstätte von S.s Gesellschaft war Znaim in der Saison 1811/12, wo auch die junge T. Krones und V. Thám Ensemblemitglieder waren. Im April 1812 spielte die Gesellschaft in Jihlava im Gasthaus Bei wilden Mann, 1815 in Niederösterreich (Sankt Pölten, Klosterneuburg) und an verschiedenen Orten Oberbayerns. 1821–24 war S. wiederum Pächter des Stadttheaters in Znaim und erreichte schrittweise eine Ausweitung der Konzession auf weitere mährische und schlesische Städte. 1824 spielte er in Mödling bei Wien und erhielt anschließend eine Konzession für das Gebiet unterhalb des Wienerwaldes und für das niederösterreichische Bruck an der Leitha. 1830–33 spielte er im Stadttheater in Jihlava, wo ihm der Bürgermeister eine Ehrenerklärung für die präzise Aufführung klassischer Stücke, Opern, der neuesten Schauspiele und Lustspiele ausstellte. 1834 tauchte S. mit seinem Ensemble in der Wiener Vorstadt Hietzing auf, wo er Vorstellungen zugunsten von Brandopfern gab. 1842 spielte die Gesellschaft in Písek und im August auf Schloss Kynžvart, im Herbst in Kadaň und in Žatec. Zwischen 1843–46 war seine Hauptwirkungsstätte Cheb, im Sommer 1846 reiste er nach Franzensbad. In der Wintersaison 1847/48 spielte S. erneut in Písek, 1848 in Jindřichův Hradec. Dort spitzten sich die Streitigkeiten zwischen Sohn und Vater derart zu, dass Ignaz S. das Ensemble vorübergehend leitete. 1849 kehrte S. auf seine Position als Direktor zurück, zwei Saisons lang war er Pächter des Stadttheaters in Jihlava. Ignaz führte Regie, doch in der Saison 1850/51 ging er vom Vater fort. Kodirektor von S. wurde F. Steiger, als Schauspieler blieben Sohn Johann Nepomuk und die Töchter Fanny und Therese im Ensemble. Im folgenden Jahr fiel das Familienunternehmen auseinander, und der Vater und Gründer und seine Kinder wirkten in verschiendenen Theatern der österreichischen Monarchie. Die weiteren Informationen zu den Theateraktivitäten von S. sind stückhaft und angesichts des Auftretens von Künstlern mit demselben Familiennamen nicht eindeutig. 1852 war er wahrscheinlich Direktor des Theaters im Wiener Viertel Meidling, 1854 taucht er erneut in Jihlava auf (leitender Regisseur und Darsteller von Vätern), dann spielte er offensichtlich in der Gesellschaft seines älteren Sohnes Ignaz in den Stadttheatern in Trnava 1855–56, Ráb 1856 und 1858, in Budweis 1859–64 (nach den Almanachs Schauspieler Siege sen.); ein näher nicht identifizierbarer Theatermacher desselben Familiennamens wird 1859 als künstlerischer Leiter im steierischen Marburg an der Drau (nun Slowenien) verzeichnet. Über das Ende von S.s Leben und seinen Tod fehlen zuverlässige Berichte.

S. ist als Schauspieler komischer Rollen belegt. Angesichts des familiären Charakters der Theatergesellschaft ist es wahrscheinlich, dass er in den meisten aufgeführten Stücken spielte, bei denen er gleichzeitig Regie führte. Ab den 40-er Jahren ist er in Rollen (lokaler) Väter belegt. Das Repertoire von S.s Gesellschaft war vielfältig, neben den beliebten Wiener Possen versuchte man, moderne Dramatik aufzuführen, z. B. das Stück aus dem Umfeld des Militärs Das Duellmandat von J. N. Vogl, das Sozialdrama von E. Raupach Der Müller und sein Kind spielte er bereits 1830, also im Premierenjahr, und das dramatische Gedicht von J. Deinhardstein Erzherzog Maximilians Brautfahrt  führte er drei Jahre nach der Premiere im Jahre 1832 auf; sämtliche Vorstellungen fanden in Jihlava statt. Die Gesellschaft führte Stücke von E. Raupach (Corona von SaluzzoDie Schleichhändler), K. von Holtei (Perlenschnur), J. Nestroy (Verhägniβvolle Faschingsnacht), F. Hopp (Hutmacher und Strumpfwirker) bzw. Ch. Birch-Pfeiffer (Johannes GuttenbergRubens in Madrid) auf. Das Schauspiel wurde immer häufiger von Opern abgewechselt. Die Gesellschaft hielt sich die gesamten 30-er Jahre hinweg bis zum Beginn der 40-er Jahre ein solides Niveau, wovon die Auszeichnungen des Bürgermeisters von Jihlava, der lokalen Kritik und Einladungen nach Schloss Kynžvart zeugen, wo S. zur Belustigung der Herrschaften mit Fürst C. Metternich, dem österreichischen Staatskanzler, an der Spitze am 28. 8. 1842 Nestroys Posse Verhägniβvolle Faschingsnacht aufführte. 

Quellen

MZA Brno: Matrikelsammlung, Holešov 7538, Geburtenmatrikel 1813–1836, S. 28, Bild 15 [Frau Elisabeth Graf, Sohn Ignaz]. ZA Opava: Matrikelsammlung, L VI. 5, Hranice, Geburtenmatrikel 1794–1835, S. 363, Bild 185 [Frau Alosie Arnnay, Sohn Johann Nepomuk]. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien: Katalog der Portrait-Sammlung der k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater, Abteilung 3, Gruppe VI, 1894, S. 664. Theatermuseum Wien: Sammlung Gustav Siege, Katalog: http://www.theatermuseum.at/fileadmin/content/tm/nachlaesse/S-Siege.pdf

Literatur

Bohemia (Prag) 6. 3. 1842, 23. 9. 1842, 1. 11. 1842, 10. 9. 1846, 23. 11. 1847; Almanach für Freunde der Schauspielkunst (Berlin) 1845, S. 331, 332; 1846, S. 128; 1850, S. 157, 158; 1851, S. 150; Deutscher Bühnenalamanch (Berlin) 1856, S. 385; 1857, S. 303; 1859, S. 95, 339; 1860, S. 341; 1863, S. 94; 1864, S. 94; Ch. d’Elvert: Geschichte des Theaters in Mähren und Österreichisch Schlesien, 1852, S. 152, 183; Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft, Wien 1929;  Roda Roda: Die Familie Siege, Prager Tagblatt 11. 6. 1929 [wahrscheinlich irrtümlich ührt man † 1857 an]; O. Pausch: Übereinige Quellen zur Theater- und Literaturgeschichte Böhmens, Mährensund der Slowakei im Österreichischen Theatermuseum, in Slg. Deutschsprachiges Theater in Prag, eds. A. Jakubcová – J. Ludvová – V. Maidl, Praha 2001, S. 441; J. Hilmera: Činnost německých divadelních společností v českých provinciích 19. století [Die Tätigkeit der deutschen Theatergesellschaften in den böhmischen Provinzen des 19. Jahrhunderts], Praha 2006, DÚk, Sign. CD 307; M. Havlíčková – S. Pracná – J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku 2/3 [Deutschsprachiges Theater in Mähren und in Schlesien 2/3]. Olomouc 2013, S. 184; O. Pausch: Ambulantes Theater durch vier Generationen. Die Familie Siege, in Slg. Nestroyana (Wien) 34, 2014, Nr. 3/4, S. 141.  

Heller, Kosch, Ulrich, ÖBL


Bildung: 2015

Autor: Reitterer, Hubert