Schwabe, Julius

Julius
Schwabe
14. 1. 1901
Berlin
Schauspieler, Theaterdirektor, Regisseur

1866 tauchte er erstmals als Komiker im Ensemble des Olmützer Stadttheaters in Olmütz (Direktor Carl König) und in Reichenberg auf. 1872 – 1874 Direktor eines Theaters in Olmütz, wo er (Rollen von Bonvivants und komischen Liebhabern) spielte und Regie führte. Er wurde Nachfolger des erfolgreichen Direktors Czernits, mit dem er verglichen wurde. Man kritisierte ihn oft für die Auswahl des Repertoires und für die fehlende Disziplin des Ensembles. Nach seinem Fortgang aus Olmütz wirkte er in Laibach, Triest, Temeswar, Zagreb und Berlin. Ab 1899 Regisseur einer Oper in Hamburg.

Der in Olmütz (Olomouc) geborene Julius Sch. trat erstmals im Frühjahr 1866 als Komiker im Ensemble des Stadttheaters Olmütz in Erscheinung; Theaterdirektor war dort zu dieser Zeit Carl König. Sein Vater, Eduard Sch., war ein einflussreicher Olmützer Bürger. Über Sch.s schulische und fachliche Ausbildung ist nichts bekannt. Die Rekonstruktion seines künstlerischen Werdegangs wird durch das relativ häufige Auftreten dieses Namens in seiner Generation erschwert. Schauspieler und Schauspielerinnen sind in den Quellen zumeist ohne Vornamen angeführt und der Deutsche Bühnenalmanach aus den Jahren 1865 und 1867 enthält z.B. fünf Schauspieler mit dem Namen Schwabe.

Ab Herbst 1866 war Sch. nachweislich in  Reichenberg (Liberec) im Ensemble des Theaterdirektors Johann Wallburg engagiert. Dieses verhältnismäßig große Ensemble spielte Dramen und Operetten und verfügte über ein eigenes, 24 Musiker umfassendes festes Orchester sowie über 17 Darsteller und 14 Darstellerinnen für Schauspiel und Musiktheater. Es brachte ein für städtische Bühnen übliches breites Repertoire zur Aufführung, mit dem Sch. sich nun praktisch vertraut machen konnte. Seine nächste nachweisbare Wirkungsstätte war das deutschsprachige Theater (Aktien-Theater) in Pest, wo er in der Spielzeit 1870/71 im Schauspielensemble als erster Liebhaber auftrat. Offenbar blieb er dort noch ein weiteres Jahr – davon zeugt die Tatsache, dass er sich als Schauspieler und Regisseur dieses Theaters im Frühjahr 1872 erfolgreich um eine Stelle als Theaterdirektor in Olmütz bewarb.

In seiner Position als Direktor war Sch. von Anfang an Gegenstand heftiger Kritik, mitunter informierte die Presse auch gar nicht über seine Tätigkeit, und zwar aus Protest gegen das Resultat des Auswahlverfahrens. Von den gemeldeten Bewerbern waren auf Entscheidung der Fachkommission nur der Innsbrucker Theaterdirektor Heinrich von Othegraven, der Salzburger Intendant Josef Kotzky sowie der ehemalige Leiter des Prager Ständetheaters und Eigentümer des Prager Neustädter Theaters Franz Thomé in die engere Auswahl gelangt. Sch. war nur als Nachrücker vorgeschlagen, andere Bewerber, die bereits am Olmützer Theater tätig gewesen waren (der Sänger Friedrich Krejči, der Kapellmeister Emanuel Urban und der Direktor Carl König), wurden eliminiert. Als die Vertreter der Stadt sich schließlich für Sch. entschieden, schrieben die Olmützer Periodika von einem riskanten Experiment. Der Vergleich mit seinem Vorgänger Czernits fiel stets zu seinen Ungunsten aus, ob es sich nun um die Auswahl des Repertoires, um die Fähigkeit zur Disziplinierung des Ensembles oder um ein Sommerengagement für Ensemblemitglieder handelte (Sch. selbst stand kein Sommertheater zur Verfügung). Von dieser Ausnahmesituation zeugt auch ein erhaltener (wenngleich nicht unterzeichneter) Mietvertrag, der über einen Zeitraum von sechs Jahren, bis Juni 1878, ausgestellt ist. In diesem Dokument figuriert Julius Sch. als künstlerischer Leiter und sein Vater Eduard als Mieter.

Neben seiner Funktion als Direktor war Sch. in Olmütz auch als Chefregisseur und als Schauspieler tätig (er spielte Bonvivants und komische Liebhaber). Er plante eine Renovierung des Zuschauerraums und beantragte bei der Stadt eine Erhöhung der Abonnementspreise. Gegen eine Gebühr von 100 Gulden gelang es ihm, Wohltätigkeitsvorstellungen zu umgehen, die meist zu großen Verlusten führten. Die Vertreter der Stadt verhielten sich jedoch notwendigen Investitionen gegenüber gleichgültig und wollten für den Zustand des Theaters keine Verantwortung übernehmen. Im musikalischen Leben von Olmütz herrschte bereits eine lebhafte Vereinstätigkeit mit dem rührigen (zweisprachigen) Organisten und Chorleiter Wladimir Labler an der Spitze, gegen die sich der Theaterleiter mit der in Oper und Operette gebotenen Qualität kaum durchsetzen konnte. Sch. verhielt sich entgegenkommend gegenüber dem tschechischen Amateurtheaterverband (Jednota divadelních ochotníků besedních, gegr. 1872). Daher wurde er von der älteren tschechischen Forschungsliteratur trotz der Probleme am Theater positiv bewertet.

Nach Presseinformationen und Berichten aus dem Stadtkollegium hatte Sch. nicht alle erforderlichen Fächer ordnungsgemäß besetzt und das angekündigte Repertoire wurde daher oft nicht umgesetzt oder musste verschoben werden. Die Sänger studierten Rollen für Opern wie auch für Operetten ein (was an Theatern dieses Typs damals keine Seltenheit war), doch die Kritik protestierte gegen die Ausnutzung der Opernprimadonna als Operettensoubrette. Eingeladene junge Gesangsdebütanten konnten zumeist nicht bestehen. Sch. besaß keine Autorität bei den Schauspielern (so war er z.B. gegen deren Extempore bei der Vorstellung machtlos). Gegen Kritik verteidigte sich Sch. mit der Behauptung, dass er aus den verschiedensten Gründen (Veruntreuung von Seiten eines ausländischen Theateragenten; eine a priori missgünstige öffentliche Meinung; ein Publikum, das nur seine Lieblinge sehen wolle) seine Ideale nicht einlösen könne.

Die Erfüllung der Vertragsbedingungen – zwei Opernpremieren pro Saison – wurde von Sch. stets verschoben. In der Oper überwogen die weniger anspruchsvollen Genres der Spieloper und der französischen komischen Oper. Sch. suchte sein Repertoire im Bereich des Drame lyrique, doch die Premiere von Gounods Romeo und Julia am Ende der Spielzeit 1872/73 fesselte nicht im selben Maße wie der bekanntere, aus der Feder desselben Komponisten stammende Faust. Die Aufführung angekündigter Opern von Ambroise Thomas kam nicht zustande und das unzulängliche gesangliche Niveau des Musiktheaters wurde oft durch Auftritte der Wandertheatertruppe des Ballettmeisters Honorius Johann Uhlich gerettet, die in dieser Zeit in Olmütz auftrat. Neben Opernparodien, Schwänken und Komödien kamen nur sporadisch Schiller, Goethe und Shakespeare zur Aufführung, häufiger vertreten waren französische Dramatiker (Sardou, die Dumas, Feuillet, Scribe). Sch. konnte sich in Olmütz nur zwei Spielzeiten (1872–74) halten, und gerade diese Zeit brachte endgültig die Krise ins Rollen, in die das deutschsprachige Stadttheater in den 90er-Jahren des 19. Jh.s geriet.

Nach seinem Abgang aus Olmütz war Sch. in Laibach (offenbar nur in der Spielzeit 1875/76) sowie in Triest tätig, 1879 übernahm er die Oper in  Temeswar (dem heutigen Timişoara). Scheinbar wirkte er auch eine Zeit lang in einem nicht genannten Theater in Wien (J. Hilmera [siehe Lit.] führt an, dass bei der Wandertheatertruppe Heinrich Männels in Tetschen (Děčín) 1881 ein „Wiener namens Julius Sch.“ gastierte). Als Regisseur konnte er sich in Zagreb und an der Berliner Krolloper etablieren, wo er die Weltpremiere von Pierantonio Tascas veristischer Oper A Santa Lucia (16. 11. 1892) vorbereitete. Ab 1899 war er auch als Regisseur an der Hamburger Oper tätig.

Quellen

Státní okresní archiv Olomouc, Archiv města Olomouce: Sitzungsprotocolle des Stadtverordneten-Collegiums aus den Jahren 1872, 1873, unter verändertem Titel für das Jahr 1874. – A.a.O.: Registratura hospodářská 1786–1873, Kart. 1048 (Schriftstücke) – A.a.O.: Theaterplakatesammlung (Sign. C). – Mährisches Landesarchiv  Brünn: Beiträge zur Geschichte des Olmützer Theaters gesammelt von Hans Welzl, Correspondent der kk. Central-Commission, I., II., Brünn 1896, Sbírka rukopisů Německého historického spolku Brno [Handschriftensammlung des Deutschen historischen Vereins Brünn] (Eigentum des Deutschen Vereines für Geschichte Mährens und Schlesiens), Fond G 13, Sign. 358/16. – Vědecká knihovna v Olomouci: J. Čičatka: Dějiny olomouckého divadla, doba nejstarší, Olomouc [1985], 79 Blatt, maschinengeschrieben, inkl. Beilagen, Sign. B II 291.170. – M. Remeš: Rukopisný materiál k dějinám olomouckého divadla, Olomouc, vor 1955. Anlagen: M. Remeš: K dějinám divadla olomouckého a brněnského. Ausschnitte aus der Zeitung „Pozor“, Jg. 40 und weitere Dokumente aus dem Nachlass M. Remešs, Sign. B II 291.171. – Deutscher Bühnenalmanach 1867 (Liberec), 1871 (Pest), 1873, 1874 (Olomouc).

Periodika

Deutsches Volksblatt für Mähren (1872–1874); Die neue Zeit (1872–1874); Olmützer Zwischen-Akt (1872–1874); Rezension der Opernpremiere A Santa LuciaVossische Zeitung, Nr. 539, 17. 11. 1892 (Beilage).

Literatur

S. Langer: Stručná historie divadla v Olomouci, maschinengeschrieben, Divadelní ústav Praha, undatiert [1961]

S. Werr – D. Brandenburg: Das Bild der italienischen Oper in Deutschland, Münster 2004, S. 205.

Hilmera CD 307

J. Štefanides: Německé divadlo v Olomouci 1770-1944. Repertoár a členstvo. Elektronische Datenbank, Umělecké centrum UP v Olomouci, Dokumentační centrum dramatických umění, Olomouc 2006

J. Štefanides a kol.: Kalendárium dějin divadla v Olomouci (od roku 1479), ed. Jan Dvořák, Verlag Pražská scéna, Praha 2008

L. Topoľská: Německé divadlo, Dějiny Olomouce II, sb., red. Jana Burešová, Jindřich Schulz,  Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2009, S. 88–89.

J. Balatková: Německá opera, Dějiny Olomouce II, red.:Jana Burešová, Jindřich Schulz, Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2009, S. 97–105

M. Havlíčková, S. Pracná, J. Štefanides: Německojazyčné divadlo na Moravě / Deutschspachiges Theater in Mähren und Schlesien 1/3. Ředitelé městských divadel / Direktoren der Stadttheater, Univerzita Palackého v Olomouci, Olomouc 2011

Flüggen, Kosch Th, Ulrich


Bildung: 30.11.2012

Autor: Kopecký, Jiří