Rittner, Rudolf

Rudolf Rittner, 1901. https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Rittner#/media/File:Rudolf_Rittner.jpg
Rudolf
Rittner
30. 6. 1869
Weißbach b. Jauering / Bílý Potok u Javorníka (früher Österr.-Schlesien)
4. 2. 1943
Weißbach b. Jauering / Bílý Potok u Javorníka
Schauspieler, Dramatiker, Regisseur, Musiker

Studierte Violine und Oboe, dann lief er zum dramatischen Fach über. 1888 – 1889 hatte er ein Engagement am Hannoveraner Residenztheater. 1889 -1890 engagiert von Direktor Carl Stich in Olmütz für Rollen jugendlicher Helden und Liebhaber. In Karlsbad (engagiert 1890) sah ihn Direktor Lautenburg und holte ihn ans Residenztheater nach Berlin (1891- 1894), wo er als Schauspieler naturalistischer Rollen bekannte wurde. Er arbeitete mit bedeutenden Theatermachern zusammen (Otto Brahm, Max Reinhardt) und stach als Interpret von Figuren in Stücken von Gerhart Hauptmann hervor (Florian Geyer im gleichnamigen Stück). 1913 – 1914 Regisseur und Kodirektor des Berliner Deutschen Künstlertheaters, später spielte er im Stumm- und Tonfilm. 

Sohn von Franz R., Bauer und Bürgermeister der Gemeinde Weißbach, und dessen Frau Albertine Latzel. Bereits in jungen Jahren dürfte er in den Genuss einer Musikausbildung gekommen sein, da er die Aufnahmeprüfung am Wiener Konservatorium erfolgreich bestand. Mit zwölf Jahren, im Herbst 1881, ging er nach Wien, wo er zunächst Geige, später Oboe studierte. Erst 1887 wechselte er an die Schauspielabteilung, die er 1888 mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Sein erstes Engagement erhielt er am Residenztheater in Hannover (1888/1889), wo ihm hauptsächlich unbedeutende Rollen zugeteilt wurden. Bereits hier aber studierte er seine erste naturalistische Rolle ein: die des Buchhalters Gräberg in Henrik Ibsens Schauspiel Die Wildente.

Für die Saison 1889/1890 engagierte ihn Direktor Carl Stick als Ersten jugendlichen Helden und Liebhaber an das Königlich Städtische Theater in Olmütz. Von dort wechselte er zu Direktor Emanuel Raul und spielte in der folgenden Sommersaison (April – September 1890) in Karlsbad. Von Oktober 1890 bis Januar 1891 wirkte er in Pressburg und bis zum Palmsonntag 1891 in Temesvar. Regisseur und Theaterdirektor Siegmund Lautenburg hatte R. bereits in Karlsbad auf der Bühne gesehen und bot ihm nun ein Engagement am Residenztheater in Berlin an. R. lehnte dieses zunächst ab und wirkte bis zum Ende der Saison 1890/1891 am Stadttheater in Köln. Schließlich nahm er das Angebot doch an und ging Anfang der 90er-Jahre des 19. Jh.s nach Berlin, ins Zentrum des deutschen Naturalismus. Drei Saisonen spielte er am Residenztheater (1891–1894), wo er durch die Darstellung des Studenten Hans Hartwig in Max Halbes Drama Die Jugend berühmt wurde. Unter der Leitung von Otto Brahm wurde R. auf den Bühnen des Deutschen Theaters (1894–1904) und des Lessingtheaters zum Prototyp des modernen naturalistischen Schauspielers. Er bediente sich einer natürlichen Sprache und Gestik ohne das theatralische Pathos der älteren Schule. Er stach als Interpret von Hauptmanns Gestalten hervor, von denen er viele zum ersten Mal verkörperte, so z.B. den Moritz Jäger im Drama Die Weber sowie Fuhrmann Henschel und Florian Geyer in den gleichnamigen Stücken. 1906 schloss er mit Direktor Max Reinhardt einen Vertrag für die Saison 1909–1912 ab; der Vertrag trat jedoch nicht in Kraft, da sich R. auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn (1907) entschied, seine Schauspielkarriere zu beenden und auf einem Bauernhof in Weißbach zu leben. Von der Bühne verabschiedete er sich in Wien mit seiner erfolgreichsten Rolle, jener des Florian Geyer (der Maler Lovis Corinth porträtierte ihn darin).

Die Theaterwelt verließ er jedoch nicht auf Dauer. Nach Brahms Tod 1912 nahm er das Angebot an, sich zusammen mit einigen Theaterleuten, einschließlich Hauptmann, an der Leitung des Lessingtheaters zu beteiligen. 1913/1914 war er Regisseur und Kodirektor des Berliner Deutschen Künstlertheaters. Nach diversen Missverständnissen verließ er das Theater jedoch. 1922 kehrte er zu seiner Profession als Schauspieler im Stummfilm (Der Graf von Charolais, Ein Glas Wasser, Nibelungen: Kriemhilds Rache, Zur Chronik von Grieshuus, Der Wilderer, Der Mann im Feuer, Der Meister von Nürnberg) zurück, später spielte er auch in Tonfilmen (Der fröhliche Weinberg, Väter und Söhne). 1927−1932 wirkte er in Radiosendung mit.

In Olmütz hatte R. viele schauspielerische Erfahrungen gesammelt. Er war zwar in einer der schwächsten Saisonen in das Ensemble eingetreten, ließ sich aber vom sinkenden Theaterniveau nicht mitreißen. Allmählich zog er die Aufmerksamkeit auf sich, und die Lokalkritik zeichnete ihn mehrmals als talentierten Schauspieler aus. Bereits sein erster Auftritt als Gottlieb Schadenbeck in H. Wittmanns und Th. Herzls Lustspiel Wilddiebe wurde besprochen.

Nach und nach erhielt er bedeutende Rollen in dramatischen Werken verschiedener Genres (Prinz Gonzaga /Lessing: Emilia Galotti, Tempelherr /Lessing: Nathan der Weise, Rheingraf vom Stein /Kleist: Das Käthchen von Heilbronn, Cassio /Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig, Lucentio /Shakespeare: Die bezähmte Widerspänstige, Mashama /Scribe: Ein Glas Wasser, Max Piccolomini /Schiller: Wallenstein-Trilogie, Kosinsky /Schiller: Die Räuber, Ferdinand /Schiller: Kabale und Liebe, Mortimer /Schiller: Maria Stuart, Franz /Anzengruber: Der Meineidbauer, Phaon /Grillparzer: Sappho, Jaromir /Grillparzer: Die Ahnfrau, Valentin /Goethe: Faust). Außerdem trat er erfolgreich in Rollen von Liebhabern, unglücklich Verliebten, lustigen und leichtsinnigen Burschen, als tapferer Fechter, liebender Sohn, die Ehre seiner Schwester schützender Bruder, als Doktor oder Künstler auf. Er wurde in Stücken verschiedener historischer Epochen, inklusive Operetten, beschäftigt, sein Interesse am Gegenwartsdrama bewies jedoch die Auswahl seiner Benefizvorstellung (Freytag: Die Journalisten). Er hatte am Olmützer Theater monatlich siebzehn Auftritte und war gezwungen, viele Rollen eiligst einzustudieren. Obwohl die Besprechungen auch negative Bewertungen beinhalteten (Fehlen von Vornehmheit und Würde adeliger Personen), wurde seine Leistung insgesamt als vorzüglich eingestuft. Die Olmützer Kritik schätzte seine Energie und Begeisterung für das Spiel und den jugendlichen Schwung. Aus den Rezensionen geht hervor, dass er Sinn für schauspielerischen Witz und gute Fähigkeiten des Zusammenspiels und der Improvisation besaß.

Rollen in Olmütz

September 1889: Maler Leopold (C. Haffner: Therese Krones, Genrebild mit Gesang), Karlhan (Grillparzer: Der Traum ein Leben), Ramsdorf (Benedix: Das Gefängnis, Lustspiel), Sporner (Nestroy: Der Zerrissene). –Oktober 1889: Don Luis (A. Moreto: Donna Diana), Leopold (L´Arronge: Mein Leopold), Anatole (Ch. Birch-Pfeiffer: Ein Kind des Glücks), Henry de Symeux (Dumas ml.: Francillon), Der Rheingraf von Stein (Kleist: Das Käthchen von Heilbronn), von Rubke (Millöcker: Der Feldprediger, Operette), Der Timarch von Massalia (F. Halm: Der Sohn der Wildnis), Alcidor (Gutzkow: Der Königslieutnant, Lustspiel), Hauptmann von Rollet (A. Langer – F. v. Suppé: Ein Judas von anno Neune, Original-Charaktergemälde mit Gesang), Doktor Klingbach/Klingberg (J. Melbourn: Ein schwieriger FallLustspiel, novinka). – November 1889: Konrad (Raupach: Der Müller und sein Kind), Hans Rolland (F. v. Schönthan − Kadelburg: Goldfische), Max Piccolomini (Schiller: Die Piccolomini, Der Wallensteins Tod), Kupec Carl Theodor (Töpfer: Rosenmüller und Finke, Oder Abgemacht), Fechter Thumelicus (F. Halm: Der Fechter von RavennaTrauerspiel), Offizier Constantin (A. Dumas – A. d´Artois: Der Fall Clemenceau, Novität), Sohn Bruno (Birch-Pfeiffer: Mutter und Sohn), Doktor Steinkirch (G. Moser: Das Stiftungsfest), Edmund (Benedix: Die Hochzeitsreise). – Dezember 1889: Bürgermeister (Millöcker: Der Bettelstudent, Operette), Kosinsky (Schiller: Die Räuber), Eugen von Felsen, (F. W. Hackländer: Magnetische Kuren), Bräutigam Theobald (J. v. Forst: Scandal im Olmützer Theater oder Frankl im Publicum, Posse), Friedrich Hahn (Mosenthal: Ein deutsches Dichterleben), Octave (Ohnet: Der Hüttenbesitzer), Mortimer (Schiller: Maria Stuart), Leander (Grillparzer: Des Meeres und der Liebe Wellen), Lucentio (Shakespeare: Die bezähmte Widerspänstige), Kronwild (C. Morrée: s´Nullerl, Volksstück mit Gesang), Král Karel VII. (Schiller: Die Jungfrau von Orleans), Nicki Flatterschöffel (J. Wimmer – C. Kleiber: Die Gigerln von Wien, Posse mit Gesang). – Januar 1890: Wilhelm von Föhrenthal (Nestroy: Der Affe und der Bräutigam), Kupec Wellstein (Benedix:Doktor Wespe), Ferdinand Kraus (O. F. Berg – E. Stolz: Einer von unsere Leut, Posse), Graf Bela Palmay (F. v. Schönthan – Kadelburg: Die berühmte Frau), Syn Miguel (Echegaray: Galeotto, Novität), Berthold Eichmann (R. Kneisel: Der liebe Onkel, Schwank), Jaromir (Grillparzer: Die Ahnfrau), Baron Sperling (J. Stern: Die Hochzeit des Reservisten, Posse), Konrad Bolz (Freytag: Die Journalisten), Doktor Maithal (Cosmar: Die Liebe im Eckhaus). – Februar 1890: Ernst (Benedix: Der Vetter), Tempelherr (Lessing: Nathan der Weise), Champeaux (A. Bisson – A. Mars: O diese Schwiegermutter), Ferdinand (Schiller: Kabale und Liebe), Arthur (L. Goldhann: Ein verkauftes Herz), Hejtman Römhild (O. Stoklaska – M. Freiherr v. Willenfeld: Oberst Lumpus, Operette, Novität), August Sonders (Nestroy: Einen Jux will er sich machen), Don Alfonso (Wolff – C. M. v. Weber: Preciosa), Emil Groß (P. Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen). – März 1890: Chevalier Dumont (F. Raimund: Der Verschwender), De Siriex (Sardou: Fedora), Bruno Wismar (Benedix: Die zärtlichen Verwandten), Franz (Anzengruber: Der Meineidbauer), Friedrich von Goseck (E. v. Wildenbruch: Das neue Gebot), Gyges (Hebbel: Gyges und sein Ring), Urban (O. Justinus: Griechisches Feuer), Valentin (Goethe: Faust), Valentin (Mosenthal: Der Sonnenwendhof). – April 1890: Phaon (Grillparzer: Sappho).

Theatralia

Wiederfinden, ein Schauspiel in 3 Akten, Berlin–Cassierer 1901; Narrenglanz, ein Spielmannsdramma in 4 Akten, Berlin – Oesterfeld 1906.

Quellen

Tagebuch Rittners, Státní okresní archiv Jeseník [Staatlicher Kreiasarchiv Freiwaldau].

Periodika

Besprechungen: Mährisches Tagblatt [Olmütz], 38 Texte zwischen 16. 9. 1889 und 2. 4. 1890. – Die Neue Zeit. Olmützer politische Blätter, 54 Texte zwischen 14. 9. 1889 und 2. 4. 1890.

R. Zuber: R. R., in: Severní Morava: Vlastivědný sborník, sv. 5. Šumperk, Vlastivědný ústav, 1960, s. 44–51

V. Smolková: Zapomenutý umělec. Z kulturní historie Jesenicka, in: Jesenický kulturní zpravodaj, Jeseník nad Odrou, Obecní úřad 1960, s. 7–10 [Ein vergessener Künstler. Aus der Kulturgeschichte der Region Freiwaldau]

A. Pompe: R. R. – ein Schauspieler des Naturalismus, Diss. Wien 1988

G. Rühle: Theater in Deutschland 1887–1945. Seine Ereignisse – seine Menschen, Fischer 2007, siehe Register

J. Tunková: R. R. v Olomouci. Počátky kariéry jednoho z předních německých herců v Královském městském divadle, in: Divadelní revue 23, 2012, Nr. 1, S. 122–130 [R. R., Anfang seiner Karriere in Olmütz, Rollenverzeichnis, Bibliographie der Bersprechungen]

Brümmer, Eisenberg, Encyklopedie Slezska, Flüggen, Kosch Th, ÖBL


Bildung: 30.11.2012

Autor: Tunková, Jana