Riedl, Peter

Peter
Riedl
19. 12. 1852
Karlín (Prag, CZ)
26. 5. 1925
Kostrčany u Valče (CZ)
Dramatiker, Theaterkritiker, Prosaiker, Dichter, Librettist
Deutsch schreibender Dramatiker, Journalist und Theaterkritiker, der an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aktiv war. Autor von Theaterstücken und Einaktern überwiegend satirischen Charakters. Teilnehmer und Organisator des deutschen Vereinslebens in Prag.

Mit vollem Namen Peter Jan Christof Riedl. Er wurde als zweites von vier Kindern des Hausbesitzers in Karlín David Johann Riedl und seiner Frau Theresie geb. Modrá geboren und war der Enkel des bekannten Holzblasinstrumentenmachers in Kraslice Ignác Peter Riedl. Er absolvierte das Piaristische Gymnasium und die Handelsakademie in Prag. Auf Wunsch seiner Familie nahm er kurz darauf eine Stelle in einer Bank an, später wurde er Versicherungsbeamter. Nach dem Tode seiner Eltern widmete er sich systematisch der journalistischen Tätigkeit. Ab 1891 schrieb er für die Wochenzeitschrift Montags-Revue aus Böhmen, wo er regelmäßig in der Rubrik Prager Theaterwoche über das Geschehen in den Prager deutschen Theatern referierte, und nahm aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Er war Mitglied und 1896–98 stellvertretender Vorsitzender des Vereins deutscher Schriftsteller Concordia und Mitglied des rezessistischen Vereins Schlaraffia. Er gehörte zu den Veranstaltern regelmäßiger Feierlichkeiten deutscher Vereine Frühlingsfest in Prag. Parallel dazu machte er als Dramatiker von sich reden, seine Stücke wurden im Neuen Deutschen Theater und später im Vereinstheater aufgeführt, dessen Mitglied R. war.

Der Fünfakter Scipio Africanus minor wurde nie aufgeführt, sein Bühnendebüt feierte er 1890 mit dem Fünfakter Narrenrecht, inspiriert von der echten Figur des Bonvivants Bienvenuto Cellini, der im 16. Jahrhundert am Hofe des französischen Königs Franz I. weilte. Nach fünf Jahren Pause folgte die Premiere einer Parodie über das Leben einer Theaterfamilie König Lear im Rahmen eines Abends zum 15. Gründungsjubiläum des Deutschen Dilettantenvereins, und am selben Abend wurde auch das Gelegenheitsstück Lebendes Bild. Aufgeführt. Anschließend präsentierte R. seine zwei Possen Feuer in der Mädchenschule und Mein erstes Debut während eines Abends zugunsten des Fonds der Absolventen der Prager HandelsakademieDas Stück Glück? Mit naturalistischen Motiven schildert das ruhige Leben einer adeligen Gräfin in einem Renaissancestädtchen, die nicht ahnt, dass ihr Mann ein junges Mädchen verführt hat. Der Kritiker A. Klaar hob den psychologischen Aufbau des Werkes und die ausdrucksstarken gesellschaftlichen Typen hervor, das Stück stellte jedoch eine Provokation für die Zensur dar und hielt sich nicht lange im Repertoire. Die Posse Der Unwiderstehliche stieß auf herbe Kritik aus der Feder eines Redaktionskollegen des Autors, der unter der Chiffre Dr. A. G. schrieb. Seiner Ansicht nach handelte es sich um eine vertane Chance, in der R. vielversprechende komische Charaktere gezeichnet und ein gutes Gerüst verwendet habe, dies jedoch durch eine Vielzahl an groben und sich bis zum Überdruss wiederholenden Witzen als reiner Selbstzweck aufgebrochen habe. Zum 40. Jahrestag des Deutschen Turnvereins bearbeitete R. das Stück von C. Biberfeld mit lebenden Bildern Pallas und GermaniaR. ist der Autor von Libretti zum Ballett Karlsbad, ein Tanzmärchen (1902) und dem Volksstück mit Gesang Der Graf von Gleichen (1896) zu Musik von F. Mohaupt. Nachweislich das letzte aufgeführte Stück war das dramatische Gedicht für 31 gestalten Wieland der Schmied, in dem der Autor auf spektakuläre Weise die altgermanische Sage von Wieland dem Schmied verarbeitete. Danach trat er nicht mehr als Theaterautor in Erscheinung.

Als Dichter und Prosaiker schrieb R. für Zeitungen und Zeitschriften, so z. B. von 1899–1902 für die Zweiwochenzeitschrift Romanleser, die Bukowinaer Post und das Deutsche Volksblatt, wo er Scherzgedichte, anlassgebundene Oden zu Vereins- und Staatsjubiläen, Feuilletons mit Beobachtungen aus dem Umfeld des Theaters und satirische Prosa, die überwiegend auf Erscheinungen aus dem bürgerlichen Leben gerichtet war, veröffentlichte. Er beteiligte sich an mehreren Almanachen von Autoren der Prager deutschen Literatur. Er gab selbstständig die zwei Romane Echte Post Office mauritius zu verkaufen. Wo? (1895) und Peter Schlemihls zweite wundersame geschichte (1925) heraus. Im ersten wird die thematische Nähe zur Philatelie deutlich; R. war Inhaber und Herausgeber der Zeitschrift Austria-Philatelist.

Auch wenn R. als Theaterautor nicht die Grenzen des deutschsprachigen Prags überschritt, muss seine Theatertätigkeit im Kontext der Vereinsaktivitäten gesehen werden, die das Prager Kulturmilieu an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bestimmten.  

Pseudonyme und Chiffren

P. R., Pirol.

Stücke

Scipio Africanus minor, t. 1889 (nicht aufgeführt); Narrenrecht, t. 1889, Neues deutsches Theater 1890; Glück?, t. 1895, Theater des Deutschen Dilettantenvereines 1896; Feuer in der Mädchenschule, Theater des Deutschen Dilettantenvereines 1896; Mein erstes Debut, Theater des Deutschen Dilettantenvereines 1896;  König Lear, t. 1895, Theater des Deutschen Dilettantenvereines 1895; Pallas und Germania, NDT 1902 (Stück mit lebenden Bildern anlässlich des 40. Jubiläums des Deutschen Turnvereins, Koautor Carl Biberfeld); Frühlingsschauer, t. 1906; Wieland der Schmied, t. 1906, NDT 1908; Frühlingsschauer, t. 1906; Herz-Dame Sticht! Lustspiel in drei Akten, t. 1911).

Quellen

NA Prag: Polizeidirektion I, Konskription, Karton 510, Abb. 560, 592, 718 [Gattin Franziska geb. Jelen].

AHMP: Geburtenmatrikel, Karlín, Kirche St. Cyrill und Method, Sig. KAR N2, 1852–1855, S. 2. [online, zit. 24. 8. 2020] URL: http://katalog.ahmp.cz/pragapublica/permalink?xid=B2F713F541CF4131ACE85F93740D4DA9&scan=7

Literatur

Deutsche Musik-Zeitung (Wien) 15, 1888, Nr. 42 (Beilage mit Partitur der Hymne zum 40. Regierungsjubiläum Franz Josephs I.); Prager Tagblatt 16. 5., 18. 5., 19. 5. 1890 (Reaktionen auf die Aufführung des Stücks Narrenrecht), 7. 4. 1893 (P. R. angekündigt als Schriftführer des Ausschusses für das Frühlingsfest), 24. 11. 1895 (Ankündigung zur Aufführung der Stücke König Lear und Lebendes Bild), 19. 1. 1896 (Ankündigung der Possen Mein erstes Debut und Feuer in der Mädchenschule), 10. 3. 1896 (stellvertretender Vorsitzender im Verein Concordia), 9. 4. 1896 (Mitteilung über die Premiere des Stückes Glück?), 5. 8. 1897 (Mitteilung über die Premiere der Posse in drei Akten Der Unwiderstehliche), [Dr. A. G.] 9. 4., 10. 4. 1896, 7. 8. 1897 (Kritik des Stücks Der Unwiderstehliche), 21. 2. 1898 (stellvertretender Vorsitzender im Verein Concordia), 24. 4. 1900 (Mitgliedschaft im Deutschen Dilettantenverein), 23. 3. 1902 (Bericht über das 40. Jubiläum des Deutschen Turnvereins), 11. 6. 1908 (Ankündigung der Premiere des dramatischen Heldengedichts Wieland der Schmied), 22. 12. 1912 (zum 60. Geburtstag von P. R.); Prager Abendblatt 9. 4., 10. 4. 1896; Wiener Bilder 2. 4. 1902 (Reaktion auf die Aufführung von Pallas und Germania); Deutsche Zeitung Bohemia (Prag) 29. 5. 1925 (Nachruf P. R.); H. Schmuck, W. Gorzny (eds.): Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1700–1910, New York – London – Paris 1984, P. Becher u. Koll.: Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder, Stuttgart 2017; R. N. Bloch: Peter Riedl Bibliographie [online, zit. 27. 7. 2020], URL: https://robert-n-bloch.jimdofree.com/bio-bibliographien/riedl-peter/.

ČHS [in Riedl, Peter Ignaz, online, zit. 24. 8. 2020], URL: https://www.ceskyhudebnislovnik.cz/slovnik/index.php?option=com_mdictionary&task=record.record_detail&id=1000157, Heinrichsen, Kosel


Bildung: 2020

Autor: Misař, Aleš