Pohler, Amand

Amand
Pohler
24. 1. 1851
Wien
11. 12. 1903
Wien
Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller

1869 engagiert für das Rollenfach Jungen vom Lande am Landestheater in Linz. Obwohl er keine schauspielerische Ausbildung erfahren hatte, verkörperte er die Rolle des Kosinsky (Schiller: Räuber). Es folgten Engagements in Marburg, Esseg, Wien, Sopron, Budapest, Preßburg und Reichenberg. 1886 engagierte ihn Karl Freiherr von Stengel im deutschen Ensemble des Brünner Stadttheaters, wo er zu einer Stütze des Ensembles avancierte. Als Schauspieler stellte er einen trockenen und natürlichen Humor unter Beweis. Er widmete sich auch der Regie (und führte naturalistische Dramen auf). Von 1898 bis zu seinem Tod wirkte er im Kaiserjubilämus-Stadttheater in Wien. Unter dem Pseudonym Augustus schrieb er Feuilletons für Zeitungen. Er verfasste Prologe, Feststücke zur Eröffnung des neuen Karlsbader Theaters (1885) oder den Dramenscherz Aber Fritz! (1898).

Pseudonym Augustus. Sohn des aus Waldeck (Kreis Troppau / Oppava) stammenden Apothekers Amand Pohler und seiner Frau Anna, geb. Linzbauer, aus der damaligen Wiener Vorstadt Schottenfeld; ab 1888 mit Anna Pohler, geb. Schober, verheiratet; röm.-kath.

P. sollte ursprünglich Arzt werden und begann ein Medizinstudium (das sich an der Universität Wien jedoch nicht nachweisen lässt). Im Rahmen einer Studentenvorstellung soll er mit solchem Erfolg aufgetreten sein, dass er sich dem Schauspiel zuwandte und 1869 von Franz Thomé für das Rollenfach der Naturburschen am Linzer landschaftlichen Theater engagiert wurde. Dort verkörperte P., der keinerlei Schauspielunterricht erhalten hatte, seine erste größere Rolle als Kosinsky (Schiller: Die Räuber). In den frühen 1870er-Jahren wechselte P. nach Marburg, um 1876 spielte er in Esseg (Aktientheater), wo er bereits Väter- und Charakterrollen übernahm, und wirkte danach kurze Zeit an der Komischen Oper in Wien. Sein Engagement am deutschen Ödenburger Stadttheater um 1879 umfasste neben den Charakterrollen (1. humoristische Väter) bereits Regieführung – eine Eigenschaft, in der P. meist auch während seiner folgenden Engagements Beschäftigung fand. Diese führten ihn in den 1880er-Jahren nach Budapest (Deutsches Theater in der Wollgasse), Pressburg (Königlich freistädtisches Theater) und Reichenberg (Stadttheater), bevor er schließlich 1886 von Karl Freiherr von Stengel am das Brünner Stadttheater (heute Mahen-Theater) engagiert wurde, wo er über ein Jahrzehnt sehr erfolgreich tätig blieb. (P.s Schauspielerlaufbahn soll auch Stationen in Lübeck und Karlsbad beinhaltet haben, diese fanden jedoch in Theateralmanachen keinen Niederschlag.)

In Brünn avancierte P. dank seines trockenen, natürlichen Humors und seiner wirkungsvollen Spielweise rasch zum Publikumsliebling und zu einer der Stützen des Ensembles. Er verkörperte würdige Väter ebenso wie Pantoffelhelden, komische Greise oder polternde und raunzende Alte. Zu seinen besten Rollen zählten unter anderem Argan (Molière: Der eingebildete Kranke), Meister Anton (Hebbel: Maria Magdalene),  Habakuk (L. Fulda: Der Talisman) und Schöllhofer (C. Karlweis: Das grobe Hemd). Von Beginn seines Engagements an war er zudem als Regisseur des Schauspiels, des Lustspiels und der Posse – kurze Zeit auch der Tragödie – beschäftigt. Unter seiner Leitung fanden am Stadttheater erstmals Aufführungen naturalistischer Dramen statt (Ibsen: NoraGespensterHedda Gabler, Die Wildente, Hauptmann: Die versunkene GlockeHanneles Himmelfahrt). Teil seiner künstlerischen Tätigkeit war ferner das Verfassen beziehungsweise der Vortrag von Prologen zu festlichen Anlässen, etwa im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Carl Maria von Webers (1886), der Festvorstellungen des Deutschen Schulvereins (1889, 1890), der Trauerfeier für Ludwig Anzengruber (1889) sowie einer Vorstellung zugunsten eines zu gründenden Kranken-, Witwen- und Waisenunterstützungsfonds des Deutschen Journalisten- und Schriftstellervereines (1894). Für einen Gastauftritt Rosa (Albach-)Rettys 1896 im „Deutschen Haus“ schrieb er das Solo-Lustspiel Rosas Erwachen. Seine Abschiedsvorstellung am Brünner Stadttheater gab er, bereits als Gastspiel, am 1. 10. 1898 in der Rolle des Musiklehrers Mantius (Franz von Schönthan: Das letzte Wort).

1898 folgte P. dem Angebot von Adam Müller-Guttenbrunn, Direktor des neu errichteten Kaiserjubiläums-Stadtheaters (heute Volksoper), als Schauspieler und Regisseur nach Wien zu wechseln. Am neuen Theater trat P. schon in der Eröffungsvorstellung (14. 12. 1898) als Eginhardt in Heinrich von Kleists Die Hermannsschlacht auf und galt bald als bester und beliebtester Darsteller von Väterrollen. Als einer der meistbeschäftigten Schauspieler war er in den folgenden vier Jahren bis zu seinem Tod in etwa 75 Rollen – darunter in über 20 Hauptrollen, etwa als Gregor, Bischof von Chalons, in Grillparzers Weh dem, der lügt – zu sehen. Häufig verkörperte er Fabrikanten, Gutsbesitzer, Geschäftsmänner, Bauern, Handwerker oder Geistliche in Volksstücken, Schau- und Lustspielen seiner Zeit. Zu P.s besten Rollen zählten jene des Wiener Bürgermeisters Konrad Vorlauf (W. Madjera: Konrad Vorlauf), jene des Pater Jakob (K. Morre: Pater Jakob) sowie die des alten Fehringer in Rudolf Hawels sehr erfolgreichem Wiener Volksstück Mutter Sorge. Als Regisseur (ab 1901 Oberregisseur) war P. insbesondere die Gestaltung von Massenszenen ein Anliegen, wobei er die bildhafte Wirkung in den Vordergrund rückte und auf historische Treue bedacht war. Seinen letzten Auftritt hatte der schon seit längerer Zeit an einer Herzkrankheit leidende P. in der Rolle des Michel Quantner in Alexander Baumanns Singspiel Das Versprechen hinterm Herd, seine letzte Regiearbeit war die Inszenierung des Märchens Rotkäppchen zwei Wochen vor seinem Tod. Zu den mit dem Brünner Stadttheater vereinbarten Gastspielen war es nicht mehr gekommen.

Während seiner Brünner Zeit hatte P. auch zu schreiben begonnen. In seinen Feuilletons, die unter dem Pseudonym Augustus regelmäßig im Tagesboten aus Mähren und Schlesien erschienen, plauderte er über Wochenereignisse und charakterisierte mit gutmütigem Humor und Freude am Sprachwitz die Eigenheiten der (deutschsprachigen) Bewohner Brünns. Eine Auswahl seiner Feuilletons erschien nach P.s Weggang aus Brünn 1898 unter dem Titel „Rund um den Spielberg“.

Beiträge verfasste er auch für das Deutsche Volksblatt, die Ostdeutsche RundschauDie Reichswehr und andere Zeitungen. Darüber hinaus schrieb er das Festspiel zur Eröffnung des neuen Theaters in Karlsbad Der Musen Dank (1885), Humoresken, Gedichte und den dramatischen Scherz in einem Aufzug Aber Fritz! (1898). Seine letzte große Arbeit soll eine Geschichte des Wiener Kaiserjubiläums-Stadttheaters gewesen sein, die zu Weihnachten 1903 in den Buchhandel hätte gelangen sollen.

Quellen

Katholische Pfarre St. Laurenz am Schottenfeld, Wien: Taufregister 1851. – Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung: Korrespondenz. – Wiener Stadt- und Landesarchiv: Totenbeschauprotokoll, Verlassenschaftsabhandlung. – Katholische Pfarre Währing, Wien: Totenbuch 1903/122/567. – Theaterzettel des Kaiserjubiläums-Stadttheaters 1898–1903.

Periodika

Deutscher Bühnen-Almanach, Berlin 1870–1893 (mit Unterbrechungen). – Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger, hrsg. von Ernst Gettke, Leipzig 1877–1889 (mit Unterbrechungen). – Neuer Theater-Almanach, Berlin 1890–1905. – Tagesbote aus Mähren und Schlesien 20. 8. und 30. 9. 1898.

Nekrologe

Neue Freie Presse (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Fremden-Blatt (Abendblatt) 11. 12. 1903, Illustrirtes Wiener Extrablatt (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Ostdeutsche Rundschau (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Tagesbote aus Mähren und Schlesien 11. 12. 1903 (Abendausgabe) und 13. 12. 1903, Das Vaterland (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Die Zeit (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Wiener Zeitung (Abendausgabe) 11. 12. 1903, Arbeiter-Zeitung 12. 12. 1903, Neues Wiener Journal 12. 12. 1903, Reichspost 12. 12. 1903, Moravská orlice 13. 12. 1903, Wiener Bilder 16. 12. 1903, Neuer Theater-Almanach 16, 1905, S. 173f.

Literatur

Bühne und Welt, Berlin, Jg. 11, 1900, Nr. 15, S. 623, 626.

Ludwig Eisenberg’s Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert, Leipzig 1903, S. 779

G. Bondi (Hrsg.): Fünfundzwanzig Jahre Eigenregie. Geschichte des Brünner Stadttheaters 1882–1907, Brünn 1907, S. 51, 55, 72, 79, 96, 111, 124, 137, 138, 139, 143, 148, 151, 211, 212.

A. Müller-Guttenbrunn: Erinnerungen eines Theaterdirektors („Das Parteitheater, ein Wiener Kulturbild aus der Zeit der Jahrhundertwende“), hrsg. von R. Meinhart, Leipzig 1924, S. 90, 103, 106f., 150ff., 199f.

A. Gerstner, Adam Müller-Guttenbrunns Bemühungen als Theaterdirektor, Dissertation, Universität Wien, 1946, S. 131f.

E. Grünsteidl, Geschichte des Linzer landständischen Theaters im 19. Jahrhundert. Phil. Diss. Universität Wien, 1970, Teil 2: Ensembleverzeichnisse und Spielplanchronologie.

T. Sýkorová: Amand Pohler und seine Spaziergänge „Rund um den Spielberg“, Bakkalaureatsarbeit, Masarykova uniterzita, Brno, 2010.

BBLÖ, Eisenberg, Kosch Th, ÖBL

Porträts

Bühne und Welt, Berlin, sv. 11, 1900, č. 15, s. 623 (Rollenbildnis)

Rund um den Spielberg. Eine Sammlung ausgewählter Feuilletons von Amand Pohler (Augustus), Brünn, 1898 (Frontispiz)

Wiener Bilder 11. 12. 1898 (Tableau), 5. 3. 1902, 16. 12. 1903

Mitteilungen des Kaiserjubiläums-Stadttheaters (Theaterzettel), 19. 10. 1900 (Rollenbildnis), 22. 11. 1901


Bildung: 31.07.2013

Autor: Offenthaler, Eva