Ott, Karl (Carl)

Karl (Carl)
Ott
1. 7. 1843
Preßburg (heute Bratislava)
30. 8. 1903
Brünn
Schauspieler, Sänger, Bühnenbildner

Als Schauspieler debütierte er mit siebzehn Jahren in Preßburg. Ab 1876 ließ er sich dauerhaft in Brünn nieder (Interim-Theater, später Theater Na hradbách), wo er bis zu seinem Tode wirkte. In Brünn wirkte er in Neben-, aber auch in Hauptrollen mit, in der Oper war er erster Bassist. Außer dem Schauspiel und der Oper spielte er auch in Operetten, er arbeitete jedoch auch als Dekorationsmaler, Bühneninspektor und Requisiteur, Bibliothekar und Hilfskraft im Büro. 1885 feierte er sein fünfundzwanzigjähriges Wirken auf der Bühne in der Rolle des Astragalus in dem Stück von F. Raimund Der Alpenkönig und der Menschenfeind. Seine Tochter Gisela Ott, verheiratete Le Brȇt (1882 – 1958), war Schauspielerin. 

Hieß eigentlich Ottenreiter (getauft als Károly János Nep.). Sohn des Glasbläsermeisters Michal Ottenreiter und seiner Frau Anna, geb. Horváthová. Vater von Marie, Louise, Gisela (Gisa), Rosa, Julius, Karl und Wilhelm Ott(enreiter) (alle siehe unten). O. begann seine Theaterlaufbahn als 17-Jähriger unter der Direktion Leopold Kottauns am Königlich freistädtischen Theater in Pressburg, wo er als Bauernjunge in dem Stück „Der Teufel im Herzen“ debütierte, das erste halbe Jahr ohne Gage spielte und auch im Chor zu singen hatte. Später soll er Kottaun nach Baden und Ödenburg gefolgt sein und 1861 unter Direktor Zöllner in Brünn gespielt haben (Tagesbote aus Mähren und Schlesien 14. 3. 1900).

Im Deutschen Bühnen-Almanach taucht O. erst wieder 1864 in Pressburg auf. Um 1866 wechselte er nach Temesvar (Königlich Freistädtisches Theater, vereinigt mit dem Stadttheater Hermannstadt), weitere Engagements führten ihn nach Linz (Landschaftliches Theater), erneut nach Pressburg, an das mit dem Ischler Stadttheater vereinigte Theater in Salzburg, vermutlich auch nach Bozen (Stadttheater) und wiederum nach Salzburg. An den beiden letztgenannten Bühnen war er auch als Inspizient tätig. In Baden bei Wien und Wiener Neustadt übernahm er anschließend Baritonpartien und Chargenrollen. 1876 spielte er in Pressburg (Königlich Freistädtisches Theater) Jugendliche Liebhaber und Naturburschen und folgte im selben Jahr Direktor Ignaz Czernits an das Brünner Interimstheater, an dem er Chargenrollen, aber auch 1. Helden verkörperte und in der Oper mit 2. Basspartien betraut wurde. Nach Ablösung des Interimstheaters durch das neu errichtete Brünner Stadttheater (heute Mahen-Theater) übernahm ihn Direktor Adolf Franckel in sein Ensemble, und O. trat schon in der Eröffnungsvorstellung am 14. 11. 1882 (Sylva /J. W. v. Goethe, Beethoven: Egmont) auf. Er wirkte an dieser Bühne bis zu seinem Tod sowohl in Schauspiel- wie auch in Opern- und Operettenaufführungen mit und war unter einer langen Reihe von Theaterdirektoren tätig. Als vielseitiger, verlässlicher Künstler und „grande utilitée“ wurde O. in allen Rollenfächern und Genres beschäftigt. Daneben betätigte er sich auch als Dekorationsmaler (so fertigte er beispielsweise 1879 das „verwunschene Schloss“ für die Aufführung von Carl Millöckers gleichnamiger Operette an) und übte darüber hinaus die Funktionen des Szenerieinspektors, Requisiteurs, Bibliothekars und Kanzleigehilfen aus. Am 22. 3. 1885 feierte er sein 25-jähriges Bühnenjubiläum (Astragalus /F. Raimund: Der Alpenkönig und der Menschenfeind), 1888 hatte er anlässlich eines Ensemblegastspiels des Theaters an der Wien Gelegenheit, mit Alexander Girardi auf der Bühne zu stehen (Wixerl, ein Fiaker /J. Bauer – I. Fuchs – F. Zell, Musik: A. Müller, J. Stern und andere: Die Wienerstadt in Wort und Bild). Als meistbeschäftigtes Ensemblemitglied brachte er es bis zu seinem 40-jährigen Bühnenjubiläum am 14. 3. 1900 auf 7.096 Auftritte, somit auf durchschnittlich 196 Spielabende pro Jahr, wobei O. „stets zu jenen verlässlichen, ein mittleres Maß von Technik sicher beherrschenden Schauspielern“ zählte (Tagesbote aus Mähren und Schlesien, 3. 3. 1900). Nie soll er einen Auftritt abgesagt haben. Als O. 1903 als ältestes Mitglied des Brünner Stadttheaters starb, hinterließ er aufgrund seines weitgestreckten Rollengebiets eine merkliche Lücke; vier Mitglieder teilten sich sein künstlerisches Erbe. Eine kurze Charakteristik des beliebten Schauspielers lieferte Gustav Bondi in seinen Brünner Theater-Humoresken, in denen er schrieb, dass O.s „gerne zur Schau getragenes ernstes, fast feierliches Wesen gar seltsam zu seinem urwüchsigen Humor kontrastierte.“ Der Tagesbote aus Mähren und Schlesien (14. 3. 1900) verwies auf die Bescheidenheit des Künstlers: „Er hat es nie verstanden, aus sich ‚etwas zu machen‛, er hat alle Gesellschaften gemieden, er lebte nur seinem Berufe und seiner Familie.“

O.s Ehe mit Lina Ottenreiter entstammten neun Kinder, von denen sechs schon früh mit dem Schauspiel in Berührung kamen: Gisela (Gisa), Rosa, Karl, Julius und Wilhelm traten in Kinderrollen am Brünner Stadttheater auf, wobei bis zu vier Familienmitglieder gemeinsam auf der Bühne standen (etwa in J. Haßreiter – F. Gaul – J. Bayer: Die Puppenfee, 1892, oder in R. Köller – J. Bayer:Der Kinder Weihnachtstraum, 1894). Vor allem Gisela Ott (verheiratete Ott-Le Brêt, Le Brêt-Ott) (* Brünn, 1. 5. 1882; † Innsbruck, 30. 10. 1958) spielte häufig zusammen mit ihrem Vater (unter anderem in H. Meilhac und L. Halévys Frou-Frou, 1889 als Bohnenblüte in ShakespearesSommernachtstraum, in Shakespeares Macbeth, 1890 als Illi, Briefbote im Geisterreiche, ferner in F. Raimund/ Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär, Molière: Der eingebildete Kranke und als Infantin Clara Eugenia /F. Schiller: Don Carlos). Wiederholt verkörperte sie Knabenrollen, etwa 1889 den Bob in Ibsens Nora oder Ein Puppenheim. 1904 war sie als erste sentimentale Liebhaberin am Marburger Stadttheater engagiert, im Mai 1905 gastierte sie am Brünner Stadttheater. Als Erwachsene wirkte sie später am Innsbrucker Landestheater, am Linzer Landestheater und ab der Spielzeit 1917/18 zusammen mit ihrem Mann Geo Le Brêt († Innsbruck 1927) wieder am Innsbrucker Landestheater. 1942 feierte sie ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. Bis 1944 gehörte Gisa der Tiroler Exl-Bühne an. Nach dem 2. Weltkrieg lebte sie in Wien. (Hauptrollen Elisabeth /F. Schiller: Maria Stuart, Gräfin Terzky /F. Schiller: Wallenstein, Rebekka West /H. Ibsen: Rosmersholm, Hanne Schäl /G. Hauptmann: Fuhrmann Henschel etc.)

O.s älteste Tochter, Marie O. (recte Ottenreiter, Bühnenname Hold), war 1898/99 im Fach der 2. Liebhaberinnen am Brünner Stadttheater engagiert. Sie erkrankte jedoch bald darauf und starb nach langem Leiden am 11. 7. 1900. Eine weitere Tochter, Louise, betrat die Bühne hingegen nie.

Julius O. (Ottenreiter), der in Kinderrollen am Brünner Stadttheater zu sehen war (unter anderem 1891 mit seinem Vater und seiner Schwester Gisela als Zwerge in der Weihnachtskomödie Schneewittchen und die sieben Zwerge) wurde später Stadtbauamtsadjunkt und war der Straßenbauabteilung zugeteilt. Er fiel 1915 bei einem Nachtangriff vom 11. auf den 12. 9. und wurde auf dem Friedhof Uglischte südlich Derazno in Wolhynien beigesetzt.

Von Karl O. ist bekannt, dass er 1888 als 10-Jähriger in einem Deklamationsstück aus Anlass des 40-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs  auftrat.

Rollen von Karl Ott (Auswahl)

Schauspiel: Battista, Kammerdiener des Marinelli /G. E. Lessing: Emilia Galotti; Der Doge von Venedig /W. Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig; Dubois, Sergeant /K. Kraatz – H. Stobitzer: Mamselle Tourbillon; Mitauflet /A. Hennequin: Durchgebrannt; Franz /F. Kaiser: Jagd-Abenteuer; Schuster /M. Gorki: Nachtasyl; Schulmeister /G. Hauptmann: Die versunkene Glocke; Hoppe /M. Halbe: Jugend; General Rieger /H. Laube: Die Karlsschüler; Kaiser Heinrich /A. v. Wilbrandt: Der Graf von Hammerstein; Hartl, Mitglied des Ruderclubs /E. Kornau – A. Floderer: Der Teufel in Brünn; Abraham, ein blinder Greis /S. H. Mosenthal: Deborah; Pitou, Souffleur /H. Meilhac – L. Halévy: Frou-Frou; Bustorius, Zauberer aus Warasdin /F. Raimund: Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär; Dr. Diafoirus /Molière: Der eingebildete Kranke.

Oper und Operette: Ein Notar /V. Bellini: Die Nachtwandlerin; Ein Steuermann /R. Wagner: Tristan und Isolde; Donner /R. Wagner: Das Rheingold; Alberti, Ritter /E. Scribe – G. Delavigne – G. Meyerbeer: Robert der Teufel; Antonio /W. A. Mozart: Die Hochzeit des Figaro; Edmund Lohse, Fabrikant /A. Landesberg – L. Fischel – A. Grünfeld: Der Lebemann; Baal-Hanan /K. Goldmark: Die Königin von Saba; Der Wirt /C. M. von Weber: Die drei Pintos; Alexandri, Prutscheskos Verwalter /F. Zell – R. Genée – C. Millöcker: Apajune der Wassermann; Louchard, Polizei-Agent /L. F. Clairville – M (P.) Siraudin – V. Koning – Ch. Lequocq: Angot, die Tochter der Halle; Kuno, Burgvogt /A. Just – J. Hellmesberger jun.: Der Graf von Gleichen; Giorgio Testaccio /F. Zell – R. Genée - J. Strauß: Eine Nacht in Venedig; Schneck, Dorfschulze /M. West – L. Held - K. Zeller: Der Vogelhändler

Archiv

MV SR

Archiv hl. mesta SR Bratislavy, Matrika pokrstených, Rimsko katolicky farský úrad, Sv. Martin, Bratislava, Matr. zv.: 34(603) / str. 39 / č. 376, rok 1843

Literatur

Tagesbote aus Mähren und Schlesien 19. und 23. 3. 1885, S. 4 (25-jähriges Bühnenjubiläum)

Tagesbote aus Mähren und Schlesien 3. und 14. 3. 1900 (40-jähriges Bühnenjubiläum)

Tagesbote aus Mähren und Schlesien 30. 9. 1915 (zum Tod von Julius Ottenreiter)

Theaterzettel des Brünner Stadttheaters: Österreichisches Theatermuseum, Wien

Brünner Theater-Blatt nebst Kunst-, Concert-, Vergnügungs- und Fremdenverkehrs-Anzeiger (einzelne Ausgaben aus den Jahren 1880er- und 1890er-Jahren; soweit im Österreichischen Theatermuseum vorhanden)

Deutscher Bühnen-Almanach, Berlin, 1860-1892 (mit Unterbrechungen)

Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger, Leipzig, 1875-1889

Neuer Theater-Almanach 1890-1903

Deutsche Bühnen-Genossenschaft. Offizielles Organ der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, red. J. E. Bálásits, Jg. 29, 1900, Nr. 12, S. 145, Berlin (40-jähriges Bühnenjubiläum)

Gustav Bondi: Ein im Gedanken stehen gebliebener Schnabelschuh, in: ders.: Brünner Theater-Humoresken, Brünn 1910, S. 28-30

Gustav Bondi: Geschichte des Brünner deutschen Theaters 1600-1925, Brünn 1924, S. 22

Gustav Bondi (Hrsg.): Fünfundzwanzig Jahre Eigenregie. Geschichte des Brünner Stadttheaters 1882-1907, Brünn 1907, s. Reg.

E. Marktl, Ott Karl, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 7, Wien, 1977, S. 267f.

Nekrologe:

Neue Freie Presse 31. 8. 1903, S. 7; Neuer Theater-Almanach 15, 1904, S. 155;Tagesbote aus Mähren und Schlesien 31. 8. 1903, S. 4

Flüggen, Kosch Th, ÖBL, Ulrich

Nekrology

Neue Freie Presse 31. 8. 1903, s. 7; Neuer Theater-Almanach 15, 1904, s. 155; Tagesbote aus Mähren und Schlesien 31. 8. 1903, S. 4

Zu Gisa (Gisela)

Wilhelm Kosch: Deutsches Theater-Lexikon, Bd. 3, Klagenfurt – Wien 1960, S. 1715

K. P.: Ein Frauenleben für die Bühnenkunst. Zu Gisa Ott-Le Brets 75. Geburtstag, in: Tiroler Tageszeitung 2. 5. 1957, S. 5

Deutsches Bühnen-Jahrbuch Jahrgang 54/1943, o. J., S. 50 (60. Geburtstag, 40jähriges Bühnenjubiläum)

Deutsches Bühnen-Jahrbuch Jahrgang 68/1960, 1959, S. 81 (zum Tod)

Zu Marie

Tagesbote aus Mähren und Schlesien 11. 7. 1900, S. 3 (zum Tod)


Bildung: 30.11.2012

Autor: Offenthaler, Eva