Czernits, Ignatz

Ignatz
Czernits
27. 5. 1814
Fünfkirchen (Pécs, H)
22. 1. 1896
Peggau (A)
Regisseur, Schauspieler, Regisseur, Sänger

Er wirkte in einer ganzen Reihe von österreichischen Theatern. Ab 1868 leitete er vier Saisons lang das Theater in Olmütz, wo er auch als Sänger auftrat. Später widmete er sich überwiegend der Regie. 1875 – 1878 mietete er die städtische deutsche Bühne in Brünn an. Auf beiden Bühnen führte er vor allem populäre zeitgenössische Stücke und Operetten auf, wobei er sich auf Gastspiele bekannter Schauspielpersönlichkeiten konzentrierte.

Auch Ignaz oder Ignác Czernits, Ignatz Čzernits oder Čzernitz, ungeklärt bleibt das Pseudonym Tobias Pelikan. C. wirkte an einer Reihe österreichischer Theater. Seine ersten Wirkungsstätten sind nicht bekannt (im November 1868 feierte er in Olmütz sein dreißigjähriges Bühnenjubiläum, er muss seine Tätigkeit also um 1838 begonnen haben). Der Almanach für Freunde der Schauspielkunst 1850 belegt erst für die Saison 1849/50 sein Engagement am priv. Städtischen Theater des Herrn von Pichler in Fünfkirchen, an dem nur von Oktober bis Ostern gespielt wurde; dort war C. Mitdirektor und Sänger in lokalkomischen Rollen (Bariton). 1851/52 war er Direktor und zugleich Schauspieler am Theater in Esseg (Eszék oder Osijek, heute Kroatien), das dank der Sommerarena ganzjährig bespielt werden konnte. Ab der Saison 1854/1855 verzeichnet ihn der Deutsche Bühnenalmanach in Graz, wo er Regisseur der Posse und Sänger in ersten komischen Rollen (Bariton) war. 1860 ist auch seine Frau (ohne Vornamen) in Rollen als Liebhaberin und Soubrette vermerkt. Ab 1864 war er Pächter und Regisseur des Ständischen Theaters in Graz sowie Eigentümer des konzessionierten Thalia-Theaters, dessen Bühne er in Gestalt eines Amphitheaters neu errichten ließ. Das Haus fasste über 2500 Zuschauer, war mit Dekor aus der Wiener Hofwerkstatt und 400 Gasbrennern ausgestattet, die leuchteten und den Raum beheizten. Obwohl C. sich bemühte, den Publikumskreis zu vergrößern (er veranstaltete auch Kindervorführungen), geriet er in Anbetracht der Konkurrenz durch das Ständische Theater in finanzielle Schwierigkeiten. Als er 1868 nach Olmütz ging, wollte er die private Bühne behalten, übergab sie aber schließlich seinem Nachfolger am Ständischen Theater Eduard Kreibig. 

Direktor des Olmützer Theaters war C. nur vier Saisonen lang (1868–1872), obwohl der Vertrag auf sechs Jahre lautete (1. 7. 1868 – 30. 6. 1874). Um die ökonomische Seite kümmerte sich 1868–1870 sein Sohn Alois (Louis) Czernits, in das Theaterunternehmen wurde auch seine Frau aufgenommen. Er übernahm das Theater von Direktor Carl König.

Als sich C. um das Olmützer Theater bewarb, bot er einen reichen Fundus und ein neuartiges Repertoire an. Die Stadt erwartete vermutlich Investitionen in das Gebäude selbst (es fehlte elektrisches Licht, das Publikum beklagte sich über abgenütztes und ungemütliches Interieur), aber C. beschränkte sich auf das vertraglich vereinbarte Minimum. Er verstand es, einflussreiche Bürger durch attraktive Veranstaltungen zu gewinnen, wie zum Beispiel durch die erwähnte 30-Jahr-Feier seiner Künstlerlaufbahn, bei der er am 17. 11. 1868 in jener Rolle auftrat, in der er als Schauspieler begonnen hatte (Nazi / Nestroy: Eulenspiegel). Er war der erste Olmützer Direktor, der im neuen Gebäude keine Miete bezahlte. Vonseiten des Rathauses handelte es sich um eine Form der Subvention, die vertragliche Kaution betrug lediglich 1000 fl. Für die Dekoration musste C. selbst aufkommen, danach sollte sie in das Eigentum der Stadt übergehen. Die Saison dauerte von Mitte September bis Palmsonntag. Neben Abonnementsvorstellungen (d. h. für höhere Preise) konnte er 24 Stücke pro Saison aufführen. Die Eintrittspreise sollte er in jener Höhe belassen, die unter seinem Vorgänger König gegolten hatte, aber bereits in der zweiten Saison erhöhte er die Preise für die Logen und führte einige teurere Plätze ein. Er vermied Verluste durch Benefizvorstellungen dadurch, dass er eine finanzielle Beteiligung an deren Erlös für sich aushandelte. Die Stadt erwarb neue Blasinstrumente, wie sie international verwendet wurden, in der sog. Pariser Stimmung, die einen Halbton tiefer war als in Olmütz üblich, was Gastspiele erleichterte. Die städtischen Beamten verlangten dagegen eine höhere Summe für die Vermietung der Stadtkapelle, die den Kern des Theaterorchesters bildete (über 30 Spieler). Dem Direktor gelang es, eine Ausnahme von dem Vertrag zu erwirken, der es verbot, gleichzeitig eine weitere Bühne zu führen: 1870–1875 leitete er gemeinsam mit Adam Bauer das deutsche Theater in Pressburg, und Bauer fungierte in C.s zweiter Olmützer Saison als einer von zwei Direktoren. Auf sein Ansuchen erlaubte der Gemeinderat im Herbst 1869 auch eine tschechische Sonntagsvorstellung für die Anna-Štanderová-Gesellschaft, die schon unter König im Stadttheater gespielt hatte, im Januar 1870 spielte die Gesellschaft Václav Svoboda.

Die Spannungen zwischen der Stadt und C., ausgelöst durch Geldmangel, vertieften sich während der zweiten Saison und der Direktor kündigte den Vertrag. Nach Protesten des Publikums und der Presse änderte das städtische Kollegium seinen Standpunkt, sodass C. für kurze Zeit blieb. Er beantragte die Auflösung des Vertrags zum 1. 5. 1872 und verwies auf die wirtschaftliche Unmöglichkeit, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die monatlichen Ausgaben von 4.000 fl. überstiegen die Möglichkeiten des Theaters, besonders für die hohen Honorare der Sänger. Die Krisensituation verschlechterte vermutlich C.s Gesundheitszustand, der auch das Repertoire zur Jahreswende von 1869/70 und im Januar 1871 beeinflusste.

In der ersten Saison führte C. Regie bei Opern, Operetten und Possen, er trat als Sänger auf und behielt sich die gesamte Oberregie, auf die er schrittweise seine Pflichten reduzierte. Er galt als fähiger Komiker, seine Regie entsprach weitestgehend den Erwartungen, auf eine prunkvolle Ausstattung achtete er nur bei Premieren mit erhöhten Eintrittspreisen. Er verfügte nicht immer über ein komplettes Ensemble, und wie es auch anderenorts üblich war, übernahm eine Reihe von Ensemblemitgliedern Rollen außerhalb ihres Fachs. Er gewann bedeutende Persönlichkeiten für Gastspiele, vor allem von Wiener Bühnen (z.B. sang Amalie Friedrich-Materna im März 1872 die Titelfigur in Meyerbeers Afrikanerin und in Verdis Maskenball).

Das Repertoire bestand vorwiegend aus populären Werken (Theaterstücke von Ch. Birch-Pfeiffer, R. Benedix, J. Nestroy, O. F. Berg, A. Baumann, E. Raupach). Sporadisch wurde Mosenthal oder Grillparzer gespielt. Nur in Ausnahmefällen, vor allem anlässlich von Jubiläen, gelangten Werke von Schiller oder Goethe, im Januar 1872 Lessings Minna von Barnhelm zur Aufführung. Das französische Drama war durch V. Sardou oder G. Sand vertreten. Am Ende der Saison 1870 hatte Shakespeares Hamlet Premiere, solche Stücke hingen jedoch von den Gästen ab, deswegen blieben sie nie dauerhaft auf der Bühne. In der Oper brachte C. Verdis Maskenball nach Olmütz, in der Saison 1869/70 Lortzings Undine, Wagners Lohengrin und Meyerbeers Afrikanerin, und zur Beethoven-Feier studierte er Fidelio neu ein (1870). Das Gegenstück zu solchen Abenden waren prunkvoll inszenierte Premieren Offenbach’scher Operetten (Die Großherzogin von Gerolstein, Blaubart) und Parodien berühmter Opern (z.B. DinöhrlMargarethe und FäustlingLohengelb oder „Posse“ Tannhäuser. Außerdem führte C. in Olmütz Weihnachtsvorstellungen für Kinder ein.

Nach seinem Fortgang aus Olmütz konzentrierte sich C. vor allem auf das Theater in Pressburg. 1875 mietete er das deutsche Stadttheater in Brünn.  Das Brünner Ensemble trat seit 1871 im sog. Interimstheater auf, das nach dem Brand des alten Gebäudes (25. 6. 1870) von einem separaten Konsortium aufgebaut und geführt wurde. C. war dessen dritter Direktor. Sein Vorgänger Adolf Franckel führte das Konsortium durch seine hohen künstlerischen Ansprüche an die Schwelle des Bankrotts, während Heinrich Hirsch sich zu sehr auf das Geschäftliche konzentrierte. C. wurde als Unternehmer aufgenommen, der fähig war, einen Mittelweg zu finden. Während seines Mandats wurde das Theater der Stadtverwaltung (1. 1. 1877) unterstellt. Die finanzielle Situation blieb weiterhin labil und C. musste die Saison auf zehn Monate verkürzen. 1878 verließ er Brünn. Wo er danach wirkte, ist unbekannt (das ÖBL führt Klagenfurt und Innsbruck an, belegt für das Jahr 1884).

Auch in Brünn gewann C. das Publikum mit populären zeitgenössischen Stücken, Operetten, Wiener Gästen (Josef Beck, Adolf von Sonnenthal, Johanna Buska, Katharina Schratt, Amalie Friedrich-Materna, Wilhelm Knaack, Josefine Gallmeyer, Suppé als Dirigent) und außergewöhnlichen Ereignissen: 1877 feierte er unter Teilnahme der Öffentlichkeit das 40-jährige Jubiläum seiner Bühnentätigkeit. Gleich im Herbst 1875, etwa einen Monat nach der Aufführung in Prag, ließ er das finanziell gewinnbringendste aktuelle Stück, das „Spektakelstück“ Die Reise um die Erde in achtzig Tagen (d'Ennery und J. Verne), mit Dekoration und Kostümen nach Wiener Entwürfen mit Lichteffekten aufführen. Sein Opernrepertoire hatte mehr Qualität als das Schauspiel, das vor allem aus den üblichen zeitgenössischen Produktionen bestand. Er führte ältere Opern auf, die zu dieser Zeit nicht mehr so geläufig waren (Donizetti: Der Liebestrank, Maria di Rohan, Bellini: Romeo und Julia, Auber: Die Ballnacht) und hielt Schritt mit den Premieren von Verdis Werken (La Traviata 1876). Herausragend war die Einstudierung von Bendas Melodram Ariadne auf Naxos (1875, in Brünn bereits 1858). Klassische Dramen wurden nur selten und mit höchstens einer Reprise gespielt (Schiller: Die Räuber, Maria Stuart 1875, Lessing: Nathan der Weise, Emilia Galotti, 1875, Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig, 1876, Hamlet 1876 dreimal, u.ä.).

Quellen und Literatur

Archiv města Olomouce, Státní okresní archiv Olomouc: Protocolle über die Sitzungen des Stadtverordneten-Collegiums 1868, 1869, unter veränderten Titeln für Jahre 1870, 1871, 1872. Registratura hospodářská 1786–1873, Kart. 1048 (písemnosti a smlouvy), Sammlung von Theaterplakaten (Sign. C). – Moravský zemský archiv v Brně: Beiträge zur Geschichte des Olmützer Theaters gesammelt von Hans Welzl, Correspondent der kk. Central-Commission, I., II., Brünn 1896; Sbírka rukopisů Německého historického spolku Brno (Eigentum des Deutschen Vereines für Geschichte Mährens und Schlesiens), Fond G 13, Sign. 358/16. – Vědecká knihovna in Olomouc: J. Čičatka: Dějiny olomouckého divadla, doba nejstarší, Olomouc [1985], 79 Typoskript, inkl. Beilagen, Sign. B II 291.170;  Remeš, M.: Rukopisný materiál k dějinám olomouckého divadla, Olomouc, před r. 1955. Beilagen: M. Remeš: K dějinám divadla olomouckého a brněnského. Výstřižky z novin „Pozor“ 1933, r. 40 a další dokumenty z Remešovy pozůstalosti, Sign. B II 291.171.

Almanach für Freunde der Schauspielkunst 14, Berlin 1850, S. 121–122 (Fünfkirchen), 16, 1852, S. 168–169 (Esseg). – Deutscher Bühnenalmanach 19, 1855; 20, 1856, S. 194–195 (Ständisches Theater Graz), Informationen über das Theater Thalia in Bd. 29, 1865, S. 131.  –  Almanach des königlich städtischen Theaters in Olmütz für das Jahr 1868, Olmütz 1868; Theater-Almanach königl. städt. Theaters in Olmütz. Souvenir zum neuen Jahre 1870.  Olmütz 1870; Almanach des k. städt. Theaters in Olmütz. [...] zum neuen Jahre 1871. Olmütz 1871. – Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger, 6, Leipzig 1878, S. 121–122; 15, Leipzig 1887, S. 28. – Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 1, 1897, Totenliste, Berlin 1897, S. 338–339. – Deutscher Bühnen-Almanach  33, Berlin 1869, S. 253–254; 34, 1870, S. 252–253; 35, 1871, S. 235–236; 36, 1872, S. 240–242; 51, 1887, S. 196–198. – Neuer Theater-Almanach 8, Berlin 1897, S. 169.

Kosch, ÖBL (Vorname Franz), Ulrich (weieres über das Pseudonym)

Periodika

Periodika: Deutsches Volksblatt für Mähren (1872), Die neue Zeit (1868–1872), Olmützer Zwischen-Akt (1868–1872), Rappelkopf (Olomouc 1868); A. Rille: Die Geschichte des Brünner Stadt-Theaters 1734–1884, Brünn 1885; R. Tyrolt: Aus dem Tagebuche eines Wiener Schauspielers 1848–1902, Wien und Leipzig 1904; R. Tyrolt: Vom Lebenswege eines alten Schauspielers, Wien 1914; G. Bondi: Geschichte des Brünner deutschen Theaters 1600–1925, Brünn 1924; S. Langer: Stručná historie divadla v Olomouci, Typoskript, Divadelní ústav Praha, undatiert [1961]; M. Cesnaková-Michalcová: Geschichte des deutschsprachigen Theaters in der Slowakei, Köln 1997; J. Zatloukalová: Brněnské divadlo. Repertoár v letech 1848–1914, 2 Bd., Brno 2001; J. Štefanides: Německé divadlo v Olomouci 1770 – 1944. Repertoár a členstvo. Elektronische Datenbank, Umělecké centrum UP v Olomouci, Dokum. centrum dramatických umění, Olomouc 2006; J. Štefanides a kol.: Kalendárium dějin divadla v Olomouci (seit 1479; Hrgs. Jan Dvořák), Praha 2008; L. Topoľská: Německá divadlo, in: Dějiny Olomouce II (Hrgs. J. Burešová u. J. Schulz), Univ. Palackého v Olomouci 2009, S. 88–89; J. Balatková: Německá opera, in: Dějiny Olomouce II (Hrgs. J. Burešová u. J. Schulz), Univ. Palackého, Olomouc 2009, S. 97–105; Havlíčková, M., Pracná, S., Štefanides, J.: Německojazyčné divadlo na Moravě/Deutschspachiges Theater in Mähren und Schlesien 1/3. Ředitelé městských divadel/Direktoren der Stadttheater, Univ. Palackého v  Olomouci 2011.


Bildung: 30. 11. 2012

Autor: Ludvová, JitkaKopecký, Jiří