Claar, Hermine

Hermine Claar. Neuer Theateralmanach, Berlin 1910, online: https://archive.org/details/deutschesbhnen1910genouoft.
Hermine
Claar
8. 4. 1844
Wien (A)
21. 11. 1908
Frankfurt am Main (D)
Schauspielerin

Im Rollenfach junger Liebhaberinnen debütierte sie 1864 in Pest. Im Stadttheater in Leipzig lernte sie ihren künftigen Mann, den Regisseur Emil Claar, kennen (Heirat 1871). 1872 – 1876 wirkten sie zusammen im deutschen Schauspielensemble des Prager Ständetheaters. Sie spielte verschiedene Typen von Rollen, vor allem Lustspielgestalten und jüngere Salondamen. Nach der erfolglosen Kandidatur ihres Mannes für die Stelle des Theaterdirektors gingen beide ans Berliner Residenztheater (1876). Später wirkte sie als Schauspielerin ohne ständiges Engagement.

Gattin des Regisseurs Emil Claar, geb. Delia. Bereits in ihrer Jugend nahm sie in Wien Schauspielstunden bei dem Schauspieler des Hoftheaters Josef Lewinsky und in der Theaterschule von Heinrich Strakosch. Sie debütierte 1864 im deutschen Theater in Pest. Direktor Charles S. Maurice lud sie kurz darauf in das Hamburger Thalia-Theater ein, wo sie Rollen junger Liebhaberinnen spielte. 1866 wirkte sie im Königlichen Schauspielhaus in Berlin, doch noch im selben Jahr wechselte sie ans Hoftheater Schwerin, wo sie entscheidende schauspielerische Erfahrungen für Rollen eleganter Anstandsdamen und pikanter Heldinnen anspruchsvollerer Komödien und moderner Dramen sammelte. 1868 trat sie in einem Gastspiel im Theater an der Wien in Heinrich Laubes Stück Böse Zungen auf. Die erfolgreiche Premiere mit einigen Wiederholungen bedeutete für sie eine Begegnung mit dem Autor – dem Direktor des Stadttheaters in Leipzig, der ihr ein Engagement anbot (1869–1872). Dort lernte sie den Schauspieler und Regisseur Emil Claar kennen, den sie am 20. November 1871 in Leipzig heiratete. Sie ging mit ihm ans Hoftheater nach Weimar.

Im Sommer 1872 zog das Ehepaar nach Prag. Sie folgten einer Einladung des Direktors des Ständetheaters Rudolf Wirsing. C.-D. erhielt viele Gelegenheiten, in unterschiedlichen Rollentypen aufzutreten. Ihr Prager erfolgreiches Debüt feierte sie am 6. 7. 1872 in Töpfers Stück Der beste Ton als Leopoldine von Strehlen (es folgten mehrere Reprisen). In weiteren Vorstellungen verkörperte C.–D. vor allem Lustspielgestalten und jüngere Anstandsdamen in Konversationsstücken. Ihr Prager Engagement wurde von ihrem persönlichen Konflikt mit einer anderen bekannten Schauspielerin des Prager Theaters, Anna Hauptmann–Versing (geb. 1833) überschattet. Diese trat vor allem in Helden- und tragischen Rollen auf, doch hatte sie auch Damen mittleren Alters in Konversationsstücken in ihrem Repertoire und beherrschte herausragende sprachliche Mittel. Anna Versing stammte aus einer Prager Schauspielerfamilie (ihr Vater Hugo Versing war Bassist des Opernensembles) und hatte unter Fachleuten und auch beim Publikum einen ausgezeichneten Ruf. Die persönlichen Konflikte beider Damen bei der Rollenverteilung bewirkten oftmals nicht geringe Probleme, und nicht selten war dadurch auch der glatte Ablauf des Theaterbetriebs bedroht. Bei besonderen Anlässen, wenn beide Damen nebeneinander auftraten (Shakespeare: CoriolanusC.-D.  als Valerie, Versing als Volumnie), diente dies dem allgemeinen Erfolg und fand ein außerordentliches Echo.

Zu Ostern 1876 endete im Ständetheater in Prag der Vertrag von Direktor Rudolf Wirsing, und ein Jahr früher, im Frühjahr 1875, war ein öffentlicher Wettbewerb hinsichtlich der Pacht des Theaters ausgeschrieben. Um die Stelle des Diektors bewarb sich auch Emil Claar, der Ehegatte von C.-D. Wenngleich er dank seiner bisherigen Verdienste zu den favorisierten Kandidaten gehörte, erhielt er die Stelle später nicht. Das Ehepaar Claar wollte sofort aus Prag abreisen und kündigte den Abschied vom Prager Publikum für den 27. 3. 1875 an, bei der Premiere der Neueinstudierung von Shakespeares Stück Ein Wintermärchen. Frau C.-D. wurde bereits beim Betreten der Bühne mit Ovationen, Blumen und Lorbeerkränzen begrüßt, von denen einer von dem einflussreichen Prager deutschen Künstler- und Schriftstellerverein Concordia stammte. Der Applaus wiederholte sich nach dem zweiten Akt, als beide mehrmals dem Publikum für den Applaus dankten und Emil Claar eine Rede hielt. Direktor Wirsing war jedoch nicht bereit, beide Künstler gehen zu lassen, da sie einen Vertrag bis Ostern 1876 unterzeichnet hatten; bis zum Ablauf dieser ordnungsgemäßen Frist waren sie gezwungen, in Prag zu bleiben. Die letzte Prager Vorstellung C.-D.s  war am  7. 4. 1876 die Dalila (O. Feuillet: Dalila).

Von Prag aus ging C.-D. ans Residenztheater Berlin, wo ihr Mann eine Regisseursstelle antrat. Sie wurde immer noch hoch geschätzt, nicht nur in Berlin, sondern auch bei Gastauftritten, die sie immer mehr ständigen Engagements vorzog. Ab 1879, als ihr Mann Theaterdirektor in Frankfurt a. M. wurde, spielte sie nicht im dortigen Ensemble, sondern widmete sich nur Gastspielen. Zu ihren bedeutendsten Reisen soll eine Tournee durch Nordamerika im Herbst 1882 gehört haben, für die C.-D. eines der höchsten Honorare der damaligen Zeit erhalten haben soll.

Im Jahre 1891 verschlechterte sich ihr Gesundheitzustand, C.–D. beendete ihre Künstlerlaufbahn und trat nur noch gelegentlich Wohltätigkeitsvorstellungen auf. Sie starb nach langer Krankheit und wurde am 24. 11. 1908 in Anwesenheit bedeutender Persönlichkeiten des künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Lebens auf einem Friedhof in Frankfurt a. M. beigesetzt.

Prager Rollen (Auswahl)

Auftritte für das Engagement, Juli 1872: Leopoldine Strehlen (Töpfer: Der beste Ton); Julie (Castelli: Die Schwabin); Donna Diana (Moreto – West: Donna Diana); Gräfin von Autreval (Hedwig von Olfers, nach Scribe: Frauenkampf); Valentine (Freytag: Die Valentine); Rosamunde von Kronau (Töpfer:Rosenmüller und Finke). 

Rollen im Engagement 1872–1876:

1872: Frau von Linden (Bauernfeld: Die Bekenntnisse), Turandot (Gozzi – Schiller: Turandot, Prinzessin von China), Ninon de Lenclos (Heinrich: Voltaire´s Ferien), Clara Wallfried (R. Kneisel: Die Tochter Belial’s),  Maria (P. Lindau: Maria und Magdalena). – 1873: Katharine von Rosen (Bauernfeld: Bürgerlich und romantisch),

Valeria (Shakespeare: Coriolan, nur eine Vorstellung), Oberon, König der Elfen (Shakespeare: Ein Sommernachtstraum). – 1874: Cesarine (Dumas: Das Weib des Claudius), Sophie von Reckheim (Bauernfeld: Der Vater), Dalila (Feuillet: Dalila), Alice von Molden (Gustav zu Putlitz: Spielt nicht mit dem Feuer), Elisabeth (Shakespeare – Schlegel: König Richard III.), Andrea (Sardou: Andrea). – 1875: Clara (L´Arronge: Mein Leopold), Adelheid (Goethe: Götz von Berlichingen), Sophie von Wildenheim (Moser: Der Veilchenfresser), Constanze von Leuthen (G. von Moser: Die Versucherin), Hermione (Shakespeare: Wintermärchen), Clara, Frau des Rittmeisters (J. B. Schweißer: Großstädtisch), Aouda (Verne – D´Ennery: Reise um die Erde in 80 Tagen). – 1876: Louise, Gräfin von Mailland (Th. Barrière: Der neueste Scandal).

Periodika

Deutscher Bühnenalmanach  S. 29, 1865, S. 140 (Hamburg). Siehe Periodika im Stichwort Claar Emil. –  Bohemia, 1872 – 1908 (30. 3. 1875, Berichte zum Weggang C.s aus dem Prager Engagement, 8. 4. 1876 Dalila, 18. 5. 1882, S. 6, Tournee in den USA, 23. 11. 1908, Abendausgabe Nekrolog, 28. 11. 1908, S. 6, Morgenausgabe, Notiz über die Beisetzung. – Posel z Prahy, 1874–1876 (27. 5. 1874, S. 3, Žena Claudiova, 27. 3. 1875, S. 2, Berichte über den Weggang aus dem Prager Engagement.

Literatur zur Prager Zeit

O. Teuber III., S. 585, 606, 607, 608, 616, 624, 628, 629, 675, 842. 

Eisenberg, Flüggen, Kosch Th, ODS, Oppenheim, Wininger


Bildung: 31. 7.2013

Autor: Pavlišová, JitkaLudvová, Jitka